Über 1000 Besucher sahen am Wochenende das Stadtspiel über die historischen Ereignisse in Werne vor 400 Jahren - und haben sich vielleicht gefragt, woher die Forschung so viel über die Ereignisse zu Beginn des 17. Jahrhunderts, die sich in Werne und Umgebung abgespielt haben, wissen. Oder ist vielleicht alles nur Phantasie oder Legende?
Gottfried Forstmann hat sich beim Verfassen seines Drehbuches schon sehr an die historischen Vorkommnisse gehalten, denn vieles ist in den Ratsprotokollen und im Bürgerbuch der Stadt Werne nachzulesen, wenn man die Schrift und die Sprache aus jener Zeit lesen und verstehen kann.
Gerade jene Zeit um 1600 ist den Historikern ziemlich genau bekannt, da die Ratsprotokolle, die noch heute im Stadtarchiv zu finden sind, um 1583 beginnen und fast durchgehend bis 1803 vom Amt des Stadtsekretarius geführt wurden. Darin sind alle die großen und kleinen Ereignisse nachzulesen, die in der Kleinstadt im Oberstift Münster passiert sind und die von der „Obrigkeit“ (Bürgermeister und seine Ratsvertreter) behandelt und oft auch entschieden werden mussten.
Hoevemann erster bekannter Stadtsekretarius
Vor allem Johann Hoevemann, der erste Stadtsekretarius, den das Stadtarchiv namentlich kennt, berichtet uns ausführlich von 1583 über Jahrzehnte, welche Probleme Werne als südliche Grenzstadt im Stift Münster hatte - unter anderem die Schwierigkeiten, die der Propst von Cappenberg, der gleichzeitig Pfarrer in Werne war, dem Stadtrat bereitete, wenn es um die Beurteilung und Besoldung der Lehrer an der Lateinschule oder an der sogenannten deutschen Schule ging.
Besonders ausführlich wird auch immer über die Ratswahl, die im ganzen Stift Münster an „Cathedra Petri“, dem 22. Februar, über die Bühne ging, berichtet. Denn jedes Jahr wurden an diesem Stichtag auf dem Marktplatz der Bürgermeister, der Kämmerer, der Grund- und der Holzherr und die weiteren Ratsmitglieder von den Bürgern der Stadt Werne gewählt. Allerdings nur von denen, die das Bürgerrecht der Stadt besaßen, zunächst in indirekter Wahl durch die Churherren.
Dann kam es auch immer zu der sogenannten Ratszeche, bei der doch sehr reichhaltig geschlemmt wurde - und das zur Fastenzeit. Auch über die Behandlung von „unehrlichen“ Kaufleuten und die Aburteilung zu „Prangerstehen“ kann man einiges nachlesen.

Ebenso ist über die Verteidigung der Stadt sehr viel zu erfahren, denn neben dem Bürgerbuch und den Ratsprotokollen besitzt das Stadtarchiv auch noch das „Rottebuch“ aus jener Zeit, in dem nicht nur die Rottmeister, sondern auch die Mitglieder der einzelnen Rotten benannt sind.
Werne war nach der Fertigstellung der Stadtmauer um 1502 in vier Schichten (Bezirke) eingeteilt, die jeweils ein Viertel der Stadtmauer verteidigen mussten. Die Stadt hatte also, wie viele andere mittelalterliche Städte, keine eigenen Söldner oder, wie man heute sagen würde, keine Berufsarmee, sondern jeder Bürger im waffenfähigen Alter musste sich an der Verteidigung seiner Heimatstadt beteiligen.
So gab es die Steinsträsserschicht, die Burgsträsserschicht, die Bonensträsserschicht und die Neusträsserschicht – alles Namen, die noch heute in unseren Straßenschildern wiederzufinden sind. Jeweils ein Rottmeister führte seine Rotte an und bewaffnete sie im Ernstfall mit einfachen Hellebarden, Spießen und dergleichen, die meist im Griesetorn, neben dem Deipetorn der größte Turm in der Stadtmauer von Werne, lagerten.
Bürgerbuch diente als Quelle für Stadtspiel
Aber im Dreißigjährigen Krieg, der dann vor allem mit Kanonen und Gewehren geführt wurde, konnten die Handwerker, Händler, Kaufleute und Gesellen den fremden Söldnern, die oft einfach nur plündern wollten, nichts entgegensetzten, so dass Werne im Verlauf dieses schrecklichen Krieges doch einige Male überfallen, besetzt und geplündert wurde, ehe vor 375 Jahren dann endlich durch den Westfälischen Frieden, abgeschlossen in Münster und Osnabrück, das Kriegsgeschehen, das sich vor allem auf deutschem Boden abspielte und als Religionskrieg 1618 begonnen hatte, ein Ende fand.

Leider ist von den Ereignissen um Christian von Braunschweig im Jahre 1622 nichts Näheres aus den Ratsprotokollen zu erfahren, denn gerade aus dieser Zeit sind sie nicht mehr vorhanden, so dass man auf andere historische Quellen zurückgreifen musste. Nur die lateinische Urkunde von Propst Theodor Hane zur alljährlich abzuhaltenden Stadtprozession ist dort noch heute aufbewahrt.
Viele Werner wissen wohl gar nicht, welche historischen Schätze das Stadtarchiv Werne und auch das Stadtmuseum (das Bürgerbuch befindet sich im Erdgeschoss direkt neben dem Eingang) besitzt.

- Das Stadtspiel zu 400 Jahre Stadtprozession wird es so wohl nicht wieder geben. Allerdings bietet der Verkehrsverein Werne eine Führung mit dem Stadtsekretarius an. Stadtführerin Heidelore Fertig-Möller erzählt dabei vieles aus der Stadtgeschichte um 1600 an den entsprechenden historischen Orten.
- Wer eine Führung buchen möchte, kann sich an den Verkehrsverein am Roggenmarkt wenden (Tel. 02389 531640 oder 0179 4543289). Die Mindestanzahl an Teilnehmenden liegt bei acht Personen.
- Der Verkehrsverein bietet auch weitere Themenführungen an - darunter „Frauen in Werne“, die Nachtwächterführung im Winterhalbjahr und „Von Sole zu Kohle“.
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