Vor 50 Jahren, offiziell am 1. Januar 1975, fand die kommunale Neugliederung in Nordrhein-Westfalen ihren Abschluss. Sie wirbelte viele Kreise, Gemeinden und Ortsteile durcheinander. Aber was bedeutete das für die Menschen vor Ort, zum Beispiel in Werne, Herbern und Stockum? Theo Jurek kann darauf Antworten geben. Der 91-Jährige hat die Neugliederung nicht nur miterlebt, sondern mitgestaltet.
Theo Jurek war Ende der 1960er, Anfang der 1970er-Jahre Fraktionsvorsitzender der CDU im Gemeinderat. Nicht dem von Werne, sondern von Stockum. „Stockum war damals selbstständige Gemeinde und bildete gemeinsam mit Herbern einen Amtsverbund.“
Wenn es nach dem Willen der damals gut 4000 Stockumer gegangen wäre, wäre das so geblieben. Doch dem sprachen die Ziele der Neugliederung entgegen. In den 1960er Jahren setzte sich nicht nur in unserem Bundesland die Erkenntnis durch, dass die Gemeindestrukturen völlig veraltet waren. Man wollte auf allen Ebenen größere Einheiten schaffen, unter anderem auch darum, um Verwaltung effizienter zu gestalten.

Hohe Gewerbesteuer-Einnahmen
Der Gemeinde Stockum ging es gut. Was vor allem an den sprudelnden Gewerbesteuer-Einnahmen durch das Gersteinwerk lag. „Stockum hatte Anfang der 1970er Jahre einen Gewerbesteuer-Hebesatz von 300 Prozent. In Werne lag er deutlich darunter.“ Stockum war also ein schöne und vor allem reiche Braut. Die wäre am liebsten gemeinsam mit Herbern Single geblieben. Doch das war nicht möglich.
Und so warben im Zuge der Gebietsreform die Städte Hamm und Werne um die gute Partie. Theo Jurek erinnert sich an eine „öffentliche Gemeinderatssitzung im Haus Mersmann, heute La Taverna, in Stockum“. Dort hätten die Bürgermeister von Bockum-Hövel, ein Herr Förster, und Werne, Franz-Josef Grube, die Vorteile einer Ehe mit dem jeweiligen Partner hervorgehoben.
Stockum direkt eingemeindet
Es folgte eine Infoveranstaltung der Stadt Hamm für alle Gemeinden der Region. Ins Kurhaus von Hamm war auch der damalige Stockumer Bürgermeister Hermann Berger gekommen, um sich die Minne-Gesänge der großen Nachbarstadt anzuhören. Doch deren Braut-Werbung war direkt zum Scheitern verurteilt, als Berger einen neuen Stadtplan entdeckte, den die Stadt Hamm an einer Wand aufgehängt hatte. Darauf war die A1 als westliche Stadtgrenze von Hamm eingetragen. Stockum war also darauf schon geschluckt worden. „Da kam Hermann Berger aber richtig aus der Kiepe“, erinnert sich der 91-Jährige und lächelt, „damit war klar: Stockum geht auf keinen Fall nach Hamm“.
Dann kam das, was heute noch Bestand hat. Stockum vereinte sich mit Werne, Herbern wurde Ascheberg zugeschlagen. „Wir hatten damals den Eindruck“, sagt der ehemalige CDU-Politiker, „dass manchen Wernern der Zusammenschluss unliebsamer war als umgekehrt“. Trotz der sprudelnden Gewerbesteuer-Einnahmen. Obwohl: Stockum leerte bewusst vor dem Zusammengehen seine Kassen.
„Das stimmt“, bestätigt Theo Jurek, „wir haben dann noch drei große, teure Projekte in Angriff genommen: die Sanierung der Kanalisation, den Bau des Freibades und des Bürgerhauses“. Missgünstigen Kommentaren aus Werne, die Stockumer hätten gebaut, um anschließend Gesamt-Werne die Rechnung zahlen zu lassen, erteilt Theo Jurek eine Absage: „Wir haben damals nicht so finanziert, wie es heute üblich ist, nämlich auf Pump. Unsere Gemeindekasse war gut gefüllt.“
Sinn und Zweck der Kommunalen Neugliederung
- Kommunale Neugliederung NRW: Reform zur Neuordnung kommunaler Strukturen.
- Ziel: Effizienzsteigerung und bessere Leistungsfähigkeit.
- Hintergrund: Gebietsreformen in den 1960er- und 1970er-Jahren.
- Wichtige Reformen: Fusion kleiner Gemeinden, Bildung größerer Einheiten.
- Aktuelle Entwicklungen: Diskussionen über Anpassungen an demografische Veränderungen.
- Bedeutung: Einfluss auf Finanzen, Bürgernähe und Verwaltung.