Zahl der Kiebitze sinkt im Kreis Unna dramatisch Nur noch 18 Brutpaare in Werne

Zahl der Kiebitze sinkt dramatisch: Nur noch 18 Brutpaare in Werne
Lesezeit

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Zahl der Kiebitze in Werne ist dramatisch gesunken.
  • Innerhalb eines Jahres halbierte sich die Zahl der registrierten Brutpaare.
  • Der Kiebitz verliert durch Störungen von Menschen und intensive Landwirtschaft zunehmend seinen Lebensraum.
  • Im Kreis Unna sind von einst 380 Brutpaaren nur noch 67 übrig, in Werne selbst sind es nur noch 18 Brutpaare auf geschützten Flächen.
  • Zum Schutz des Kiebitzes werden Maßnahmen wie der Schutz und die Wiederherstellung von Feuchtgebieten und weniger intensive Landwirtschaftspraktiken vorgeschlagen.

Der Kiebitz steht im Kreis Unna kurz vor dem Aussterben. Der für seinen charakteristischen Flugstil mit schnellen Flügelschlägen und plötzlichen Richtungswechseln bekannte Singvogel verliert immer mehr Brutplätze und damit die Möglichkeit, neue Generationen hervorzubringen.

Der Kiebitz hat ein schwarz-weißes Gefieder mit einem grünen Schimmer auf dem Rücken und einer markanten Tolle auf dem Kopf. Die ist beim Männchen deutlich größer als beim Weibchen. In den letzten Jahrzehnten nehmen die Sichtungen dieser Vögel drastisch ab und das europaweit. Die Hauptursachen hierfür sind der Verlust von Lebensräumen und Störungen durch menschliche Aktivitäten. Intensive landwirtschaftliche Nutzung, die Trockenlegung von Feuchtgebieten sowie der Bau von Siedlungen und Infrastruktur tragen maßgeblich dazu bei, dass die Lebensräume des Kiebitzes immer weiter schrumpfen.

In NRW ist die Vogelart besonders stark gefährdet. Die Bestände sind auch hier in den letzten Jahren stark zurückgegangen, wobei die Ursachen ähnlich wie in anderen Teilen Europas sind. Viele Feuchtgebiete wurden trockengelegt, um sie landwirtschaftlich nutzbar zu machen, was den Lebensraum des Vogels weiter einschränkt. Hinzu kommt der Verlust von Brutplätzen durch die Veränderung der Landschaft und die Zunahme von Störungen durch den Menschen, wodurch viele traditionelle Brutplätze verloren gegangen sind.

Der Ornithologe Klaus Nowack blickt durch sein Fernglas
Klaus Nowack kartiert die heimische Vogelwelt. © Laura Oswald-Jüttner

50 Prozent Verlust

Der heimische Ornithologe Klaus Nowack erinnert sich, dass 1999 im Kreis Unna 380 Brutpaare registriert worden waren. „Heute haben wir noch 67 Paare. In Werne sind dieses Jahr noch einmal die Hälfte der Paare verschwunden, es sind nur noch 18 Paare auf geschützten Flächen. Auf allen anderem Flächen gibt es 2024 keine Kiebitze mehr.“ Die Tiere seien darauf geprägt, ihre Nester auf Ackerland zu bauen. Dazu formen sie eine Mulde im Boden und kleiden sie mit ein paar Gräsern aus. Maximal vier Eier beinhaltet ein Gelege im Frühjahr. „Wird eines zerstört, legen die Paare sofort nach. Bis zu dreimal hintereinander kann das vorkommen, dann aber hören sie auf“, weiß der Fachmann.

Eigentlich bevorzugen die Singvögel, die in Südeuropa nach wie vor massiv bejagt werden, Feuchtwiesen. Aber die sind mittlerweile zu selten geworden. Nowack zeigt uns eine geschützte Fläche im Industriegebiet im Westen von Werne. Die wurde als Ausgleich für den Bau des Amazon-Standorts geschaffen. Maximal drei Kiebitz-Brutpaare konnten hier registriert werden. Außerhalb geschützter Flächen gebe es keine brütenden Kiebitze in Werne mehr.

Ein Kiebitz-Gelege mit vier Eiern
So sieht ein Kiebitz-Gelege aus. Die gescheckten Eier sind in der Umgebung nur schwer zu erkennen. © Philipp Thießen (Archiv)

Vertrags-Naturschutz mit Landwirten

„Wir wünschen uns alle gemeinsam mehr Aufmerksamkeit“, so der Ornithologe. Es könnte beispielsweise dank der ansässigen Landwirte ein sogenannter Vertrags-Naturschutz entstehen. Ein Landwirt würde dabei seine Fläche zur Verfügung stellen, um dem Kiebitz eine Brutmöglichkeit zu schaffen. In der Vergangenheit habe man solche Verträge auch schon abgeschlossen. Es kommt zudem vor, dass in Feldern und Wiesen entdeckte Nester gekennzeichnet werden, um die Fläche weiterhin zu bearbeiten, ohne die Kiebitze im Brutgeschäft zu stören.

Manchmal treffen Spaziergänger vielleicht auf einer Fläche einen ganzen Schwarm der hübschen Vögel an. „Das sind dann aber abziehende Vögel, die ihr Winterquartier anfliegen“, erklärt Nowack. „Wenn Kiebitze erfolgreich brüten konnten, kehren sie in der Regel im nächsten Jahr an dieselbe Stelle zurück.“

Eine Wiese nahe dem Industriegebiet Wahrbrink in Werne
Auf dieser geschützten Fläche nahe dem Industriegebiet Wahrbrink in Werne haben dieses Jahr keine Kiebitze gebrütet. © Laura Oswald-Jüttner

Mehr Bewusstsein schaffen

Um den Kiebitz zu erhalten, sind verschiedene Maßnahmen notwendig. Zum einen sollten Feuchtgebiete geschützt und, wo möglich, wiederhergestellt werden. Dies umfasst die Renaturierung von Mooren und die Schaffung von Flachwasserzonen. Außerdem sollte in bestimmten Gebieten eine weniger intensive Landwirtschaft gefördert werden, was durch finanzielle Anreize und Subventionen geschehen kann. Während der Brut- und Aufzuchtzeit, die von April bis Juni dauert, sollte in Brutgebieten auf Störungen durch landwirtschaftliche Arbeiten und Freizeitaktivitäten verzichtet werden. Markierungen der Nester und spezielle Schutzzonen können dabei helfen.

Zudem kann in bestimmten Regionen ein gezieltes Prädatoren-Management angewendet werden, um die Gelege und Jungvögel vor Fressfeinden zu schützen. Ob das aber notwendig ist, hängt von der individuellen Situation ab. Elternvögel führen Krähen und andere Beutegreifer von ihrem Nachwuchs weg. „Wenn mehr als ein Brutpaar in der Fläche ist, haben Fuchs und Krähe selten eine Chance, sich was zu holen“, so Nowack. Zu guter Letzt ist auch die Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung der Bevölkerung wichtig, um über die Gefährdung des Kiebitzes und die notwendigen Schutzmaßnahmen zu informieren.