Würden Sie gemeinsam mit der AfD abstimmen? Zwei Parteien aus Werne weichen der Frage aus

Wie gehen Wernes Parteien mit dem Erstarken der AfD um?
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Als sich am Abend der Bundestagswahl 2025 abzeichnet, wie viele Erst- und Zweitstimmen die AfD in Werne erhalten wird, machen sich auf der Stirn von so manchem Lokalpolitiker, der die Wahl im Stadthaus verfolgt, tiefe Sorgenfalten breit. Die Rechten sind in der Lippestadt drittstärkste Kraft geworden, haben ihr Ergebnis binnen vier Jahren mehr als verdreifacht.

Das Ergebnis sei „schockierend“, sagt noch am Wahlabend Andreas Schütte (SPD) im Gespräch mit unserer Redaktion. „Das ist erschreckend, wenn man den blauen Balken sieht“, erklärt CDU-Stadtverbandsvorsitzender Martin Cyperski. Und Dr. Thomas Gremme (UWW) spricht aus, was wahrscheinlich viele vermuten: „Es wird sicherlich so sein, dass sich bis zur Kommunalwahl jemand outet und dann auch für den Stadtrat kandidiert.“ Bislang ist die AfD auf kommunalpolitischer Ebene nicht in Werne vertreten. Noch nicht.

Und nun? Wie soll man mit dem Erstarken der Antidemokraten in der Lippestadt jetzt umgehen? Klar ist: Versuche, das Problem des wachsenden Zuspruchs für die Rechten zu lösen, indem man die AfD ignoriert, haben in der Vergangenheit - wenn überhaupt - nur in Ausnahmefällen funktioniert. Wie schnell plötzlich mehrere Rechte im Stadtrat sitzen und die kommunalpolitischen Geschicke beeinflussen können, zeigt unter anderem das Beispiel aus Wernes Partnerstadt Kyritz (wir berichteten).

Gemeinsame Sache mit den Rechten?

Wir haben den Parteivorsitzenden aus Werne angesichts dieser Entwicklungen einen Fragenkatalog geschickt. Unter anderem wollten wir wissen, wie sich ihre Parteien mit Blick auf die Kommunalwahl im September nun ausrichten - und ob sie mit den Rechten kooperieren würden, sollte die AfD tatsächlich Ratsmandate in Werne erhalten: Würden sie einem Antrag der AfD zustimmen, den sie als „in der Sache richtig“ empfinden? Und würden sie eigene Anträge zurückziehen, wenn sich abzeichnet, dass sie nur mit Stimmen der AfD-Mitglieder eine Mehrheit bekämen?

„Eine Zusammenarbeit mit rechtspopulistischen Parteien lehnen wir strikt ab. Wir entscheiden über an uns herangebracht Anträge und Fragestellungen grundsätzlich an der Sache orientiert. Solange diese vernünftig, der Stadt dienlich und demokratisch sind, kann ein entsprechender Antrag nicht abgelehnt werden“, schreibt Christian Weinreich (UWW).

Menschen halten bei einer Demo gegen Rechts in Werne Plakate.
Auf Initiative des Werner Bündnis gegen Rechts demonstrierten am 8. Februar (Samstag) rund 700 Menschen auf dem Marktplatz in Werne für Demokratie und Menschlichkeit und gegen Hass und Hetze. © Jura Weitzel

Auch für die FDP ist die Sache klar. „Eine Zusammenarbeit kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, schreibt Ortsverbandsvorsitzender Artur Reichert. Der Umgang mit Anträgen sei auf kommunaler Ebene „tatsächlich ein schwieriges Thema“. Mit Blick auf von der AfD gestellte Anträge erklärt Reichert: „Nach meiner Meinung müsste man dann eine Mehrheit unter den anderen Parteien suchen, um bei dem Antrag die Stimmen der AfD irrelevant zu machen.“

Bei eigenen Anträgen sähe die Sache ähnlich aus. Man müsste schon im Vorfeld mit den anderen Parteien die Anträge diskutieren, damit es nicht zu der Situation kommt, dass ein Antrag nur mithilfe der AfD-Stimmen eine Mehrheit bekäme, so der FDP-Vorsitzende.

Keine konstruktiven Anträge

„Die Grünen lehnen eine Zusammenarbeit mit der AfD auf allen politischen Ebenen ab. Diese Partei vertritt in weiten Teilen Positionen, die mit unseren Grundwerten von Demokratie, Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit unvereinbar sind. Eine Zusammenarbeit mit der AfD kommt für uns daher nicht infrage“, schreibt Grünen-Sprecher Christoffer Diedrich in seiner Antwort auf unsere Anfrage. Eine Zustimmung zu Anträgen der Rechten sei für die Grünen „grundsätzlich ausgeschlossen“ - zumal die AfD „nicht dafür bekannt ist, konstruktive und sachorientierte Anträge zu erarbeiten, die zu einer positiven Weiterentwicklung unserer Stadt beitragen könnten“.

Die Frage, ob die Grünen einen eigenen Antrag zurückziehen würden, sofern er nur durch AfD-Stimmen eine Mehrheit bekäme, stelle sich überhaupt nicht. „In einem solchen Fall würden wir vielmehr auf den Dialog und den Austausch mit anderen demokratischen Kräften setzen und versuchen, Konsenslösungen zu finden, ohne auf die Unterstützung einer Partei zurückzugreifen, die die Werte von Demokratie und gesellschaftlichem Zusammenhalt gefährdet“, so Diedrich.

Eine Sitzung des Stadtrates vor gut drei Jahren im Kolpingsaal. Gut möglich, dass bald auch ein AfD-Politiker in dem Gremium sitzt.
Eine Sitzung des Stadtrates vor gut drei Jahren im Kolpingsaal. Gut möglich, dass bald auch ein AfD-Politiker in dem Gremium sitzt. © Jörg Heckenkamp

CDU und SPD haben nach unserer Anfrage lange auf ihre Antworten warten lassen - und sich zwischenzeitig offensichtlich abgestimmt. Beide Antwortschreiben sind kurzgefasst und teils in ähnlichem Wortlaut. Mit Spekulationen über ein künftiges Auftreten der AfD in Werne wolle man sich nicht beschäftigen, heißt es darin. „Unsere Arbeit basiert auf einer sachlichen Auseinandersetzung mit den Themen, die unsere Stadt betreffen. In politischen Debatten arbeiten wir mit demokratischen Parteien zusammen und sind davon überzeugt, dass Probleme aus der demokratischen Mitte heraus gelöst werden müssen“, schreibt Martin Cyperski für die Union.

„Wir stehen für eine sachliche und lösungsorientierte Auseinandersetzung mit den Herausforderungen in Werne. In politischen Debatten setzen wir auf einen offenen Dialog und die Zusammenarbeit mit demokratischen Kräften, um gemeinsam nachhaltige und soziale Verbesserungen für unsere Stadt zu erreichen“, schreibt Sven Linnemann für die SPD.

Zum Abstimmungsverhalten bei Anträgen oder einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD äußern sich weder CDU noch SPD.

Sicherheit und Migration als lokale Themen?

Und wie steht es um zuletzt hitzig diskutierte Themen wie Sicherheit und Migration? Werden die nun auch bei der Kommunalwahl in Werne eine größere Rolle spielen? Dass diese Themen auch auf lokaler Ebene wichtig sind, zeigt sich aus Sicht der UWW schon aufgrund des Wahlergebnisses in Werne. „Sicherheit, Migration und Demokratie sind immer schon Kernthemen unseres Handelns“, schreibt Christian Weinreich: „Viele Themen der AfD kann die Kommunalpolitik aber nicht beeinflussen, da diese auf Landes- und Bundesebene entschieden werden.“

Artur Reichert erklärt: „Leider war die Migration das alles bestimmende Thema der Bundestagswahl und hat auch einen erheblichen Anteil am Erfolg der AfD. Ich habe das nicht richtig gefunden, da die Themen wie Bildung, Infrastruktur, Wirtschaft und äußere Sicherheit wesentlich dringender angegangen werden müssen, was wir auch gerade durch die neue US-Politik deutlich gezeigt bekommen.“ Bei der bevorstehenden Kommunalwahl werde man sich verstärkt mit kommunalen Themen befassen: „Aber natürlich werden auch auf kommunaler Ebene die Themen wie Sicherheit und Migration eine Rolle spielen.“

Bei den Grünen hatte man nicht den Eindruck, dass die Themen Sicherheit und Migration bei den Bürgern in Werne in den Vordergrund gerückt sind. „Vielmehr vermissen viele Menschen Themen wie den Klimaschutz, die zunehmende Ungleichheit zwischen Arm und Reich und die Frage, wie wir gesellschaftliche Teilhabe für alle sichern können“ betont Diedrich: „Zudem sehen wir einen großen Wunsch nach einer stärkeren demokratischen Beteiligung und Mitgestaltung der politischen Prozesse, was auch die Notwendigkeit eines verstärkten Dialogs auf lokaler Ebene unterstreicht.“ Man wolle diesen Dialog ausbauen, um die Demokratie in Werne weiter zu stärken.

Themen wie Migration und innere Sicherheit könnten unterdessen „primär nur auf Bundes- oder EU-Ebene bespielt werden“. Auf kommunaler Ebene gehe es vielmehr um praktische Fragen der Integration und des Zusammenhalts innerhalb der Gesellschaft.