Als nach dem Bürgerentscheid im Dezember 2021 das Aus für die Planungen eines Industrie- und Gewerbegebiets an der Nordlippestraße besiegelt war, schwante so manchem Politiker Böses. Nicht nur, dass sich keine neuen Unternehmen in Werne ansiedeln würden, sondern auch, dass bestehende Betriebe die Lippestadt verlassen würden, weil sie hier nicht expandieren können. Folglich würden die Gewerbesteuereinnahmen in den Keller sacken und Arbeitsplätze verloren gehen, so die Befürchtung.
Auch Bürgermeister Lothar Christ hatte für das Projekt geworben – und dabei wahrscheinlich die Ziele im Hinterkopf, die er sich im Zuge des Wahlkampfs zur Kommunalwahl 2020 gesetzt hatte. Dazu zählte unter anderem die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Gut viereinhalb Jahre nach der Wahl lesen sich die Zahlen durchaus positiv. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote (Jahresmittelwert) in Werne 2020 bei 5,3 Prozent. Vor der Pandemie waren es noch 4,7 Prozent – ein Rekordwert. 2024 lag der Mittelwert dann wieder bei 4,9 Prozent.
Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist zwischen 2020 und 2024 gestiegen – von 11.185 auf 11.886. Darauf verweist die Stadt auf Anfrage unserer Redaktion. Die Angaben beziehen sich auf den Stichtag 30. Juni des jeweiligen Jahres. Fakt ist aber auch: Im Jahr 2023 gab es in Werne laut Angaben von IT.NRW sogar 12.091 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Zuletzt ist die Zahl also wieder gesunken.
Wie lief die Vermarktung von Gewerbeflächen?
Wer Arbeitsplätze schaffen will, benötigt dafür in der Regel Platz. Nach Angaben der Wirtschaftsförderung wurden allein in den Jahren 2020 bis 2022 sieben Hektar Gewerbeflächen in der Lippestadt verkauft. Die Flächen seien „fast ausschließlich an ansässige Unternehmen“ vermarktet worden. In der Statistik für die Jahre 2023 und 2024 steht in der Vermarktungsbilanz hingegen eine Null. Der Grund ist simpel: Es gab zu diesem Zeitpunkt keine freien Flächen mehr.
Anfragen von Unternehmen zu Gewerbeflächen und -objekten gab es allerdings durchaus. Im Jahr 2024 waren es 33, ein Jahr zuvor 34. Im April 2024 kündigte die Wirtschaftsförderung daher eine angepasste strategische Ausrichtung an. Man wolle beispielsweise die Unternehmen bei der Optimierung ihres Firmengeländes unterstützen, Baulücken schließen und kleinere Brachflächen revitalisieren. Zudem sollten Wernes Bürger deutlich stärker eingebunden werden, wenn es um die Gewerbeflächenentwicklung geht.
Es ist aber keineswegs so, dass in den vorhandenen Gewerbegebieten Stillstand herrscht. Das zeigen auch mehrere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit. So kündigte Amazon im November 2024 an, größere Umbaumaßnahmen am Standort in Werne vornehmen zu wollen – und mindestens 600 neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Auch die Traditionsfirma Rollex will ihren Standort in Werne erweitern und für rund 30 neue Arbeitsplätze sorgen. Das erklärte das Unternehmen im Dezember 2024. Und auf der ehemaligen Ikea-Fläche tut sich ebenfalls etwas. So teilte die Firma Garbe Industrial Real Estate im Juli 2024 mit, einen neuen Mieter für eine 21.000 Quadratmeter große Hallenfläche gefunden zu haben: das auf Lagerlogistik spezialisierte Unternehmen Lecangs.
Leerstände und Neueröffnungenin der Innenstadt
Zur Wirtschaft gehören aber nicht nur die großen Unternehmen, sondern auch die kleineren Geschäfte in der Innenstadt. Und da gab es seit der Kommunalwahl 2020 durchaus eine gewisse Fluktuation. Das sehen auch Stadt und Bürgermeister so: „Tatsache ist, dass sich die Innenstädte verändern und auch immer wieder Geschäftsaufgaben zu verzeichnen sind. Insgesamt ist es bei aller herausfordernden Lage für die Innenstädte der kleineren und mittleren Städte gelungen, die Leerstandsquote in Werne nicht ansteigen zu lassen“, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion aus dem Stadthaus.

Tatsächlich schwankt die Leerstandsquote in der Werner Innenstadt. 2020 lag sie bei 9,2 Prozent (17 Leerstände), aktuell sind es 7,6 Prozent (14 Leerstände). Von diesen Immobilien erscheinen aus Sicht der Wirtschaftsförderung derzeit aber nur zwei vermietbar. In den anderen sorgt unter anderem ein Sanierungsstau dafür, dass die Objekte nicht vermittelt werden können.
Ein positiver Punkt: Allein für das Jahr 2024 kann die Stadt in ihrer Statistik 12 Neuvermietungen und Neueröffnungen verbuchen, darunter gleich vier Friseurläden. Auch der Bezug der neuen Werne City Mall (Action, Rewe, Hosselmann) spiegelt sich in der Statistik wider. Die sah 2023 allerdings noch deutlich besser aus. Seinerzeit gab es lediglich acht Leerstände. Das entsprach einer Quote von 4,3 Prozent.
Profitiert haben Stadt beziehungsweise Geschäfte in den vergangenen Jahren auch von Fördergeldern - etwa aus dem „Sofortprogramm Innenstadt“ des Landes NRW. Der Förderzeitraum erstreckte sich über drei Jahre. Während dieser Zeit konnten Geschäftsleute Ladenlokale zu vergünstigten Konditionen mieten – eine Art Starthilfe, finanziert aus Fördermitteln. Teils sind daraus langfristige Mietverträge geworden, etwa im Falle des Geschäfts Boardslide. Der Nachfolger des Förderprogramms trägt den Titel „Zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren“ und läuft bis 2026.
„Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing haben in vielen Fällen bei Ansiedlungen und Anmietungen von Ladenlokalen und Geschäften in der Innenstadt unterstützt und gefördert“, heißt es aus dem Stadthaus. Neben bestehenden Unternehmen habe man auch neue Konzepte wie Traumatelier in der Magdalenenstraße für Werne gewinnen können.
Mit der Bilanz seiner Amtszeit in Sachen Wirtschaft ist Bürgermeister Lothar Christ zufrieden. Die vor der Wahl formulierten Ziele – speziell die Schaffung neuer Arbeitsplätze – seien erreicht worden. Unsere Einschätzung: Das, was machbar war, wurde umgesetzt. Die Aussichten für die Zukunft sind gut – auch, wenn freie Flächen nicht auf Bäumen wachsen.
Arbeitslosigkeit, Ladenleerstände und Co. in Werne: „Unserer Wirtschaft geht es gut, aber...“