Vor genau 100 Jahren, im Oktober 1922, wurde der Vertrag abgeschlossen, der die Landgemeinde Werne mit der Stadtgemeinde Werne vereinigte. Dies brachte große Veränderungen in den Verwaltungsstrukturen von beiden. Bis zur Gründung der Zeche Werne 1899 in der Bauerschaft Evenkamp, die bis dahin zur Landgemeinde Werne gehörte, war die Trennung in Stadt und Land kein großes Problem.
Als aber nach der Abteufung von Schacht I und II die beiden Bergwerkskolonien im Nachbarort Rünthe 1903 und 1911 in der Bauerschaft Evenkamp nur ca. einen Kilometer vom Werner Marktplatz entfernt entstanden und somit die Einwohnerzahl rasant anstieg, kam es zu zahlreichen Verwicklungen.
Enormer Bevölkerungsanstieg
1890 betrug die Einwohnerzahl von Werne-Stadt 2106, der Landgemeinde 2165 – 1910 hatte sich die Zahl in Werne-Stadt schon mehr als verdoppelt und auch in den Bauerschaften war sie auf 3989 angestiegen. In nächster Zukunft war geplant, neben der Zeche Werne weitere Bergwerke abzuteufen, da noch große Kohlevorkommen vorhanden waren und sind - so zum Beispiel das Grubenfeld Monopol, dann westlich von Werne das in den Bauerschaften Lenklar, Langern und Varnhövel gelegene Grubenfeld „Wilhelmine-Katharine“ und nördlich von Werne das sehr große Grubenfeld „Dora“ in den Bauerschaften Schmintrup und Holthausen.
Es wurde Anfang der 1920er Jahre prognostiziert, dass, wenn diese Kohlefelder einmal abgebaut werden sollten, ein Zuwachs von ca. 48.000 zukünftigen Einwohner auf die Stadt- und Landgemeinde Werne zukämen. Man würde nur noch, so heißt es in einer „Denkschrift über die Vereinigung der Landgemeinde Werne mit der Stadtgemeinde Werne a.d. Lippe“ vom 15. Mai 1922, auf die Eröffnung der Eisenbahnstrecke Münster über Werne nach Dortmund, die sich allerdings noch bis zum 17. Oktober 1928 hinziehen sollte, warten.

Es heißt weiter: „Ein so großer und bedeutender Industriebezirk, wie er sich hier aller Voraussicht nach mit Sicherheit in wenigen Jahren herausbilden wird, bedarf der Zusammenfassung in einem einheitlich geleiteten städtischen Gemeinwesen, als dessen Kern nur die Stadt Werne in Frage kommen kann. Werne ist zur Zeit (1921) Sitz eines Amtsgerichts mit 3 Richtern, 3 Rechtsanwälte, die zugleich Notare sind, dreier Ärzte, zweier Zahnärzte, eines städtischen und eines Privat-Tierarztes, einer Gewerbebank, eines Katasteramtes, eines Zollamtes, einer landwirtschaftlichen An- und Verkaufsgenossenschaft, einer städtischen Sparkasse und einer Amtssparkasse. In der Stadt befindet sich auch die katholische Pfarrkirche und der Friedhof für die Stadt- und Landgemeinde (...) Nach Osten und Südosten ist die Stadt von der Landgemeinde eingeschnürt. In einer Entfernung von nur 150 m vom Marktplatz beginnt schon die Landgemeinde.“
Neuordnung vieler Bereiche
Das Verkehrswesen, das Unterrichtswesen, die Armenfürsorge, das Marktwesen, die Wasserversorgung, die Kanalisation, die Licht- und Kraftversorgung und vieles mehr musste nun ab Oktober 1922 neu geordnet werden, da vor allem die Landgemeinde oft wenig oder gar nichts, zum Beispiel für die Schulen und die Straßen, die von beiden genutzt wurden, gezahlt hatte.
So heißt es in der Denkschrift: „Die Steuerkraft der Landgemeinde Werne schreitet erheblich schneller fort (z.B. durch die Zeche Werne) als die der Stadt. Die Stadt erfüllt schon jetzt Aufgaben und unterhält Anlagen (Schulen, Wege, elektrische Straßenbahn usw.), welche die Landgemeinde mitbenutzt, ohne entsprechend zu ihren Kosten beizutragen. Bei der Stadt wird das Mißverhältnis zwischen den neuen Aufgaben und den Gemeindeeinnahmen mit jedem Jahr fühlbarer.“
Stockum lehnte generell ab
So fanden die ersten Eingemeindungskonferenzen bereits 1903 und 1904 statt. In den Jahren 1911/12 kam es dann unter Hinzuziehung des Regierungspräsidenten von Münster zu konkreten Verhandlungen von Land- und Stadtgemeinde. In der Frage, ob Stockum und Horst miteinbezogen werden sollten, gab es zunächst keine Einigung, so dass erst nach Ende des Ersten Weltkrieges am 11. November 1919 die Konferenzen wieder aufgenommen wurden.
Allerdings lehnte Stockum im Gegensatz zu früher die Vereinigung mit Werne generell ab. Nach zweijährigen zähen Verhandlungen wurde dann der Eingemeindungsvertrag mit einer Gegenstimme angenommen und der Zeitpunkt der Inkraftsetzung auf den Oktober 1922 gelegt.
Zu diesem Zeitpunkt verabschiedete sich auch der langjährige Bürgermeister der Stadt Werne, Bernhard Hartmann, in den Ruhestand und somit war der Posten für Johannes Ohm, seit 1906 Amtmann der Landgemeinde Werne, frei, der nun Bürgermeister der vereinigten Stadt- und Landgemeinde Werne wurde. Er blieb es bis 1933, als die Nationalsozialisten ihn zum Rücktritt zwangen und er Werne verließ und nach Münster zog.
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