Junior-Europawahl in Werne - Auch hier liegt AfD auf Rang drei „Müssen das analysieren“

Auch bei Junior-Europawahl liegt AfD auf Rang drei: „Müssen das analysieren“
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Was wäre wohl gewesen, wenn ausschließlich Jugendliche am 9. Juni gewählt hätten? Mehr als 5000 Schulen haben im Vorfeld der Europawahl an einer realitätsgetreuen Wahlsimulation teilgenommen, darunter auch Schulen aus Werne und Bergkamen. Zur Einordnung: Bergkamen fließt in die Betrachtung mit ein, da auch hier Schülerinnen und Schüler aus Werne unterrichtet werden.

Am Anne-Frank-Gymnasium (AFG) haben die Jahrgänge 7 bis Q1 gewählt. „Bemerkenswert ist, dass insgesamt Parallelen zur ‚richtigen‘ Wahl erkennbar sind. Aufschlussreich ist zudem, dass insbesondere etablierte Parteien die meisten Stimmen erhielten, während kleinere Parteien weniger Zuspruch fanden“, sagt Politiklehrerin Luise Schmidt. Die Wahlbeteiligung lag hier bei 85 Prozent, was die Schule lobt. Die Wahl sei allgegenwärtig gewesen, nahezu ununterbrochen haben sich Schüler darüber ausgetauscht.

Wahlraum im Anne-Frank-Gymnasium Werne
Mehr als 5000 Schulen nahmen bundesweit an der Wahlsimulation teil. © Anne-Frank-Gymnasium Werne

AfD auch bei Jugendlichen stark

Stärkste Kraft bei den jungen Wählerinnen und Wählern am AFG wurde die CDU mit 27 Prozent aller gültigen Stimmen. Dahinter folgt die SPD mit 16 Prozent, die AfD mit 13 Prozent, Die Grünen mit zehn Prozent, die FDP mit sechs, die Tierschutzpartei mit fünf und Die Linke mit vier Prozent. Dass viele Jugendlichen sich für eine in Teilen rechtsextreme politische Partei entschieden haben, spiegele zwar den allgemeinen Trend wider, mache aber dennoch fassungslos, fasst Schulleiter Marcel Damberg zusammen.

Statt jetzt den mahnenden Zeigefinger zu erheben, müsse Ursachenforschung betrieben werden. „Social Media spielt wohl eine große Rolle. Gerade die populistischen Parteien sind auf Plattformen wie TikTok sehr präsent“, sagt er. Und Luise Schmidt ergänzt, dass gerade diese 60-Sekunden-Schnipsel besonders geeignet seien, um Unwahrheiten zu verbreiten und Unsicherheiten zu schüren.

Hinzu komme, dass die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne bei Heranwachsenden immer kürzer werde. Auch das machen sich Parteien zunutze. Ein Blick auf das bundesweite Ergebnis auf der Website www.juniorwahl.de zeigt ein ähnliches Bild: 20,9 Prozent für die Christdemokraten, 14,7 für die Sozialdemokraten und 14,5 Prozent für die Alternative für Deutschland. „Der Schnitt ist gruselig“, findet Damberg. Er zeige aber deutlich, dass das Ergebnis unabhängig von Bildungsstand und Schulform gebildet werde. Das Erstarken der Rechten in ganz Europa sei ein gesellschaftliches Problem.

Das Wahlergebnis des AFG Werne.
Das Wahlergebnis des AFG Werne. © Anne-Frank-Gymnasium Werne

Medien als eigenes Schulfach

Lehrerin Jil Högele vermutet, dass viele Jugendliche in ihrer Wahlentscheidung auch vom Elternhaus beeinflusst wurden, was völlig normal sei. Vielleicht sei dies aber auch ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass nachfolgende Generationen sich im politischen Diskurs zu wenig ernst genommen fühlen. Das Ergebnis nehmen die Pädagogen des städtischen Gymnasiums nun jedenfalls zum Anlass, noch stärker auf Demokratieerziehung und politische Einmischung zu setzen. „Für die heutige Jugend ist ein grenzenloses Europa selbstverständlich, das unterschätzt man leicht“, so die Lehrerin.

Ab dem kommenden Schuljahr führt das AFG Medien als eigenes Schulfach ein. Dort lernen die Schülerinnen und Schüler dann, wie schnell Fake News und Populismus den Weg über Social Media in das Bewusstsein finden können. Auch setzen sich die Lehrkräfte inhaltlich mit dem Wahlergebnis auseinander und fragen die Jugendliche gezielt nach ihren Wahlgründen. Wichtig sei aber vor allem, ihnen zu zeigen, dass auch eine Stimme für das Europäische Parlament gezählt werde.

Die Ergebnisse der Junior-Europawahl am GSC Werne.
Die Ergebnisse der Junior-Europawahl am GSC Werne. © Gymnasium St. Christophorus Wern

GSC wählt gegen den Schnitt

Am Gymnasium St. Christophorus Werne haben nach Auskunft von Marius Berning, Lehrer für Mathematik und Sozialwissenschaften, 257 Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 9, 10 und Q1 an der Wahlsimulation teilgenommen „Im Politikunterricht beziehungsweise Unterricht in Sozialwissenschaften wurde die Wahl in den Jahrgängen inhaltlich vorbereitet. Dabei ging es zum Beispiel um das Europäische Parlament, die Zusammensetzung des Parlaments, die Bedeutung der Europawahl und die verschiedenen Vorstellungen unterschiedlicher Parteien“, erläutert er. In der Aula gab es mehrere Wochen vorher Wahlplakate zu den verschiedenen Parteien und weitere Informationsmöglichkeiten, wie zur Rolle von Desinformation.

25,5 Prozent der Stimmen entfielen auf die CDU, 17,4 auf die SPD und 22,3 auf Die Grünen. Auf Platz vier landete die FDP mit 11,9 Prozent, dahinter mit 7,7 Prozent Die Partei. Für die AfD stimmten an der Konfessionsschule nur 7,2 Prozent.

Demokratieerziehung nach vorne bringen

Auch am Städtischen Gymnasium Bergkamen wurde die AfD drittstärkste Kraft. Schulleiterin Dr. Maja Beutel sagt, das Ergebnis habe das gesamte Kollegium geschockt. Und das, obwohl die Schule den Demokratiepreis des Kreises Unna gewonnen hat. Auch seien mehrere Aktionen gegen Rassismus organisiert worden. „Wir müssen das analysieren und haben jetzt einen klaren Auftrag, Demokratieerziehung noch weiter nach vorne zu bringen“, so Beutel.

„Dass mit der SPD (18,9 Prozent) und CDU (15,6 Prozent) die beiden größten deutschen Parteien gewinnen konnten, war von der Gruppe erwartet worden. Überrascht zeigten sie sich hingegen vom Wahlergebnis der AfD (15,09 Prozent), die von den Schülern die drittmeisten Stimmen erhielten. Dieses Ergebnis gab Anlass zu intensiven Diskussionen über aktuelle Politik und die Einstellungen der jungen Wählerinnen und Wählern“, schreibt die Schule zum Ausgang der Wahl auf ihrer Homepage.

Die Macht der Medien wie TikTok habe die derzeitige Generation der Lehrenden vielleicht unterschätzt, mutmaßt AFG-Schulleiter Marcel Damberg. Daher könnte die Bundesregierung darüber nachdenken, solche Plattformen zu verbieten. Das sei natürlich kein Allheilmittel, aber ein Schritt auf dem Weg, jungen Menschen den Unterschied von demokratischen und populistischen Nachrichten beizubringen.