Pater Harald Adler schickte noch gute Wünsche vom Sterbebett „Euch allen gute Gesundheit“

Pater Harald Adler gestorben : „Euch allen gute Gesundheit“
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„Möge Gott Sie schnell heilen“, schreibt ein junger Mann aus der philippinischen Megacity Manila. Und eine ehemalige Schülerin aus dem 30.000-Einwohner-Städtchen Werne wünscht: „Alles Gute für die kommende Zeit“. Mehr als 100 andere Menschen aus verschieden Teilen der Welt stimmen ein: Worte zwischen Hoffnung, Aufmunterung und Mitgefühl. Das war am 8. August, als Pater Harald Adler auf Facebook der Welt bekannt gab, dass er nicht mehr lange leben würde. Wie kurz die Spanne tatsächlich sein würde, die ihm noch blieb, ahnten die meisten zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Oder wollten es zumindest nicht wahrhaben. Am Freitag (23.8.) ist der Seelsorger, Lehrer und Kosmopolit im Alter von 87 Jahren gestorben.

Das Licht der Welt hatte Adler in Odessa erblickt, in der heutigen Ukraine. Krieg und Flucht, die heute das Leben in der Stadt am Schwarzen Meer überschatten, bestimmten auch schon seine Kindheit. Die Familie war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Einladung der deutschstämmigen Zarin Katharina der Großen gefolgt und in das damals nur dünn besiedelte Russland ausgewandert.

Knapp 200 Jahre später waren die Kolonisten von einst unerwünscht. Die Adlers flohen, mit ihnen auch der damals siebenjährige Harald. „Nur ein Zehntel der etwa eine halbe Million zählenden Deutschen aus den Siedlungen bei Odessa kamen weit genug in den Westen, um nicht von der russischen Besatzungsmacht nach Sibirien deportiert zu werden“, erinnerte er sich in einem Gespräch. „Wir gehörten glücklicherweise dazu.“ Im Spätsommer 1944, nach einem halben Jahr entbehrungsreicher Reise, hatten seine Eltern mit vier Kindern im Alter von drei bis neun Jahren das Rheinland erreicht.

Flucht aus Odessa

Im Taunusdorf Buch zogen sie in ein Behelfsheim: Ihr Zuhause bis 1951. „In diesen Hungerjahren nach dem Kriegsende waren wir eine Belastung für das Dorf, für Deutschland.“ Später aber auch eine Bereicherung: Drei von den sechs Kindern haben Jahrzehnte lang in sozialen Berufen gearbeitet, zwei als Ingenieure und einer als Kommunikationsexperte. Und Harald als Ordensmann und Lehrer.

Als junger Mann hatte er die Gemeinschaft der Arnsteiner Patres kennengelernt und sich entschieden, selbst dort einzutreten. Dass er einmal Schulleiter des damals noch jungen Gymnasiums in Werne werden würde, schien nicht unwahrscheinlich. Dass er auch in Asien junge Menschen begleiten würde auf ihrem Weg in den Beruf, manchmal auch zu ihrer Berufung, schon eher. Das ahnte er wohl 1978 auch noch nicht, als er im Lindert die Nachfolge von Pater Werner Engel antrat und dritter Schulleiter des 1955 gegründeten Christophorus-Gymnasiums wurde.

825 Schüler und 93 Schülerinnen zählte die katholische Schule in Trägerschaft des Ordens damals. Der Jungenüberschuss war kein Wunder. Denn ursprünglich handelte es sich um eine reine Jungenschule mit angegliedertem Internat. Pater Harald Adler fiel es zu, entscheidende Weichen für die Entwicklung zu stellen. Im Januar 1981, keine drei Jahre nach seinem Amtsantritt, wurde das Internat aufgelöst. Ein Jahr später wechselte die Trägerschaft der Schule von den Arnsteiner Patres zum Bistum Münster, das neben zwei weiteren Internaten in Goch und Ostbevern keine Verwendung für ein drittes hatte.

Neustart in Manila

Pater Harald Adler führte das Gymnasium ins neue Jahrtausend: Um- und Anbauten und pädagogische Profilschärfung inklusive. 2001 - in diesem Jahr zählte das Gymnasium 440 Schülerinnen und 352 Schüler - übergab der Ordensmann die Schulleitung an Dr. Jörgen Vogel. In einem Alter von knapp 65 Jahren, das für andere den Beginn der Rente markiert, schlug er noch einmal ein ganz neues Kapitel auf - in Manila.

Heiß, laut und so ganz anders als die 20 Jahre zuvor in Werne. So war die 20-Millionen-Stadt. Eigentlich sollte er nur ein Jahr bleiben, um die Ausbildung junger Männer und Frauen zu begleiten, die sich für ein Leben in der Ordensgemeinschaft entschieden hatten. Daraus wurden 15 Jahren. Pater Harald Adler, der einst Deutsch unterrichtet hatte, sprach jetzt tagein-tagaus nur noch Englisch und Filipino. So krass wie noch nie erlebte er, was Armut bedeutet.

Pater Harald Adler (vorne) bei einer Primizfeier In Manila: also bei einem Gottesdienst, in dem junge Männer als Priester In der Gemeinschaft aufgenommen werden.
Am Samstagmorgen, einige Stunden nachdem der Taifun eine Schneise der Verwüstung gezogen hatte, feierte Pater Harald Adler (vorne) einen Gottesdienst: die Primizfeier, bei der ein junger Priester in der Gemeinschaft aufgenommen wurde. © Foto Perez

Schon kurz nach seiner Ankunft brannte es in einer der zahlreichen „squatter colonies“, den dortigen Slums. 80.000 Menschen hätten ihr Dach über dem Kopf verloren, weil die Feuerwehr in dem engen Gewirr von Gassen nichts erreichen konnte, erzählte er einmal. Und ein anderes Mal berichtete er davon, wie die Menschen schutzlos unter Erdrutschen und anderen Naturkatastrophen litten: „Vermeidbare Unglücke“, wie er damals meinte: „Solange für die Ärmsten nur die unsichersten Plätze und nur Elendshütten übrig bleiben, wird es immer wieder zu solchen Katastrophen kommen.“ Pater Harald Adler forderte strukturelle Veränderungen in der Siedlungspolitik. Auch wenn er als Priester von der Kraft des Gebets überzeugt war. Den Satz „Da hilft nur beten“ wollte er so nicht stehen lassen. Es brauche schon Engagement, um die Dinge zu ändern. Und Menschen, die sich dafür einsetzten.

Herausforderung in Berlin

Er selbst konnte das nach 15 Jahren in Manila nicht mehr. Der Kampf für bessere Bildungschancen insbesondere für die Kinder aus den Elendsquartieren hatte Kraft gekostet. Die angegriffene Gesundheit zwang ihn, seine Ordensbrüder aus Indonesien, Hawaii und Tonga zurückzulassen und nach Deutschland heimzukehren. In Werne legte er aber erst einmal nur einen Zwischenstopp ein.

Die nächste Station war für ihn wieder eine Großstadt: Berlin. Auf den Tag genau 100 Jahre nach der Gründung der deutschen Ordensprovinz eröffnete er dort zusammen mit fünf Ordensbrüdern von drei Kontinenten in Berlin eine internationale Kommunität: ein religiöser Aufbruch in einem zunehmend religionsfernen Umfeld. Für den damals 84-jährigen Senior der kleinen Gemeinschaft ein spannendes Projekt, dessen Anfang er gerne mitgestaltete. Dann packte er aber wieder die Koffer und kehrte endgültig dahin zurück, wo er 23 Jahre als Schulleiter wirkte: nach Werne. Dort hatten ihn nicht nur alte Freunde, Schüler und Wegbegleiter begrüßt.

Selbstbestimmt bis zum Schluss

Im Mai 2022 schrieb er auf Facebook, wie sehr er sich über den Gesang der Nachtigallen am Bahndamm, nahe der Schule, freue. In den Vorjahren hatte er seine jährlichen medizinischen Checkups immer ins Frühjahr verlegt, um dem Vogelkonzert bewohnen zu können. Leider sei es irgendwann verstummt - bis 2022. Er erfreue sich, so Pater Harald, bei jedem Spaziergang am Bahndamm daran. Und seine Freundinnen und Freunde in aller Welt freuten sich mit ihm.

Genauso wie sie mit ihm litten, als die gesundheitlichen Probleme zunahmen. Bis zu diesem 8. August 2024, als er Folgendes schrieb: „Aufgrund meiner fortgeschrittenen Krebserkrankung habe ich mich entschieden, die onkologische Behandlung ganz abzubrechen und stattdessen mich auf eine palliative Betreuung zu beschränken. Euch und allen Freunden mit Gottes Segen gute Gesundheit.“ Ein Wunsch, der nachhallt - bis nach Berlin, auf die Philippinen und ans Schwarze Meer.

Beisetzung in Werne

Am Donnerstag (29.8., 10 Uhr) findet das Requiem für Pater Harald Adler in der Kirche Maria Frieden statt. Die Beisetzung erfolgt anschließend am Südring.