Die Anwohner von Capeller Straße, Pagensstraße, Ronnenheideweg und Kerstingweg sind besorgt. Sie befürchten, dass durch die Erweiterung des Unternehmens RCS noch mehr Lärm, Gestank und Dreck auf sie zukommen. Am Dienstagabend (10. September) lud die Stadtverwaltung Werne zu einem ersten Bürger-Informationsabend ein. In der Aula des Anne-Frank-Gymnasiums wurden der aktuelle Planungsstand sowie die bereits vorliegenden Gutachten erläutert. Im Nachgang hatten Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, ihre - wie Wernes Planungsdezernent Ralf Bülte es beschrieb „Sorgen, Nöte, Anregungen und Kritik“ vorbringen. Zahlreiche Gespräche seien bereits geführt worden, bei denen viele Themen angesprochen wurden. Er wies darauf hin, dass es sich um den aktuellen Planungsstand handle, noch sei nichts in Stein gemeißelt.
Zunächst jedoch erhielt die Geschäftsführerin von RCS, Adelheid Hauschopp-Francke, das Wort. Sie erläuterte noch einmal in knappen Sätzen, warum das Unternehmen erweitern möchte. Der wichtigste Punkt: Der derzeitige Standort sei ausgelastet, es gebe keinerlei Kapazitäten mehr. „In der gesamten EU müssen Recycling-Kapazitäten geschaffen werden, um die Gesetze einhalten zu können“, sagte sie. Um das zu schaffen, soll das Firmengelände weiter nördlich um die Capeller Straße erweitert werden. Etwa 6,5 Hektar Fläche werden benötigt. Die Unternehmerin betonte, dass der Flächengewinn in unmittelbarer Nähe zum aktuellen Standort der einzig sinnvolle Weg sei. Es gehe darum, die Produktion, Logistik und Verwaltung am Ort zu behalten und nicht räumlich zu zerpflücken.
Nachdem die Gutachten vorgestellt wurden, gab Uta Leisentritt, Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung, Planung und Wirtschaftsförderung der Stadt Werne und Moderatorin des Abends, die Diskussion frei. Schnell wurde deutlich: Die Menschen sorgen sich um mehr Lärm, mehr Verkehr und Gefahr für die Umwelt.

Lärmschutz
Stefan Fleischhacker von der IST Akustik GmbH aus Haltern am See stellte das Lärmschutz-Gutachten vor. Für die Beurteilung der zulässigen Lärm-Emissionen im genannten Bereich wurden vorhandene Geräuschbelastungen aus Gewerbe und Industrie angrenzender Flächen berücksichtigt. Die daraus resultierenden Dezibel-Werte wurden nach der DIN 45691 „Geräuschkontingentierung“ errechnet. Demnach werden je nach Teilfläche zwischen 54 und 68 Dezibel pro Quadratmeter (db(A)/m²) am Tag und 42 bis 52 db(A)/m² in der Nacht emittiert.
Eine Anwohnerin beklagte, sie könne schon jetzt weder bei offenem Fenster schlafen, geschweige denn arbeiten. „Man ist kontinuierlich einer Dauerbeschallung unterzogen. Es war die Sprache von einer db-Zahl von 60 tagsüber und 45 nachts. Jetzt lese ich dort 68 und 52 db. Was heißt das? Wenn ich das Zusatzkontingent drauf rechne, komme ich auf über 70.“ Fleischhacker erläuterte: „Das ist etwas anderes. Das hier sind Emissionen. Was bei Ihnen ankommt, sind die Immissionen.“ Auf die Nachfrage, wie viel Lärm denn nun ankomme und welche Berechnungsgrundlage es gegeben habe, verwies Fleischhacker auf gesetzliche Vorgaben für Wohn- und Industriegebiete. Grundlage seien unter anderem Werte, die im Bebauungsplan festgesetzt seien. Den Ist-Zustand habe sein Unternehmen aktuell nicht gemessen.
Daraufhin wurde in den Raum gestellt, dass die Lautstärke bei RCS gar nicht gemessen worden sei. Dem widersprach Adelheid Hauschopp-Francke vehement: „Bei uns wurde schon gemessen. Wir sind eine nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigte Anlage. Wir fallen nicht in die Aufsichtshoheit der Stadt Werne, sondern in die der Bezirksregierung Arnsberg. Diese kann jederzeit eine solche Messung anberaumen. Wenn es eine solche Messung gibt, darf ich nicht meinen Gutachter nehmen. Ich muss einen nehmen, der vorher noch nicht für mich gearbeitet hat. Unsere Werte waren in Ordnung.“
Entwässerung
Zur Entwässerungsplanung erklärte Christian Most von DW-Ingenieure aus Kamen, dass anfallendes Schmutzwasser über eine neu zu bauende Kanalisation abgeführt und mit einer Pumpstation in die städtische Kanalisation eingeleitet werden solle. Oberflächenwasser werde dann in die neue Kanalisation geleitet. Das von Hof- und Dachflächen anfallende Oberflächenwasser werde in einem unterirdischen Stau- und Rückhaltebecken am neuen Standort gesammelt.
„Reicht das Regenrückhaltebecken bei Überschwemmungen aus? Ist es sichergestellt, dass bei Überflutung keine Plastikteilchen in den Felsbach eingeleitet werden?“, wollte eine Bürgerin wissen. Weil ein Regen-Klärbecken vorgeschaltet werde, könne garantiert werden, dass kein belastetes Wasser in den Bach gelangen könne, erklärte Christian Most.
Bekanntlich möchte RCS auch in Nordkirchen einen Standort errichten. Daher nahmen auch Bürger aus Nordkirchen teil. Eine Dame rechnete vor, dass pro Tag etwa 1800 Kubikzentimeter, mit Abrieb von Auto- und Gummireifen sowie Mikroplastik belastetes Oberflächenwasser anfalle. Ob so etwas auch berücksichtigt worden sei bei der Garantie, dass der Felsbach nicht belastet werde. „Der Abrieb sedimentiert in diesem Becken und gelangt nicht in den Felsbach“, so Most. Die technischen Gegebenheiten verhindern das. Somit werde auch kein belastetes Wasser ins Trinkwasser-Einzugsgebiet gebracht.

Geruchsbelästigung
Drohen Geruchsbelästigung und Feinstaubbelastung? „Stellen Sie sich einfach einen Pfandautomaten vor, dann wissen Sie ungefähr, wie das bei uns riecht“, fasste die RCS-Geschäftsführerin zusammen. Am alten Standort gebe es zwar noch Gewerbeabfälle, die seien für den neuen aber ausgeschlossen, da hier nur Kunststoff recycelt werde. Dasselbe gelte für Feinstaub. Eine PET-Flasche neige eher dazu, durch Getränkereste feucht zu sein, anstatt zu stauben.
Auch müsse niemand Sorge haben, dass irgendwann einmal die Luftreinhaltung gefährdet sei, denn die Verarbeitung von Gefahrstoffen, also die Einführung eines sogenannten Störfall-Betriebs, werde kategorisch ausgeschlossen, bekräftigte Hauschopp-Francke.
Am Ende fasste ein Anwohner zusammen: Wenn alle Seiten gemeinsam am Tisch sitzen und offen und ehrlich miteinander sprechen und transparent arbeiten, „finden wir eine gute, für alle tragbare Lösung.“ Ralf Bülte bedankte sich für „die konstruktive Diskussion“. Alle Anregungen werden in die Planung eingearbeitet, soweit es Sinn ergebe, und im ersten Quartal mit einem überarbeiteten Plan öffentlich ausgelegt.
Die Unterlagen zur Bürgerversammlung liegen nun für die Dauer von 14 Tagen, also bis zum 25. September öffentlich im Stadthaus, im Eingangsbereich des ersten Obergeschosses, Abteilung Stadtentwicklung/Stadtplanung während der Dienststunden der Stadtverwaltung aus. Zudem sind sie im Beteiligungsportal der Stadt Werne sowie über das zentrale Onlineportal des Landes Nordrhein-Westfalen einsehbar. Während der Auslegungsfrist können Bürger ihre Anregungen, Kritikpunkte und Ideen online über die Beteiligungsportale oder per Mail an stadtplanung@werne.de einbringen.