Immer weniger Facharbeiter Mittelstand in Werne diskutiert mit Bauministerin

Mittelstand diskutiert mit Bauministerin über Fachkräftemangel
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Inflation, hohe Zinsen und Energiekrise – an düsteren Prognosen für die Wirtschaft mangelt es in diesen Tagen nicht. Der Mangel an Fachkräften und Auszubildenden aber beschäftigte den Mittelstand schon vor diesen Problemen. Daher will die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) Kreis Unna nach eigener Aussage „einen direkten Draht ins Ministerium, in Industrie- und in Handelskammer“ schaffen und hat am Donnerstagabend eine Diskussion mit hochkarätigen Gästen veranstaltet.

Denn auf dem Podium saß unter anderem Landesbauministerin Ina Scharrenbach von der CDU. Der Fachkräftemangel beschäftige den Mittelstand schon lange, und in der Diskussion solle konkretisiert werden, wie man ihn angehen muss – so eröffnete Uta Leisentritt, die Vorsitzende der MIT im Kreis Unna, die Diskussion.

Besonders ein Gedanke durchzog das gesamte Gespräch: Berufe in Handwerk und Industrie müssten finanziell und gesellschaftlich wieder attraktiver werden, so etwa der Geschäftsführer der Handwerkskammer Dortmund Carsten Harder. Es sollten sich wieder mehr Leute „einen Blaumann anziehen und ihre Familie ernähren“ als studieren gehen.

Kritik an Bildungssystem

Eltern und Schulsystem würden die Jugend bewusst auf Gymnasium und Studium ausrichten und dabei die technischen Berufe vernachlässigen. Harder kritisierte, dass die Berufsorientierung an Schulen zu wenig handwerkliche Berufe umfasse – den Schülern werde vermittelt, dass sie nach dem Gymnasium unbedingt ein Studium beginnen müssten. Der Hauptgeschäftsführer der Dortmunder Industrie- und Handelskammer, Stefan Schreiber, pflichtete dem bei: „Wir als IHK haben vor allem zu Gymnasien keinen direkten Zugang“. Das sei oft nicht erwünscht, so Schreiber weiter.

Gruppenbild der Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v.l.): Sascha Dorday (WfG Unna), Jürgen Artmann (Berufskolleg Werne), Stefan Schreiber (IHK), Ministerin Ina Scharrenbach, Carsten Harder (HWK) und Uta Leisentritt (MIT).
Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v.l.): Sascha Dorday (WfG Unna), Jürgen Artmann (Berufskolleg Werne), Stefan Schreiber (IHK), Ministerin Ina Scharrenbach, Carsten Harder (HWK) und Uta Leisentritt (MIT). © Luca Vazgec

Ministerin Scharrenbach gab zwar zu bedenken, dass IHK und die Schulen dabei einander oft gegenseitig die Schuld gäben, forderte aber auch einen „parteiübergreifenden Konsens“ dazu, was die Schulabgänger alles können müssen. „Oft sind Achtzehnjährige noch nicht ausbildungsreif“, so Scharrenbach, „dieser Punkt richtet sich ans Schulsystem“. Sie höre oft dramatische Berichte über den Zustand an den Haupt-, Real- und Sekundarschulen. Außerdem fehle, so der Schulleiter des Freiherr-vom-Stein-Berufskollegs, Jürgen Artmann, oft das Bewusstsein der Eltern, dass an der Berufsschule in Werne jeder Schulabschluss gemacht werden könne.

Bürgerinitiativen gegen Wirtschaft

Scharf kritisierten die Teilnehmer – allen voran Moderatorin Leisentritt – lokale Bürgerinitiativen, die gegen Flächenversiegelung vorgehen würden. Sie ließ keinen Zweifel daran, was damit gemeint war: die Bürgerbewegung, die im Dezember vergangenen Jahres den Neubau des Industriegebiets an der Nordlippestraße verhindern konnte. Dem pflichtete der neue Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Kreis Unna, Sascha Dorday, bei. Wichtig seien ihm zufolge aber auch sogenannte weiche Standortfaktoren wie die Ausschreibung von Gewerbeflächen, der Ausbau von Verkehrswegen, ÖPNV und schnellem Internet.

„Es muss darum gehen, Unternehmen nach Werne zu holen, die wiederum Arbeitsplätze schaffen“, erklärte er. Auch die Integration von Migranten müsse so schnell wie möglich vereinfacht werden, so die Mittelständler. Ministerin Scharrenbach aber erteilte einer schnellen Gesetzesänderung eine Absage: „Was glauben Sie, wie lange es dauert, bis ein Gesetz verabschiedet werden kann?“, so die CDU-Politikerin.

Viel diskutiert wurde auf dem Podium über Facharbeiter, Auszubildende und Jugendliche – von ihnen selbst redete aber niemand mit. „Das hätte den Rahmen gesprengt“, so Organisatorin Leisentritt, die auf eine geplante Veranstaltung im breiteren Kreis verwies. Ministerin Scharrenbach fasste zusammen: „Ein Erkenntnisproblem haben wir eigentlich nicht. Es geht darum, das, was wir schon lange wissen, anzupacken.“