Sim-Jü Werne 2023 Schausteller waren für Werner „Kirmeskind“ die „Bonus-Familie“

Von Helle Juhl Eggersmann
Schausteller waren für Werner „Kirmeskind“ die „Bonus-Familie“
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Helle Juhl Eggersmann (41) kam als Tochter von Sim-Jü-Experte Rainer Schulz quasi schon in den Windeln mit dem großen Werner Volksfest in Berührung. Sie erinnert sich an schöne und lustige Momente:

Etwa vier Wochen vor Sim-Jü geht es bei uns in der Lünener Straße wie im Taubenschlag zu. Haustür und Telefon klingeln permanent. Ich bin ein absolutes Kirmeskind. Sim-Jü ist bei uns Familiensache. Als mein Vater Rainer Schulz 1987 das Buch „625 Jahre Sim-Jü“ schrieb, hat er uns daraus jeden Abend etwas vorgelesen.

Schon zu Schulzeiten habe ich zusammen mit meinem Bruder und meinem Vater, damals noch aus der Tiefgarage der Sparkasse Werne heraus, Lebkuchenherzen an die Werner Kaufmannschaft per Fahrrad verteilt. Kurz darauf wurden auch schon fleißig Bummelpäckchen gepackt und eh man sich versah, backte man morgens zwei Kuchen und kochte Kaffee für das Otto-Wendler-Fußballspiel vor.

Viele Kirmes-Anekdoten

Besonders schön war eigentlich immer die Aufbauwoche – nach und nach füllte sich der Platz und mit jeder Zugmaschine, die Richtung Kirmesplatz fuhr, wuchs die Vorfreude. Gerne erinnere ich mich an etliche Anekdoten.

Meine „Tante“ Bärbel Schütze – in Schaustellerkreisen ist der Begriff Tante ein Ausdruck von Respekt und nicht unbedingt einer Blutsverwandtschaft – hat direkt nach dem Auffahren auf dem Platz nach ein paar Kastanien gesucht, denn „wer im Winter Kastanien in der Tasche hat, friert niemals“. In Ihrem ockerfarbenen gemütlichen Wohnwagen gab es immer etwas mit Liebe Zubereitetes zu essen, egal zu welcher Uhrzeit man ankam.

Von ihr habe ich auch den ein oder anderen abergläubischen Brauch kennengelernt. Zum Beispiel bringt es Unglück, einen Regeschirm im Wohnwagen zu öffnen, eine Wäscheleine zwischen zwei Wohnwagen zu spannen oder Schnittblumen, egal wie schön sie noch sein mögen, von einem Kirmesplatz auf den anderen mitzunehmen. Ich höre heute noch deutlich wie sie an der Geisterbahn rekommandierte mit „Immer wieder dabei sein“.

"Tante" Bärbel Schütze (l., auf einem Archivbild) versorgte Kirmeskind Helle Juhl Eggersmann, geborene Schulz, mit zahlreichen Lebensweisheiten.
"Tante" Bärbel Schütze (l., auf einem Archivbild) versorgte Kirmeskind Helle Juhl Eggersmann, geborene Schulz, mit zahlreichen Lebensweisheiten. © Rainer Schulz (A)

Feierabend gab es eigentlich nie

Dann gab es noch meine Tante Picki, eigentlich Marianne Petter, aber für mich als Kind war es glasklar: Es gibt Onkel Picki (Fritz Petter), dann ist seine Frau natürlich Tante Picki. Eines Abends waren wir zu Gast in ihrem gemütlichen Wohnwagen. Feierabend gab es nie. Nach dem Tagewerk saß Tante Picki noch in aller Ruhe im Küchenerker und besserte mit Nadel und Faden die kleinen Wimpel aus, die an der Stromstange der Autoscooter-Chaise befestigt waren. Dabei führten wir Gespräche über Gott und die Welt und auch hier verließ man den Wohnwagen weder hungrig noch durstig.

Ohnehin ist die Gastfreundschaft der Schausteller nicht in Worte zu fassen, da wird nicht alles hinterfragt und diskutiert. Wenn du etwas brauchst oder leihen musst, und es gibt gemeinsame Freunde, eine Beziehung, wird da nicht lang gefackelt. Es wird geholfen. Auf der anderen Seite ist es auch ein bisschen wie mit dem Adel: man wird reingeboren. Als Außenstehende oder „von privat“ gehört man meistens nie so richtig dazu.

Schausteller als „Bonusfamilie“

Dieses Gefühl habe ich nie teilen können, denn ich habe die Schausteller, gerade die wirklich immer schon nach Werne kommen, immer als meine Bonusfamilie empfunden. Auch heute ist es noch so, dass wir Lösungen für die kuriosesten Dinge finden. Wir fungieren als Postadresse für Bestellungen, mal muss dringend bei uns geduscht werden, weil der Wasseranschluss noch nicht läuft.

Der schönste Moment an Sim-Jü? Samstagmittag, ca. 14.15 Uhr. Dann fällt von uns erstmal der Druck ab, ob wohl alles klappen wird. Alle Schausteller sind da, die Geschäfte spielen, ein meist erfolgreiches spendenstarkes Fußballspiel samt gemütlichem Abend liegt hinter uns. Jetzt steht nur noch das Vergnügen im Mittelpunkt.

Der traurigste Moment an Sim-Jü? Wenn am Dienstag-Abend die erste Zugmaschine wieder zum Umsetzen Richtung Kirmesplatz fährt. Dann weiß ich, dass meine Bonusfamilie wieder umzieht.

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