Zoff um Vorgaben für Neubaugebiete in Werne „Wir legen uns unnötige Fesseln an“

Politik diskutiert über umstrittene Klimaschutz-Vorgaben für Neubaugebiete
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Bereits im März 2023 rumorte es in den Reihen der Werner Politik. Damals hatte die Stadt im Zuge des Bebauungsplans für das Wohnquartier Schlägelstraße mit Blick auf den Klimaschutz so strikte Vorgaben gemacht wie nie zuvor. Dazu gehörten unter anderem detaillierte Vorschriften zu PV-Anlagen und Begrünung auf Dächern, Garagen und Carports sowie die Art der Gartenbepflanzung. Auch ein Verbot zur Verwendung fossiler Brennstoffe zur Wärme- und Wasserversorgung wurde festgezurrt.

Vor allem die FDP hatte seinerzeit Bedenken geäußert. Letztlich stimmten Wernes Volksvertreter dem Vorschlag der Verwaltung allerdings zu. Nun geht die Debatte in die zweite Runde. Denn mittlerweile hat die Verwaltung einen „Festsetzungskatalog Klimaschutz und Klimaanpassung“ erarbeitet, der für alle zukünftigen Bebauungsplanverfahren gelten soll.

Den präsentierte sie am Dienstag (30. Januar) im Ausschuss für Stadtentwicklung, Planung und Wirtschaftsförderung. Die Maßnahmen hätten präventiven Charakter und gingen über das hinaus, was aktuell gesetzlich gefordert sei, erklärte Klimaschutzmanager Dr. Tobias Gehrke. Man wolle in Sachen Klimaschutz jedoch lieber ein bisschen zu viel als zu wenig machen. Das rief einmal mehr die FDP auf den Plan.

FDP und CDU gegen strikte Vorgaben für Neubaugebiete

„Bauen wird immer teurer, die Bautätigkeit immer geringer - und wir sollen jetzt solche Vorgaben machen? Das geht ja über das hinaus, was im GEG gefordert ist. Das sehe ich überhaupt nicht ein“, schimpfte Artur Reichert (FDP): „Wenn wir von den Leuten, die neu bauen, verlangen, dass sie sofort ihr Dach begrünen und eine Solaranlage installieren, dann kostet das je nach Fläche mal eben 25.000 bis 30.000 Euro. Das geht so nicht.“

Sein Parteikollege Benedikt Lange betonte, dass die Bürger einige der im Katalog aufgeführten Maßnahmen ohnehin bereits aus eigenem Antrieb umsetzten und warnte vor einer Überregulierung. In die gleiche Kerbe schlug die CDU. Es werde schon genug durch den Bund geregelt, da müsse die Kommune den Leuten nicht noch weitere Vorschriften machen, erklärte Ferdinand Schulze Froning.

Artur Reichert von der Werner FDP sitzt am Tisch während einer Ausschusssitzung.
Artur Reichert (FDP) gehen die Vorgaben deutlich zu weit. © Jörg Heckenkamp (A)

Ulrich Höltmann (SPD) war da anderer Meinung. Den positiven Effekt der Maßnahmen werde man erst in ein paar Jahren sehen: „Wir sollten die Chance, etwas für das Klima zu tun, aber schon jetzt nutzen. Durch die Festsetzungen weiß dann auch jeder, der bauen will, was auf ihn zukommt.“ Gemeint sind damit vor allem auch die Kosten, die Häuslebauer einkalkulieren müssen. In diesem Sinne schaffe man für die künftigen Eigentümer durch die Vorgaben sogar Planungssicherheit, argumentierte Christoffer Diedrich (Grüne). Benedikt Lange (FDP) kommentierte das mit den Worten: „Dass wir uns Fesseln anlegen, schafft keine Planungssicherheit.“

Die Anmerkung des Klimaschutzmanagers, Abweichungen vom Festsetzungskatalog seien bei entsprechender Begründung möglich und man könne den Katalog bei Bedarf später auch noch einmal überarbeiten, änderte nichts daran, dass das Abstimmungsergebnis denkbar knapp ausfiel: Bei zehn Ja- und neun Nein-Stimmen wurde der Katalog mit den Themenfeldern Hitze, Starkregen und erneuerbare Energien beschlossen.

Zum Thema

Diese Punkte beinhaltet der Katalog

  • Ausschluss dunkler Fassadenoberflächen: Ziel ist ein sommerlicher Wärmeschutz durch die Wahl geeigneter Baumaterialien und die Reduktion der Aufheizung und Wärmeabstrahlung von Gebäuden.
  • Schutz des Bodens, etwa durch Einschränkungen bei der Versiegelung von Grundflächen. Frischluftkorridore sollen freigehalten und neue Freiflächen geschaffen werden.
  • Planung und Festsetzung von Dach- und Fassadenbegrünung sowie von Bepflanzungen und Begrünung für Vorgartenflächen zum Schutz des Artenreichtums und Mikroklimas. Auch der Erhalt und die Neupflanzung von Bäumen zur Verbesserung des Kleinklimas gehört hierzu.
  • Vermeidung von Mauern oder Gabionenzäunen sowie Festsetzen von begrünten Einfriedungsalternativen
  • Beschattung von öffentlichen Plätzen, Verkehrs- und Freiflächen durch Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern etc.
  • Einsatz erneuerbarer Energien, insbesondere die Nutzung von Solarenergie auf 30 Prozent (Satteldach) oder 50 Prozent (Flachdach- und Pultdach) der dafür entsprechend ausgerichteten Dachflächen. Die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung erneuerbarer Energien bzw. aus Kraft-Wärme-Kopplung soll in bestimmten Gebieten bei baulichen Maßnahmen berücksichtigt werden.
  • Begrenzung des Ausstoßes von Schadstoffen durch Vorgaben für CO2- sparende Energieversorgungskonzepte und Verbote der Verwendung fossiler und luftverunreinigender Heizstoffe.
  • Mit Blick auf das Themenfeld Starkregen sollen unter anderem multifunktionale Retentionsflächen geschaffen werden (z.B. Bolzplätze, die bei Bedarf geflutet werden können). Die dezentrale Versickerung soll forciert werden.

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