Über Osterbräuche in Westfalen schreibt Historikerin Heidelore Fertig-Möller, ehemalige Leiterin des Stadtmuseums Werne:
Am Palmsonntag, der Sonntag vor dem Osterfest (in diesem Jahr der 2. April), erinnert man sich an die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem, als er von der Bevölkerung wie ein König mit Palmzweigen begrüßt wurde. Aus diesem Grunde werden in vielen Kirchen am Palmsonntag Zweige als Symbol des Lebens verteilt.
Da es in den nördlichen Ländern keine Palmen gab, nahm man unter anderem Weidenzweige, Buchsbaum und Obstzweige. In Westfalen findet man oft kunstvoll geschnitzte und verzierte Palmstöcke, die von Ort zu Ort unterschiedliche Formen (zum Beispiel mit sogenannten Krüllen) aufweisen und mit immergrünem Buchsbaum, Palmgebäck, Rosinenketten, Backobst und bunten Bändern verziert sind.

Hungertuch in der Kirche
Am Mittwoch der Karwoche wurde früher in vielen Kirchen Westfalens das Fastenvelum, das sogenannte Hungertuch, unter feierlichem Geläut heruntergelassen, das den Altarraum für die Gläubigen verhüllte. Dieses im Volksmund „Smachtlapp“ genannte Tuch, oft aus dem 16./17.Jahrhundert, gibt es heute nur noch in wenigen Originalexemplaren, beispielsweise im Museum Telgte.
Am Gründonnerstag wird denen, die sich schuldig gemacht haben, die Vergebung zugesprochen. Wahrscheinlich ist darauf der Name „Gründonnerstag“ (Tag der greinenden, der weinenden Büßer) zurückzuführen.
In den vergangenen Jahrhunderten war der Gründonnerstag der tätigen Nächstenliebe gewidmet, z.B. wurde in den Klöstern Westfalens besonderes Brot an die Armen verteilt. Von Gründonnerstag bis Ostersonntagmorgen schweigen alle Kirchenglocken – den Kindern hat man früher erzählt, dass die Glocken nach Rom zum Papst fliegen und dort neu „geschmiert“ werden.
Schwankende Oster-Termine
Der Termin für das jährliche Osterfest schwankt immer zwischen dem 21. März und dem 25. April, da vor fast 1700 Jahren, 325, beim Konzil von Nicäa das christliche Osterfest auf den Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang festgelegt worden ist. Diese Zeit des Frühlings war in der Lebenswelt der bäuerlichen Bevölkerung durch die jährliche Frühjahrsbestellung bestimmt.
Das wurde in den konfessionell gemischten Gebieten am Karfreitag, der dem Gedenken an die Kreuzigung Christi gewidmet ist, besonders deutlich. Während dieser Tag für die evangelische Bevölkerung einer der höchsten kirchlichen Feiertage ist – man legte Festtagskleidung an, ging zur Kirche, empfing das Heilige Abendmahl und aß kein Fleisch -, nutzten die katholischen Bauern diesen Tag gerne dazu, um die Ställe auszumisten und Jauche abzufahren.

Karfreitag als Arbeitstag
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Karfreitag zu einem gesetzlichen Feiertag in der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erhoben wurde, war er für die katholische Bevölkerung außerhalb der Gottesdienstzeit ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag. Es wurde auch oft Wäsche gewaschen, diese im Garten aufgehangen und das Haus geputzt – das führte manchmal zu Reibereien mit der evangelischen Bevölkerung, nicht nur in Westfalen.
Die Karfreitag-Darstellung „Jesus am Kreuz“ wurde das Symbol für die christliche Gemeinschaft und hängt in fast allen Kirchen direkt über dem Altar. Auch in Werne findet sich diese Kreuzigungsszene an einigen Plätzen in der Innenstadt von Werne, manchmal sogar an Orten, wo sie kaum wahrgenommen werden.

Ostern war Zahltag für Bauern
Ostern war im Mittelalter aber auch ein wichtiger Stichtag im Jahr. An diesem Termin mussten die Bauern einige Abgaben an ihren Grundherren oder den Pfarrer abliefern. Als das wichtigste „Zahlungsmittel“ standen in dieser Jahreszeit Eier in reichlicher Fülle zur Verfügung, zumal sie in der vorangegangenen Fastenzeit nicht verzehrt werden durften.
Zu Ostern wurde auch der Schinken vom herbstlichen Schlachten erstmals angeschnitten, oder der halbe Schweinskopf kam auf den Frühstückstisch. Es galt die Regel, dass man an diesen Ostertagen sich einmal richtig satt essen durfte. So ist es nicht verwunderlich, dass es oft zu regelrechten Wettessen kam. In bäuerlichen Haushalten rechnete man mit einem Verbrauch von 8 – 10 gekochten Eiern pro Person und Mahlzeit. Es soll vorgekommen sein, dass junge, kräftige Knechte 20 - 30 Eier auf einmal gegessen haben. Beim Abbrennen des Osterfeuers am Sonntagabend wurde dann geprahlt, wie viele Eier man in diesem Jahr gegessen hätte.
Gefährliches Böllern beim Osterfeuer
Beim Abbrennen des Osterfeuers, urkundlich bereits 1342 erwähnt, war auch das Böllern weit verbreitet. Chinaböller wie heute gab es nicht – also blieben nur Milchkannen als gefährliche Alternative. Sie wurden mit Wasser und Karbid gefüllt. Ein Gas entwickelte sich, das man durch ein Loch im Boden per Lunte anzündete, bis der Deckel mit einem lauten Knall in den abendlichen Osterhimmel flog. Am Ostermontag ging man dann „nach Emmaus“, das bedeutete, die Männer und die jungen Burschen besuchten an diesem Feiertag das Wirtshaus, während die Frauen zu Hause kochten.
Der Brauch des Ostereiersuchens durch die Kinder kam erst Ende des 19. Jahrhunderts auf, wurde dann aber im Laufe des 20. Jahrhunderts entscheidend durch die Schokoladen-Industrie gefördert.