„Als ich diese Woche spät von der Arbeit nach Hause kam, musste ich entsetzt feststellen, dass unser Wäldchen an der Bahnstrecke komplett gerodet wurde. Statt Bäumen und Sträuchern nur noch Stapel von Holzstämmen und niedergetrampeltes Gestrüpp“, schreibt eine Anwohnerin des Brinkhof in Werne, an die Redaktion. Das Wäldchen entlang der Bahntrasse sei ein eigenes kleines Ökosystem gewesen.
„Dieses kleine, eher unscheinbare Biotop zwischen Hausnummer 40 am Brinkhof und der Abzweigung zur Straße Auf der Woort war für uns Anwohner sehr wichtig. Im Sommer spendete das Wäldchen Schatten und kühle Luft. Zu Nachbarn und Zügen hin hatten wir einen Sichtschutz. Bei stürmischem Wetter einen Windschutz. Insekten, Tiere, vor allem aber Singvögel nannten es ihr Zuhause. Nicht zuletzt sind wir jetzt unmittelbar dem ständigen, repetitiven Lärm der Bahn noch mehr ausgesetzt als zuvor“, schreibt sie entrüstet.
Auf die Abholzung angesprochen, habe ein städtischer Mitarbeiter als Grund eine Beschwerde der Deutschen Bahn genannt. Die Stadt sollte kranke und Umsturz gefährdete Bäume entfernen. „Stattdessen ist großflächig alles abgeholzt worden.
Es fehlte nur noch, dass Salz auf das ehemalige Biotop gestreut wurde.“

Verkehrssicherungspflicht
Dr. Tobis Gehrke, Betriebsleiter des Kommunalbetriebs Werne (KBW), teilt auf Nachfrage schriftlich mit: „Auslöser für die intensiven Rückschnitt- und Grünpflegemaßnahmen am Brinkhof war ein Anschreiben der Bahn Fahrwegdienste GmbH. In diesem wurde die Stadt Werne aufgefordert, an mehreren Standorten entlang der Bahntrasse ihrer Verkehrssicherungspflicht nachzukommen und Bäume und Bewuchs zu entfernen. Im Zuge des Rückschnittes wurden in dem betreffenden Streifen viele Bäume identifiziert, die krank oder schadhaft waren und somit leider ebenfalls gefällt wurden.“
Die Frage, warum schadhafte Bäume erst jetzt identifiziert und entfernt wurden, begründet Gehrke mit dem „Charakter der Fläche“. Diese sei im Grünflächenkataster Wernes als „Grünfläche“ und nicht als „Gehölzgruppe“ deklariert. „Dies hatte zur Folge, dass dort keine regelmäßigen Baumkontrollen durch einen Sachverständigen durchgeführt wurden, die wahrscheinlich zu einer früheren Entnahme der betroffenen Bäume geführt hätten. Lediglich wurden Grünpflegemaßnahmen im Zuge der Verkehrssicherungspflicht an der Fahrbahn Brinkhof durch den Bauhof ausgeführt. Das Grün auf der Fläche ist somit wild gewuchert.“
Für diesen radikalen Eingriff habe sich die Stadt entschieden, um ein wirtschaftliches und nachhaltiges Ergebnis zu erzielen. Denn gesunde Bäume seien stehengelassen worden. So werde ein besseres Ergebnis erzielt, denn die Entfernung kranker Vegetation sichere die Gesundheit des Bestandes.

„Bewuchs natürlich gewollt“
„Die dreistämmige große Weide wurde abgesetzt und kann als Kopfweide wieder austreiben. Eine Wiederaufforstung ist nicht vorgesehen, weil die Wurzeln des Bewuchses bewusst nicht entfernt wurden und daher in den nächsten Monaten wieder austreiben werden. Der Bewuchs auf der Fläche ist natürlich gewollt“, erklärt der KBW-Chef weiter.
Er könne das Entsetzen der Anwohner nachvollziehen, haben Büsche und Bäume doch das Straßenbild geprägt und dienten als Sicht- und Lärmschutz. „Diese Wirkung der Fläche wird sich sicherlich mit der Zeit wieder einstellen. Seitens der Stadt suchen wir nun allerdings auch nach pragmatischen Lösungen, um hier zeitnah Abhilfe zu schaffen.“
Das tröstet die Anwohner aktuell wenig, sie machen mit Protestplakaten auf den Kahlschlag aufmerksam.