Surfworld belastet Rünthe „Dann haben wir selbst am Sonntag keine Ruhe mehr“

Von Michael Dörlemann
Surfworld belastet Rünthe: „Wir haben selbst am Sonntag keine Ruhe mehr“
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Sigrun Wedemeyer kann sich noch erinnern wie der Ostenhellweg früher einmal aussah. „Das war eine wunderschöne Lindenallee“, sagt die 78-Jährige. In den 60er Jahren wurde die A1 vom Kamener Kreuz in Richtung Norden verlängert. Seitdem ist es mit den Linden und der Ruhe vorbei. Die Straße ist jetzt der Autobahnzubringer zur Auffahrt Hamm/Bergkamen – und dient vor allem dem Verkehr aus der Nachbarstadt Werne.

Schon jetzt ist die Straße stark belastet. An dem um 1920 gebauten Haus, in dem schon die Großeltern von Sigrun Wedemeyer lebten, tost auch um die Mittagszeit der Verkehr vorbei. Besonders laut wird es nach Schilderungen der Rüntherin manchmal, wenn einer der vielen Lkw mit Anhänger die enge Rechtsabbiegerspur in Richtung Werne nicht richtig nimmt. Dann kracht es, wenn die Reifen über die Gehwegkante rollen. In ihrem Garten sei es noch „verhältnismäßig ruhig“, sagt die 78-Jährige. „Aber manchmal müssen wir das Gespräch unterbrechen, bis es wieder etwas ruhiger ist.“

Gutachter rechnen am Wochenende mit 1800 Fahrzeugen zusätzlich am Tag

Diese Situation soll sich noch einmal verschärfen. In Werne ist auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Werne auf 15 Hektar eine riesige Surfanlage mit zwei Becken geplant – modisch „Surfworld“ genannt. Im Winter soll sie vor allem Forschungszwecken zum Verhalten von Wellen dienen, im Sommer aber allen Surfern offenstehen. Als Einzugsbereich sehen die Planer vor allem das Ruhrgebiet und preisen die gute Anbindung an die A1 und die A2 – die aber führt vor allem über das Bergkamener Stadtgebiet.

Nach den Verkehrsberechnungen des Büros Planersocietät aus Dortmund ist mit 1000 Besuchern in der Woche und mit 2000 bis 3000 am Wochenende zu rechnen. Das bedeutet nach Einschätzung der Gutachter, dass werktags mit 820 und an den Wochenenden mit bis zu 1800 Fahrten zusätzlich zu rechnen ist.

Die Jockenhöfer-Kreuzung in Rünthe ist schon jetzt dem Verkehr nur noch bedingt gewachsen – obwohl sie im Zuge des Lippebrücken-Neubaus teilweise ausgebaut wurde.
Die Jockenhöfer-Kreuzung in Rünthe ist schon jetzt dem Verkehr nur noch bedingt gewachsen – obwohl sie im Zuge des Lippebrücken-Neubaus teilweise ausgebaut wurde. © Michael Dörlemann

Davon fahren jedoch nur die wenigsten durch Werne, wo die Surfworld geplant ist. Fünf Prozent sollen über den Südring und zehn Prozent über die Kamener Straße aus Richtung Werne kommen. Weitere zehn Prozent kommen über den Westen- und über 70 Prozent über den Ostenhellweg in Rünthe. An der Jockenhöfer-Kreuzung treffen diese beiden Ströme zusammen, sodass 85 Prozent des Verkehrs über die nördliche Werner Straße und die Lippebrücke in Richtung Surfanlage rollen – und damit durch Rünthe.

Sigrun Wedemeyer sieht das mit Schrecken. „Dann haben wir selbst am Sonntag keine Ruhe mehr“, fürchtet sie. An diesem Tag sei es bisher er etwas besser, weil der Berufsverkehr und der Schwerlastverkehr in Richtung Gewerbegebiet Wahrbrink in Werne fehlen.

Lärm im gesundheitsschädlichen Bereich an mehreren Häusern

In der Tat prognostiziert das Lärmgutachten des Ingenieurbüros Stöcker aus Haltern für einige Häuser im Bereich Ostenhellweg/Werner Straße eine Lärmbelastung von mehr als 70 dB(A) tagsüber, die zu gesundheitlichen Schäden führt. Die Gutachter empfehlen eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf Tempo 30 und ein Lärmschutzfensterprogramm für die Gebäude.

Von den Lärmschutzfenstern hält Wedemeyer nicht allzu viel. „Die sind für ein so altes Gebäude wahrscheinlich gar nicht gut, weil sie so dicht sind – und im Sommer müsste ich sie ja auch mal öffnen.“

Marita Weber (l.) und Cornelia Büscher stehen an der Werner Straße.
Marita Weber (l.) und Cornelia Büscher befürchten, dass sich der Verkehr vor der Zufahrt der Surfworld bis zur Jockenhöfer-Kreuzung zurückstaut. © Michael Dörlemann

Marita Weber, die an der Werner Straße wohnt, glaubt ohnehin nicht daran, dass die Lärmschutzfenster kommen. Sie streite sich schon länger mit den Behörden, weil sie solche Fenster möchte, berichtet sie. Einer ihrer Nachbarn meint zwar, auf die zusätzliche Belastung komme es auch nicht mehr an. Weber und ihre Nachbarin Cornelia Büscher aber befürchten, dass die Verhältnisse an der Werner Straße unmittelbar vor der Lippebrücke noch unerträglicher werden.

Sie befürchten vor allem, dass es zu Rückstaus vor der Zufahrt zum Zechengelände in Werne kommt, falls dort eine Ampel installiert wird, statt einen Kreisverkehr zu bauen. Dann komme es sehr schnell zum Rückstau bis nach Rünthe und damit bis vor ihre Häuser. Eine Sorge, die sie mit Sigrun Wedemeyer teilen. Kürzlich habe die Telekom eine sehr kleine Baustelle hinter der Lippebrücke gehabt. „Da war hier schon alles dicht.“

Jockenhöfer-Kreuzung ist schon jetzt überlastet

Auch die Planersocietät kommt übrigens zu dem Schluss, dass die „Jockenhöfer-Kreuzung schon heute nicht voll leistungsfähig ist“ – insbesondere bei der Verbindung Ostenhellweg-Werner Straße, also von Werne zur A1-Auffahrt. Paradoxerweise erwarten sie aber vom zusätzlichen Verkehr durch die Surfworld „keine maßgebliche Verschlechterung“. Eine Erklärung liefert zumindest die Präsentation der Stadt Werne nicht.

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