Für abertausende Menschen gehört der „gelbe Schein“ zum Arbeitsleben dazu. Bei Krankmeldungen war er stets beim Arbeitgeber einzureichen. Nun hat die ausgedruckte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ausgedient.
Die E-AU macht es möglich, dass Unternehmen die Krankschreibungen bei der entsprechenden Krankenkasse digital anfordern können. Bereits seit Juli übermitteln Arztpraxen die AUs digital an die Krankenkassen. Erleichtern soll das den Aufwand für alle Beteiligten. Sofern alles funktioniert.
Doch genau da ist der Haken. Oder besser die Haken. Ärzte aus Ahaus berichten nach den ersten Tagen von verschiedenen Problemen, die im Zusammenhang mit der digitalen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgetreten sind. Und die sind auch essenzieller Natur, wie Dr. Akin Yilmaz-Neuhaus von der Praxis im Kreishaus berichtet.
Probleme bei der Übermittlung der E-AU
„Bei uns funktioniert die Übermittlung der AU an die Krankenkasse nicht immer“, sagt er. Außerdem sagt Yilmaz-Neuhaus mit ironischem Unterton: „Digitalisierung in Deutschland bedeutet, nur zwei anstatt drei Seiten zu drucken.“ Er spielt damit auf die drei Ausfertigungen des Krankenscheins an, die Patientinnen und Patienten früher bekommen haben. Eine für die eigenen Unterlagen. Eine für den Arbeitgeber. Und eine für die Krankenkasse.

Die E-AU soll die letzten beiden Ausdrucke nun eigentlich unnötig machen. Zumindest in der Theorie. Im Alltag sieht das anders aus. „Wir händigen noch immer einen Ausdruck für die Arbeitgeber aus“, sagt Yilmaz-Neuhaus. So macht es auch die hausärztliche Gemeinschaftspraxis im Gesundheitszentrum am Wall.
Beide Praxen folgen damit der Empfehlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Sie rät, dass Praxen selbst entscheiden sollen, ob sie für den Arbeitgeber eine Krankmeldung auf Papier mitgeben. „Um nachträgliche Anfragen der Patienten nach einer Papierbescheinigung zu vermeiden“, heißt es in einem Beitrag auf der Internetseite der KBV.
Digitalisierung hakt an vielen Stellen
Dazu äußert sich Yilmaz-Neuhaus: „Es ist abzusehen, dass der Digitalisierungsprozess an vielen Stellen hakt.“ Daher sehe er derzeit „noch keinen großen Benefit“ in der E-AU. Dafür sei der Aufwand noch zu groß.
Dr. Thomas Varwick und Dr. Lucas de Boer von der Gemeinschaftspraxis im Gesundheitszentrum am Wall äußern keine solch harsche Kritik. Es gebe bei der Übermittlung der AUs zu den Krankenkassen lediglich aufgrund des nötigen VPN-Tunnels leichte Verzögerungen. Dann sei zwar für diese Zeit ein Computer blockiert, aber das lasse sich einrichten.
Außerdem hätten beide bislang keine Rückmeldungen von Patientinnen und Patienten bekommen, dass die AU-Übermittlung von den Krankenkassen zu den Arbeitgebern fehlgeschlagen sei. Einige Patientinnen und Patienten seien lediglich noch unwissend darüber, wie der Ablauf der digitalen Krankschreibung aussieht. „Viele meinen noch, dass wir als Arztpraxis die AU an die Arbeitgeber schicken“, so Varwick.
Fax noch regelmäßig in Benutzung
Dass die Online-Krankschreibung so schleppend anläuft, ist beispielhaft für die Digitalisierung im medizinischen Bereich. Sie schreite nur „langsam“ voran, so Varwick und De Boer.
Varwick erzählt beispielsweise: „Wir sind wohl die einzige Branche, die noch viel mit einem Fax-Gerät arbeitet.“ De Boer ergänzt: „Damit werden Befunde übermittelt. Das ist per Mail aus Datenschutzgründen nicht zulässig.“ Yilmaz-Neuhaus wird noch konkreter, wie weit die Digitalisierung in der Medizin im Vergleich zu anderen Bereichen zurück hängt. Etwa 10 bis 15 Jahre schätzt er.
Dabei zeigt sich Yilmaz-Neuhaus offen für digitale Veränderungen. „Unsere Praxis gehörte zu den ersten, die eine Online-Terminbuchung eingeführt haben“, sagt er. Der nächste Schritt sei eine digitale Rezeptbestellung mit Spracherkennung. Im Frühjahr wolle der Allgemeinmediziner diese an den Start bringen. Ohne Zwang, nur aus eigenem Antrieb heraus.
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