An Karneval wird jedes Jahr ausgiebig gefeiert. Die Karnevalisten werfen sich in die verschiedensten Kostüme, ziehen um Rosenmontag herum durch die Straßen. Doch einige der Kostüme stecken voller Stereotype.
Ein Geschichts-Experte aus Werne empfindet es als wichtig, dass über die Auswahl verschiedener Verkleidungen diskutiert wird. Christian Schmidtmann ist Geschichtslehrer am Gymnasium St. Christophorus und findet, dass das Tragen bestimmter Kostüme wie beispielsweise eben das einer Indianer-Verkleidung nicht richtig ist.
„Das Indianer-Kostüm ist so ein klassischer Fall“, sagt Schmidtmann. Um die Problematik in dem konkreten Beispiel zu erklären, geht der Lehrer geschichtlich zurück zur Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert. In der Zeit gab es in verschiedenen Zoos Indianer-Shows, berichtet er. Die Menschen seien damals nach Europa „geholt“ und wie „Tiere im Freigehege“ präsentiert worden. In diesen Ausstellungen, wie Schmidtmann sagt, seien dann die Habitate der Indianer nachgebaut, ihre Lebensweise nachgespielt worden.
Auch wenn die Menschen freiwillig gekommen seien und Geld verdient haben, sagt er: „Letztlich diente es dazu, einen Vergleich zu uns zu machen. Das sind die anderen und die sind viel weniger weit entwickelt als wir.“ In dem Zusammenhang spricht Schmidtmann von europäischer Egomanie. „Die meisten Bilder, die wir heute aufgreifen, wie beispielsweise von Indianern, sind während dieser Zeit entstanden.“
Die heutigen Indianer-Kostüme würden die von damals bestehenden Stereotype nach wie vor transportieren. Darin sei - so wie bei vielen anderen Stereotypen auch - der Zusammenhang von Unterlegenheit und Überlegenheit verankert. „Man muss immer gucken, in welchen Traditionen man sich bewegt“, findet Schmidtmann.
Perspektivwechsel ist wichtig
Es geht dem Geschichtslehrer nicht „nur“ um das Indianer-Kostüm, sondern letztlich um all jene, die im Zusammenhang mit einer uns fremden Kultur stehen. Er sagt: „Es geht immer um die Linie des eigenen und des Fremden. Immer wenn ich ein Kostüm wähle, muss ich die Perspektive wechseln. Verletze ich jemanden damit? Stelle ich einen Stereotyp dar?“
Dieser Perspektivwechsel, sich in die anderen Menschen hineinzuversetzen, sei laut Schmidtmann extrem wichtig. „Wenn ich Stereotype mit langer, eigener Kultur darstelle, die nicht zu uns gehören, ist es wichtig: Wie wird das von den Leuten gesehen, die zu dieser Kultur gehören?“
In dem Zusammenhang nennt er auch beispielhaft das „Black-Facing“, also sich schwarz anzumalen und darüber hinaus lockige Perücken aufzusetzen. „Auch hier muss man sich fragen: Was soll das jetzt heißen?“. Weiter sagt er: „Ich fände es auch nur mäßig witzig, im europäischen Ausland als karikaturhafter Deutscher gesehen zu werden.“
Sensibilität für das Thema
Auch andere Kostüme sind ihm zufolge problematisch: Mit Schülern habe er beispielsweise über die Symbolik von Kreuzfahrern gesprochen, von denen es auch lange eine Playmobilfigur gab. Auch das - sagt er - ginge heute nicht mehr, da durch ihr Wirken viele Menschen gestorben seien. Gleiches gelte, wenn sich jemand zum Beispiel als Wehrmacht-Soldat verkleide.
Doch Schmidtmann ist wichtig zu betonen: „Es geht nicht darum, jemandem den Spaß zu verderben, sondern eine gewisse Sensibilität zu gewinnen.“ Er sieht es auch nicht als No-Go an, wenn er etwa jemanden im Indianerkostüm sieht, will darüber hinaus auch niemandem direkt Rassismus unterstellen. „Man kann den Leuten höchstens eine gewisse Unsensibilität vorwerfen.“ Ihm ist es wichtig, dass über das Thema ausreichend diskutiert und dafür sensibilisiert wird - denn nicht selten handele es sich um Traditionen von Stereotypisierungen, die man häufig nicht auf dem Schirm habe oder über die man nicht Bescheid wisse.