Gerlinde Schürkmann (61) zeigt auf ein altes Schwarzweißfoto. „Das könnte heute schon wieder modern sein“, sagt die Büchereileiterin und muss schmunzeln. Gemeint ist das Mobiliar, das auf dem Bild zu sehen ist. Vor allem die Stühle im Vordergrund. Die Aufnahme stammt aus den 50er Jahren und zeigt die Stadtbücherei an ihrem damaligen Standort im Obergeschoss des Jugend- und Sportheims an der Freiherr-vom-Stein-Straße. Auf einer Fläche von 100 Quadratmetern sind mehrere Tausend Bücher in Regalen sortiert.
Es fehlt eigentlich nur noch die Theke, hinter der eine Bibliothekarin mit Dutt-Frisur steht und mit strengem Blick über den Rand ihrer Lesebrille schaut - schon entstünde der Eindruck, den viele Menschen auch 65 Jahre nach der Entstehung dieses Fotos von einer Bücherei haben: eine verstaubte Einrichtung, in der man bereits für ein Flüstern ermahnt wird.
„Heute ist das natürlich nicht mehr so. Bibliotheken sind moderne Medienzentren und Orte der Begegnung. Es gibt sogar Menschen, die sich einfach nur zum Kaffeetrinken in der Bücherei verabreden“, erklärt Schürkmann, während sie in Richtung „öffentliches Wohnzimmer“ geht. In dem neu gestalteten Bereich der Bücherei im Steinhaus gibt es unter anderem eine Kaffeebar, gemütliche Stühle und einen Kamin. Auch Veranstaltungen wie Lesungen finden hier statt. Deswegen sind in der Raummitte mobile Bücherregale aufgestellt, die schnell und problemlos verschoben werden können, um Platz zu schaffen.

Relativ neu ist auch die Gamingzone am anderen Ende des ersten Obergeschosses. Hier können die Besucher - der Name lässt es erahnen - unter anderem Videospiele zocken. Nur die Regale im Bereich zwischen Wohnzimmer und Gamingzone wirken noch ein bisschen „oldschool“. Davon abgesehen erinnert nichts an besagte verstaubte Einrichtung. Und den Ausdruck „Bibliothekensterben“ würde man hier wohl am ehesten in der Kategorie Fremdsprachen finden.
Keine Spur vom Bibliothekensterben in Werne
Denn während genau dies vielerorts in Deutschland beklagt wird, ist die Werner Stadtbücherei auf einem aufsteigenden Ast. Die Nutzer- beziehungsweise Besucherzahlen sind in der jüngeren Vergangenheit gestiegen. Zwischen 36.000 und 38.000 Menschen waren es zuletzt - zumindest bis zur Corona-Pandemie, aufgrund der in der Bibliothek keine Veranstaltungen stattfinden konnten. Auch der Besuch von Kita-Gruppen und Schulklassen blieb aus.
Schon zuvor hatte sich Wernes Bücherei angesichts ihres vielseitigen Konzepts und innovativer Projekte einen guten Ruf erarbeitet, räumte Auszeichnungen auf Landesebene ab und wurde zum Vorreiter für andere Kommunen in NRW. Das hätte sich im Jahre 1952 wohl kaum jemand ausmalen können, als die Ratsherren die Vorbereitungen für die Gründung einer Stadtbücherei beschlossen.

Erst im Mai 1957 fiel die endgültige politische Entscheidung zugunsten einer eigenständigen Stadtbücherei. Das Raumproblem war freilich immer noch nicht gelöst. Also entschloss man sich, die Bibliothek vorübergehend im Neubau des Jugend- und Sportheims unterzubringen, wo die Einrichtung am 6. November endlich eröffnet wurde. Doch aus dem „Vorübergehend“ wurden 16 Jahre. Unterdessen wuchs der Buchbestand, die Bücherei platzte aus allen Nähten.
Der Standort wurde erweitert, Zweigstellen im Alten Amtshaus sowie in der ehemaligen Bäckerei Reckers errichtet - bis 1974 der Umzug in den früheren Bauamtspavillon am Griesetorn erfolgte. In diesem Provisorium verweilte die Bibliothek weitere neun Jahre. Am 11. März 1983 öffnete sie dann ihre Türen am neuen und bis heute letzten Standort: dem alten Steinhaus.
Die besondere Atmosphäre im Steinhaus
„Die Atmosphäre in diesem alten Gebäude ist natürlich etwas ganz Besonderes“, sagt Gerlinde Schürkmann und zieht ein dickes Heft mit der Aufschrift „Bibliotheksstrategie 2020 - 2024“ aus der Tasche. Einige Punkte, die darin aufgeführt sind, konnten Schürkmann und ihr Team bereits als erledigt abhaken - auch dank öffentlicher Fördermittel und der Unterstützung des Fördervereins.
Trotzdem gibt es noch einiges zu tun. Nicht zuletzt sollen bewährte Formate wie das LiteraTurnier sowie die Angebote für den Nachwuchs fortgesetzt werden. Mit den Kitas und Schulen hat die Stadtbibliothek schon seit vielen Jahren eine Bildungspartnerschaft. Und auch die funktioniert heute ganz anders als zu der Zeit, in der das Schwarzweißfoto entstand.

Am 11. März feiert die Bücherei nachträglich ihren 65. Geburtstag und gleichzeitig den 40. Jahrestag der offiziellen Eröffnung der Bibliothek im Alten Steinhaus. Ab 11 Uhr wird es ein kleines Programm samt Musik und Rede des Bürgermeisters geben. Mit dabei ist das Ensemble Anderswelt aus Hamm. Alle Interessenten sind herzlich eingeladen.
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