„Du, alle anderen Kinder drehen sich schon...“ Jedes Kind ist anders. Oft, wenn bei den deutlich erkennbaren Entwicklungsmerkmalen wie Drehen, Robben, Krabbeln, Laufen ein Kind im Vergleich zu den anderen in Krabbel- oder PEKiP-Gruppe („Prager Eltern-Kind-Programm“ Anm. d. Red.) oder zu den älteren Geschwistern augenscheinlich langsamer ist, kommen bei den Eltern Sorgen auf, ob vielleicht „irgendetwas“ nicht stimmt.
Wenn Eltern bei anderen Kindern in der Vergangenheit schon erlebt haben, dass auch Eva, Noah und Simon sehr spät gekrabbelt sind, jetzt aber doch gute Fußballer oder Schwimmerin geworden sind, sind die Sorgen nicht so groß. Aber manchmal kennt man ein Kind aus der Verwandtschaft, dass sich auch nicht gedreht hat, der Kinderarzt gesagt hat, „ach das kommt schon“, und mit inzwischen drei Jahren, immer noch nicht läuft und kaum ein Wort spricht.
Und dann wird aus Sorge schnell – nachvollziehbare – Angst. Aktuell geht dann oft der erste Weg zum Osteopathen. Und siehe da. Nach Lösen einer sogenannten „Blockade“ – korrekter einer „hypomobilen Funktionsstörung“ – dreht sich das Kind.
Aber oft auch nicht. Woran kann es denn dann liegen? Ungefähr 8 Prozent unserer Kinder leiden an einer ernsten Entwicklungsstörung und hierbei kann tatsächlich eine Verzögerung der Bewegungsentwicklung das erste Symptom sein. Daher wird bei uns Kinderärztinnen und -ärzten nicht sofort der „Beruhigungsmodus“ eingestellt.
Meist nichts Dramatisches
Wir machen uns stattdessen ein Gesamtbild des Kindes in seiner motorischen, kognitiven, auch emotionalen Entwicklung (manchmal sagt die Bewegung der Finger mehr als zehn Reflexe), sehen nach Risikofaktoren wie Frühgeborenheit, bereits durchgemachten Erkrankungen und, und, und...
Erfreulicherweise finden wir meist nichts Dramatisches. „Aber wieso ist denn unser Kind langsamer?“ Ist es das wirklich, oder macht es nur den einen Entwicklungsschritt – in unserem Beispiel das Drehen – etwas später als die anderen?
Schaut man sich Bilder an, auf denen zu sehen ist, wie die kindliche Bewegungsentwicklung abläuft (auch in meiner Praxis hängt so eine Tafel und das Internet ist voll davon), sieht man einen klaren Ablauf: Hand-Hand-Kontakt, Hand-Fuß, Füße in den Mund, Drehen vom Rücken auf den Bauch, dann zurück, Vierfüßlerstand, Robben, Krabbeln, Stehen, Laufen.

Aber: Nur knapp die Hälfte der Kinder gehen diesen Weg; die andere Hälfte nimmt Umwege, manchmal Abkürzungen (Robben, bevor sie sich zurückdrehen, Laufen vor dem Krabbeln oder Drehen, ohne die Füße in den Mund genommen zu haben.....).
Oder sie nutzen eine andere Reihenfolge. Vieles in unserer motorischen, aber auch allgemeinen Entwicklung liegt in unseren Genen – eineiige Zwillinge beginnen nahezu immer innerhalb einer Woche zu laufen – und wir tun gut daran, jedem Kind seinen Weg zu lassen, und ihm auch die Zeit zu geben, die es braucht. Wie heißt es so schön: „Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“