Liah (8) aus Werne hat den Krebs besiegt „Wir sind sehr stolz auf unsere Kämpferin“

Liah (8) hat den Krebs besiegt: „Wir sind sehr stolz auf unsere Kämpferin“
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Liah ist gerade mal acht Jahre alt. Doch was das Mädchen aus Werne in ihrem Leben bereits durchgemacht hat, ist kaum vorstellbar. Im Juni 2021 diagnostizieren Ärzte bei ihr Krebs – heute ist die Achtjährige seit mehr als einem Jahr krebsfrei. Doch der Weg dahin war alles andere als einfach, erzählt ihre Mutter Isabell Wiemer.

Liahs Beschwerden fangen bereits knapp zwei Jahre vor ihrer Krebs-Diagnose an. Sie hat über Monate immer wieder Bauchschmerzen. Die Ärzte gehen wiederholt von einer Magen-Darm-Erkrankung aus. Doch es wird nicht besser, Liah wird immer müder, hat keine Energie mehr, selbst das Treppensteigen fällt ihr irgendwann schwer. Isabell Wiemer fühlt sich lange von den behandelnden Ärzten nicht ernst genommen. Die gelernte medizinische Fachangestellte bleibt aber hartnäckig. Die Kinderärztin ihrer Tochter schickt sie schließlich in eine Kinderklinik nach Ahlen, wo dann ein Ultraschall durchgeführt wird.

Und dort folgt am 30. Juni 2021 dann die Schockdiagnose für die junge Familie: Die Ärzte entdecken bei der gerade sieben Jahre alt gewordenen Liah das seltene Burkitt-Lymphom, das zu den am schnellsten wachsenden Tumorarten des Menschen zählt. Es ist eine Art von Lymphkrebs, der sich bei der jungen Wernerin bereits im dritten Stadium befindet.

„Das war furchtbar“

Die Diagnose trifft die Familie hart. Isabell Wiemer sagt heute dazu: „Das war furchtbar. Wir haben uns in der Klinik eigentlich nur auf eine Infusion eingestellt, wollten kurz darauf in den Urlaub fahren – und plötzlich musste alles schnell gehen.“ Innerhalb einer Woche wächst der Tumor von 2,4 Zentimetern auf eine Größe von 9,8 Zentimetern an.

Die Familie hat Glück, dass der Tumor rechtzeitig erkannt wird. „Der behandelnde Arzt sagte zu mir: ‚Frau Wiemer, toll, dass sie drangeblieben sind. Drei Wochen später und ihre Tochter wäre nicht mehr da gewesen.“

Zur Weiterbehandlung geht es für Liah ins Uniklinikum Münster, die Ärzte dort starten bei ihr sofort eine Intensiv-Chemotherapie. Mehrmals am Tag, bis in die Nacht, bekommt die Siebenjährige starke Medikamente. Die Folge: Das Mädchen leidet unter heftigen Nebenwirkungen. „Sie konnte nicht mehr richtig sprechen, hat nichts gegessen, die Haare sind ihr ausgefallen.“ Letzteres sei für Liah gar nicht so schlimm gewesen, sie sei dahingehend sehr selbstbewusst aufgetreten. „Das hat mich sehr stolz gemacht“, erzählt ihre Mutter.

Eine Perlenkette von der Wernerin Liah.
Für verschiedene Behandlungen und alle schlimmen Dinge, die Liah vor allem in den vier Monaten während der Chemo-Therapie durchgemacht hat, gab es eine Perle für eine Kette zum Sammeln. © privat

Siebenjährige leidet sichtlich

Die heute 35-Jährige ist die meiste Zeit allein mit ihrer Tochter im Krankenhaus, wo Liah nicht nur Chemo-Therapie, sondern auch zahlreiche andere Behandlungen durchmacht. Ihr Vater passt zu Hause auf ihren damals knapp zwei Jahre alten Bruder auf, geht arbeiten und darf vor allem auch wegen der bestehenden Corona-Beschränkungen nicht mit ins Krankenhaus. Die meiste Zeit kommunizieren sie via Videotelefonie.

Doch die Situation nimmt die Siebenjährige psychisch mit. Wiemer: „Sie hat im Krankenhaus fast nicht geschlafen, starrte 24/7 aufs Tablet.“ Ihr Gesichtsausdruck sei die meiste Zeit leer gewesen, sie habe immer gleich geguckt. Darüber hinaus habe sich Liah gefragt: „Warum ich? Womit habe ich das verdient? War ich so böse?“ Weil sie die Schmerzen nicht mehr aushalten will, wünscht sie sich zwischendurch sogar zu sterben.

Auch an ihrer Mutter geht die Zeit alles andere als spurlos vorbei. „Das waren die schlimmsten vier Monate meines Lebens“, blickt Isabell Wiemer zurück. In vier Blöcken bekommt Liah die Chemo-Therapie – ihre letzte Ende September 2021. Der Krebs ist bereits nach der zweiten Chemo-Therapie weg, doch erst im Dezember 2021 muss die junge Wernerin keine Medikamente mehr nehmen.

Liah während der Chemotherapie im Jahr 2021 und danach im Sommer 2022.
Liah während der Chemotherapie im Jahr 2021 und danach im Sommer 2022. © Isabell Wiemer

Leben vor und nach dem Krebs

Heute geht es Liah gut, sie hat jedoch immer noch mit Nebenwirkungen durch die Chemo zu kämpfen. So ist die nun Achtjährige aktuell immer noch sehr vergesslich, hat Konzentrationsschwierigkeiten. Darüber hinaus muss sie alle paar Monate zurück zur Kontrolle ins Krankenhaus.

Wiemer: „Es gibt nur noch das Leben vor und das Leben nach dem Krebs. Man will eigentlich nicht mehr zurück in das Krankenhaus, muss das für die Kontrolle aber. Man hat dabei immer die Angst, dass dir wieder jemand auf die Schulter fasst und sagt: Da ist was.“

Das „K“-Wort möchte Liah nicht hören, berichtet ihre Mutter. Generell spricht ihre Tochter nicht über die schlimme Zeit, die ihre Familie, aber besonders sie und ihre Mutter sehr zusammengeschweißt hat. „Wir haben dadurch eine besondere Verbindung“, sagt Wiemer.

Doch nicht nur von der Familie, sondern auch von Liahs Lehrern und Mitschülern gibt es viel Unterstützung. Sie schicken ihr in der schweren Zeit Pakete ins Krankenhaus, lassen trotz nicht mehr geltender Maskenpflicht jene im Unterricht auf, damit Liah bedenkenlos daran teilnehmen kann. Wiemer sagt dazu: „Das erste Jahr musste man extrem aufpassen, weil das Immunsystem nicht richtig aufgebaut war.“ Man habe viel verzichten müssen. „Das macht man dann aber natürlich auch, damit es dem Kind gut geht.“

Nachdem Liah den Krebs besiegt hat, engagiert sie sich bei „cancel cancer“.
Nachdem Liah den Krebs besiegt hat, engagiert sie sich bei „cancel cancer“. © privat

Wernerin erfüllt sich Traum

Heute geht die junge Wernerin wieder normal zur Schule, sie kommt dort gut klar. Darüber hinaus macht Liah bei einer Kampagne mit dem Namen „Cancel Cancer“ mit, durch die Spenden für die Krebsforschung gesammelt werden. Denn ohne diese hätte es die Therapie für die Wernerin erst gar nicht gegeben.

Ihre fehlende Kondition nach den schweren vier Monaten hat sie langsam aufgeholt. Seit knapp einem Monat hat sie sich zudem ihren Traum erfüllt: Sie macht einen Hip-Hop-Tanzkurs, für den sie eigentlich schon kurz vor ihrer Diagnose angemeldet war. „Sie ist damit so glücklich – sie ist wieder die Alte“, sagt ihre Mutter. Und dann ergänzt Isabell Wiemer noch im Namen ihrer gesamten Familie: „Wir sind sehr stolz auf unsere Kämpferin.“

„Sie ist wieder die Alte", sagt Isabell Wiemer zu ihrer Tochter Liah.
„Sie ist wieder die Alte", sagt Isabell Wiemer zu ihrer Tochter Liah. © Isabell Wiemer