Die Stadt Werne erhebt in etlichen Fällen zu hohe Elternbeiträge. Betroffen sind die Bereiche Kindertagesstätten, Offener Ganztag (OGS) und Tagespflege. Es geht um Tausende von Euro. Pro Familie. Davon ist eine Werner Mutter überzeugt: „Bei mir alleine summiert es sich auf 2600 Euro“, sagt Lisa B. (Name von der Redaktion geändert).
Der Hintergrund dieser Einschätzung ist hoch-kompliziert. Es geht um Satzungen, Eltern-Infos und Gerichtsurteile. Aber Lisa B. ist selbst in einer Kommunalverwaltung tätig, kennt sich mit dieser Materie aus, hat sich tief eingearbeitet. Ihr Fazit: „Die Stadt Werne erhebt bei Patchwork-Familien zu hohe Beiträge.“ Sie legt ihre Auffassung anhand ihrer eigenen Erfahrungen dar.
Nachzahlungsbescheid nach Heirat
Die 29-jährige Wernerin hat einen 11-jährigen Sohn aus einer früheren Beziehung. Diesen meldete sie für den offenen Ganztag an. Als Alleinerziehende zahlte sie damals einen geringeren Beitrag. Nun hat sie zwischenzeitlich geheiratet, allerdings nicht den Vater ihres Kindes. „Da ich durch die Heirat meinen Namen geändert habe, fragte die Stadt Werne nach. Ich habe alles wahrheitsgetreu beantwortet und habe dann einen Nachzahlungsbescheid über rund 2600 Euro für die OGS-Beiträge der Jahre 2019 bis 2021 erhalten“, erzählt sie im Gespräch mit der Redaktion.
Der Grund für diese Nachforderung: Lisas Ehemann wurde wie der leibliche Vater behandelt und folglich dessen Einkommen zur Berechnung der Elternbeiträge hinzugezogen. Aber genau das sei nicht korrekt, meint Lisa B. Sie zahle zwar in Raten die nachgeforderten 2600 Euro ab, kämpfe aber gleichzeitig um eine Rückzahlung.

Elternbeiträge zu hoch
Die Verwaltungs-Frau sagt: „Die Stadt Werne behandelt Patchwork-Familien von den Gebühren her wie Stamm-Familien. Das ist laut einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes NRW in Münster nicht korrekt.“ Lisa B. hat sich in die komplizierte Materie hineingefuchst. Sie legt dem Reporter Kopien von Urteilen, der städtischen Satzung, etc. vor. Sie meint: „Das OVG hat erhöhte Beträge von nicht-leiblichen Partnern, also wie bei meinem Ehemann, nicht grundsätzlich verworfen. Es muss aber deutlich in der jeweiligen kommunalen Satzung verankert sein. Und genau das ist es in Werne nicht.“
Hier geht es jetzt ins Klein-Klein. Lisa B. legt dem Reporter zwei Kopien vor. Eine von der entsprechenden Satzung der Stadt, eine von einer Eltern-Information der Stadt. In der Satzung heißt der entscheidende Passus: „... Beitragspflichtige sind die Eltern oder diesen rechtlich gleichgestellte Personen...“ Rechtlich gleichgestellt wären etwa Adoptiveltern. „Aber eben nicht die Partner, die nicht die leibliche Elternschaft haben“, sagt sie.
Unterschiedliche Aussagen
In der Eltern-Information heißt es dagegen: „.... bei einem Elternteil und/oder einer/einem den Eltern im Sinne des Paragrafen (....) gleichgestellten Person, die/der nicht der leibliche Elternteil ist: z B. (...) Partner in häuslicher Gemeinschaft.“ Für Lisa B. drängt sich folgender Verdacht auf: „Die Satzung der Stadt, die für die Beitragserhebung bindend ist, sagt etwas anderes, als die unverbindliche Eltern-Information. Die weitet nämlich den Kreis der Beitragspflichtigen aus. Es scheint mir, dass die Stadt weiß, dass sie eigentlich die erhöhten Beiträge laut Satzung nicht erheben darf und baut mit dieser Eltern-Info möglichen Einsprüchen vor.“
Ihr Verdacht, dass die Stadt um die unrechtmäßige Erhebung weiß, erhärtet noch ein anderer Umstand. Auf einem Seminar mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Städte und kommunaler Einrichtungen „kam das Thema Elternbeiträge zur Sprache“, sagt Lisa B., die selbst an diesem Seminar teilgenommen hat: „Und in diesem Verlauf gaben Vertreter der Stadt Werne zu, dass sie um die Fragwürdigkeit der erhöhten Beiträge bei Patchwork-Familien wussten.“ Zudem habe die Stadt nach ihrem Einspruch gegen die Nachforderung nur mit einem Hinweis auf ein Verwaltungsgerichts-Urteil reagiert, das die Auffassung der Stadt stützt. Lisa B.: „Doch es gibt ja längst das Urteil des Oberverwaltungsgericht, das eine ganz andere Auffassung hat.“ Und das wäre ausschlaggebend.
Stadt: „Urteil war nicht bekannt“
Wir haben die Stadt Werne mit den Vorwürfen der Mutter konfrontiert. Dezernent Frank Gründken sagt, dass man erst kürzlich von dem entsprechenden Urteil des Oberverwaltungsgerichtes gehört habe und derzeit an einer Lösung arbeite. Er sagt: „Im Jahr 2018 hat das VG Gelsenkirchen einen Rechtsstreit zugunsten der Stadt Werne entschieden. Das Urteil des OVG Münster aus dem Jahre 2020 ist nach hiesigen Recherchen nicht veröffentlicht worden und nur über die Urteilssammlung des OVG Münster auffindbar. Das Urteil des OVG Münster war daher hier und bei vielen anderen Kommunen nicht bekannt.“
Auf einem von der Stadt Werne organisierten Seminar „in der vorvergangenen Woche“ habe man erstmals Kenntnis von der neuen Rechtslage erhalten und „den daraus resultierenden Handlungsbedarf hier intern unverzüglich mitgeteilt“, so Gründken: „Das Dezernat III arbeitet gerade mit der gebotenen Sorgfalt den Sachverhalt auf. Neben der notwendigen Aktualisierung der Elternbeitragssatzung wird in diesem Rahmen ebenso sorgfältig der Umgang mit den ggfs. falsch veranlagten Fällen geprüft. Mögliche Erstattungen richten sich nach den Vorschriften des SGB X. Nach den jetzt vorliegenden Erkenntnissen betrifft dies weniger als 10 Fälle.“
„Teils in rüdem Ton beantwortet“
Das würde Lisa B. in die Karten spielen, die seit einiger Zeit versucht, die Stadt Werne von ihrer Rechtsauffassung zu überzeugen. Nachdem Schreiben, Mails und Telefonate „teils in rüdem Ton“ beantwortet wurden, habe sie rechtliche Schritte und den Weg in die Öffentlichkeit angekündigt. „Plötzlich änderte sich der Ton. Der Stadt-Vertreter, der mit mir sehr überheblich und arrogant geredet hat, hat mir dann die Rückzahlung in Aussicht gestellt. Allerdings nur mündlich.“
Sie vermutet, dass man sie mit der Rückzahlungs-Ankündigung von weiteren Schritten abhalten will. „Aber ich finde, die Öffentlichkeit muss das wissen. Ich arbeite selbst in der kommunalen Verwaltung. Der Bürger muss die Sicherheit haben, dass die Verwaltung rechtskonform handelt.“
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