
© Pixabay/Püschner
Lehrkräftemangel: So sind die Werner Schulen aktuell besetzt
Schulen
Viele NRW-Städte klagen über einen garvierenden Lehrkräftemangel. Mit dem Personalnotstand wächst auch die Unzufriedenheit. Im Kollegium und vor allem bei den Eltern. So ist die Lage in Werne.
Überall fehlen Lehrer, vor allem an Grundschulen – das ist zumindest der Tenor, den man immer wieder aus den Kreisen von Bundes- und Landesregierung, Gewerkschaften und natürlich auch den Schulen selbst hört. Laut einer aktuellen Prognose der Bertelsmann-Stiftung werden bis zum Jahr 2025 mindestens 26.300 Lehrer allein an den deutschen Grundschulen fehlen.
Der Lehrerberuf scheint nicht mehr attraktiv genug zu sein. Darauf deuten auch die Zahlen hin, die das Land NRW kürzlich vorgelegt hat: Zum Schuljahresstart 2019/2020 konnten in Nordrhein-Westfalen nur knapp 58 Prozent der fast 10.000 im Sommer ausgeschriebenen Stellen besetzt werden. Ein Jahr zuvor lag die Quote immerhin noch bei rund 62 Prozent. Aber auch das ist alles andere als ausreichend.
Lehrermangel: Wie düster ist es in Werne?
Und wie düster ist die Lage in Werne? Zumal sich mit Klaudia Funk-Bögershausen (62) zum Februar 2020 die Leiterin der Wiehagenschule nach fast 30 Jahren in den Ruhestand verabschiedet.
Detaillierte Zahlen hierzu konnte die Bezirksregierung Arnsberg auf Anfrage nicht nennen. Für die einzelnen Kommunen würden diese Daten nicht erfasst, hieß es. Nur so viel: Im Kreis Unna habe es im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. August 2019 insgesamt 113 Neuanstellungen gegeben.
Die meisten – nämlich 41 Stellen – sind an Gesamtschulen offen. Bei den Grundschulen waren es 23. Ausgeschrieben sei in Werne aktuell lediglich eine Stelle: die des stellvertretenden Schulleiters an der Marga-Spiegel-Sekundarschule (MSS).
Froh über jede ausgebildete Lehrkraft
Eleonore Neumann, Leiterin der Uhlandschule, sieht ihre Grundschule gut aufgestellt. 405 Schüler werden hier verteilt auf 18 Klassen unterrichtet. Zu den 27 Lehrern zählen auch Sonderpädagogen, Referendare und Studenten als Vertretungskräfte für Lehrerinnen, die aktuell im Mutterschutz sind.
„Wenn man für jede Klasse eine voll ausgebildete Lehrkraft hat, dann kann man schon froh sein. Und das ist bei uns der Fall“, so Neumann im Gespräch mit unserer Redaktion. Selbstverständlich sei eine solche Situation nämlich keineswegs.
„Das hängt sicherlich auch mit unserem Standort zusammen“, vermutet Neumann. In den Nachbarstädten sehe die Lage teils ganz anders aus. Mehr Schulen, mehr Schüler – aber eben nicht mehr Lehrkräfte.
Sekundarschulleiter
Einen allgemeinen Lehrkräftemangel gibt es allerdings nicht nur an Grundschulen. Auch weiterführende Schulen sind nicht völlig frei von Sorgen, wenn es um die Personalstärke im Kollegium geht. An der Marga-Spiegel-Sekundarschule arbeitet man in der Leitungsriege beispielsweise gerade in halber Besetzung.
Normalerweise besteht das Leitungsteam aus fünf Personen – inklusive Schulleiter Hubertus Steiner. Und dem fehlt aktuell neben einem Stellvertreter auch eine weitere Leitungsperson, die sich ein Sabbatjahr genommen hat.
So etwas stehe den Kollegen natürlich zu, mache die Situation aber nicht leichter, sagt Steiner. Außerdem seien derzeit einige Kolleginnen im Mutterschutz. „Man kann sagen, dass wir an der Personalfront hart arbeiten. Allerdings sind wir im Vergleich zum Landesdurchschnitt richtig gut besetzt.“
Der Lehrermarkt erscheint wie leergefegt
Die 880 Sekundarschüler werden von 92 Lehrern unterrichtet. Das entspricht einer Personalausstattungsquote von fast 100 Prozent. Überstunden für Lehrkräfte, Unterrichtsausfall, Wegfallen von AGs – das alles gibt es laut Steiner an der MSS nicht.
Dennoch spüre man auch hier, dass der Lehrermarkt wie leergefegt sei. So gibt es an der Sekundarschule durchaus externe Vertretungslehrer mit Zeitverträgen – jedoch keine Seiteneinsteiger, wie Steiner betont: „Bisher konnten wir immer originäre Lehrer einstellen. Vielleicht wird sich das irgendwann mal ändern. Ich halte davon aber nicht viel.“

An der Marga-Spiegel-Sekundarschule werden 880 Schüler von 92 Lehrern unterrichtet. Das ist eine gute Quote. © Felix Püschner
Das viel diskutierte und auch bereits praktizierte Modell mit beruflichen Seiteneinsteigern sei immer ein bisschen mit der Illusion verbunden, dass fachlich kompetente Menschen auch immer gute Lehrer seien.
„Aber wer kann das schon gewährleisten? Das ist wahrscheinlich eher die Ausnahme“, so der MSS-Leiter. Den Seiteneinsteigern fehle nun mal die fundierte pädagogische Ausbildung, die ein originärer Lehrer im Zuge seines Studiums erhalten habe.
Ein ähnliches Feedback kam erst kürzlich aus den Reihen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Sie warnte angesichts der steigenden Zahl von Quereinsteigern vor einer sinkenden Unterrichtsqualität – auch wegen der fehlenden pädagogischen Kompetenzen.
Seiteneinsteiger allein reichen nicht aus
Im Hinblick auf die Maßnahmen, mit denen man den Lehrermangel irgendwie in den Griff bekommen möchte, stoßen die Länder immer wieder an ihre Grenzen. Nicht nur in Sachen Seiteneinsteiger. Weil der qualifizierte Lehrer-Nachwuchs fehlt, greift man zudem zunehmend auf „die Alten“ zurück.
So hat sich in NRW die Zahl derjenigen Pensionäre, die wieder im Schuldienst als tarifbeschäftigte Lehrkräfte tätig sind, seit 2016 von 415 Lehrkräften auf zuletzt 818 Lehrkräfte im Jahr 2018 nahezu verdoppelt. „Auch die Möglichkeit, den Eintritt in den Ruhestand hinauszuschieben, wird von den Lehrkräften häufiger genutzt“, schreibt das NRW-Schulministerium in einer Pressemitteilung.
„Die Lehrerinnen und Lehrer leisten mit ihrem Einsatz und ihrer Erfahrung einen unschätzbaren Beitrag. Dafür danke ich ihnen sehr“, erklärte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer im März dieses Jahres. Die Rückkehr in den Schuldienst sei „für Pensionärinnen und Pensionäre attraktiv und die erfahrenen Lehrkräfte helfen spürbar dabei, den Lehrermangel zu lindern“.
Hubertus Steiner blickt durchaus mit einer gewissen Skepsis auf diese Entwicklung: „Das hilft vielleicht kurzfristig, kann aber keine dauerhafte Lösung sein.“
Schließlich hätten sich die Kollegen ihren Ruhestand verdient – und auch für die Schüler sei es sicherlich nicht optimal, wenn sie irgendwann von einem völlig überaltertem Kollegium unterrichtet würden. Auch hier – das sagt Steiner mit entspannter Stimme – sei man an der MSS aber glücklicherweise gut aufgestellt: „50 Prozent unserer Lehrer sind unter 35 Jahren. Das ist ein absoluter Spitzenwert.“
Bei solchen Zahlen reibt man sich in so mancher Nachbarstadt wohl ungläubig die Augen. Denn dort ist ein gut besetztes Kollegium oftmals eher ein Wunschkonzert.
- Insgesamt konnten für das neue Schuljahr im Regierungsbezirk Arnsberg 1216 neue Lehrkräfte eingestellt werden, von denen 104 als Seiteneinsteigende allerdings nicht den klassischen Ausbildungsweg für Lehrer gegangen sind.
- Bereits zum Schuljahr 2018/19 ist im Regierungsbezirk Arnsberg das sogenannte „Top-Sharing-Modell“ in den Grundschulen an den Start gegangen.
- Damit können sich zwei Lehrer bzw. Lehrerinnen die Schulleitung teilen. Auf dieser Weise kommt der Führungsjob auch für Teilzeitbeschäftigte in Frage. In Werne gibt es laut Angabe der Bezirksregierung jedoch noch keine Anfrage für dieses Modell.
Geboren 1984 in Dortmund, studierte Soziologie und Germanistik in Bochum und ist seit 2018 Redakteur bei Lensing Media.
