
© Stefan Milk
Gefahrgut-Unfall: Salpetersäure wabert über Bergkamener Gewerbegebiet
Feuerwehr
Im Gewerbepark Rünthe ist es zu einem Unfall mit einem Gefahrgut-Transporter gekommen. Dabei wurden Salpetersäure-Dämpfe freigesetzt. Anwohner mussten Türen und Fenster stundenlang geschlossen halten.
An der Industriestraße in Rünthe, Ecke Emilie-Winkelmann-Straße, ist es am Donnerstagmittag zu einem Unfall mit schwerwiegenden Folgen mit einem Gefahrgut-Transporter gekommen. Der Einsatz beschäftigte die Feuerwehr mehr als fünf Stunden.
Ein Fahrer des Entsorgungsunternehmens Remondis, der bei einem Unternehmen im Gewerbegebiet zur Entsorgung bestimmte Salpetersäure abgeholt hatte, bemerkte um 13.22 Uhr Dämpfe, die aus dem Lkw austraten. Ein Video, das bei Facebook kursiert, zeigt den Lkw, aus dem dicke, gelb-braune Rauchschwaden aufsteigen.
Der Fahrer stellte das Fahrzeug sofort ab und alarmierte die Feuerwehr. Nach Angaben von Remondis-Sprecher Michael Schneider wird die Säure zum Beispiel zum Reinigen von Kesseln in der Lebensmittelindustrie eingesetzt und von Remondis routinemäßig entsorgt – auch bei einem Unternehmen im Gewerbepark.
Feuerwehr spricht von einer „heftigen chemischen Reaktion“
Die Feuerwehr sprach von einer „heftigen chemischen Reaktion“ mit einem anderen Stoff, zu der es in dem eigentlich komplett geschlossenen Lkw gekommen sei. Polizei und Feuerwehr riegelten den Bereich um das Fahrzeug sofort weiträumig ab. Die Unternehmen in der Umgebung wurden evakuiert.
Die Leitstelle des Kreises Unna warnte die Bevölkerung über die Warn-App „Nina“ und forderte alle Menschen auf, die sich in dem Bereich befinden, sich sofort in geschlossene Räume zu begeben und Türen und Fenster geschlossen zu halten. Sie sollten auch ihre direkten Nachbarn alarmieren. Haus- und Nutztiere sollten nicht ins Freie gelassen werden. Autofahrer sollten den Bereich weiträumig umfahren.
Entwarnung für die Bevölkerung erst am frühen Abend
Entwarnung konnte die Feuerwehr erst um 18.34 Uhr geben. Um diese Zeit wurde auch die Vollsperrung der Industriestraße wieder aufgehoben.
Gut eineinhalb Stunden nach dem Alarm trafen die ABC-Erkundungseinheit aus Schwerte und die Dekontaminations-Einheit der Feuerwehr aus Lünen ein. Sie machten sich daran, die Ursache für die Rauchentwicklung zu erkunden. Auch die Drohne der Feuerwehr Hamm war im Einsatz.
Die Feuerwehr entschloss sich, das Fahrzeug nur aus sicherem Anstand ausgasen zu lassen. Zunächst war eine dicke, später eine immer schwächere gelb-braune Wolke Richtung Osten gezogen – Richtung Rünthe-Ost, Autobahn 1 und Hamm-Sandbochum.

Die Polizei hatte den Bereich weiträumig abgesperrt. Die Industriestraße war komplett gesperrt. © Stefan Milk
Nach Angaben von Schneider kann es zu solchen Ausgasungen durch eine chemische Reaktion nur kommen, wenn die Salpetersäure mit Fremdstoffen in Berührung kommt. Das sei eigentlich ausgeschlossen. „Unsere Tanks sind sauber und ganz neu“, sagte der Remondis-Sprecher.
Erst nach 18 Uhr war die Ausgasung so weit abgeschlossen, dass nach Ansicht der Feuerwehr keine Gefahr mehr bestand und sich die ersten Einsatzkräfte dem Fahrzeug nähern konnten.
Salpetersäure-Dämpfe sind gefährlich für Atemwege und Lunge
Am Spätnachmittag waren zwei Messfahrzeuge der Feuerwehr unterwegs, um an verschiedenen Punkten in der Umgebung Messwerte über die Schadstoffkonzentration in der Luft zu nehmen, damit die Feuerwehr die Lage beurteilen konnte.
Die Vorsicht der Feuerwehr war verständlich: Salpetersäure (HNO3) wirkt auf Haut, Atemwege und Schleimhäute ätzend. Das Einatmen von den Dämpfen, die bei einer Reaktion mit der Säure entstehen, kann nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) im Atemtrakt zu Schleimhautirritationen, Bronchialkatarrh und zu einer Art chemischen Lungenentzündung führen. Innerhalb von drei bis 30 Stunden nach dem Einatmen kann es zu einem lebensbedrohenden Lungenödem kommen, der Ansammlung von Flüssigkeit in den Lungenbläschen.

Die Feuerwehr ließ die Salpetersäure über Stunden ausgasen. © Stefan Milk
Remondis-Sprecher Michael Schneider ging davon aus, dass keine Gefährdung der Bevölkerung bestand. Das Gas habe sich sehr schnell mit der Luft vermischt und nur noch eine ungefährliche Konzentration gehabt, sagte er.
Schneider versprach, dass Remondis die Umstände, die zu dem Chemie-Unfall geführt haben, bis ins Detail aufklären wolle.
Die Feuerwehr ging am Abend davon aus, dass keine Gefahr mehr für die Umgebung bestand. Sicherheitshalber überwachte sie den Lkw aber weiterhin mit der Wärmebildkamera. Die Überwachung sollte aufrecht erhalten bleiben, so lange noch Hitze in den Lkw feststellbar war.
Dabei wechselten sich die Feuerwehr-Einheiten Oberaden, Rünthe und Mitte ab, die auch tagsüber im Einsatz waren. An diesem Freitag soll ein Unternehmen die Schadstoffe fachgerecht entsorgen.