Kerstin Stolze hat viel zu erzählen. Die 55-Jährige aus Werne steht auf dem Kirchplatz in der Innenstadt. Sie berichtet offen, was manch andere vielleicht eher für sich behalten: Ihr wurde eine Niere transplantiert. Nun möchte sie anderen Menschen helfen. Aber von vorn: Kerstin Stolzes Geschichte beginnt weit vor ihrer Transplantation. Seit 1987 ist die Wernerin Patientin an der Uniklinik in Münster wegen einer bipolaren Störung, die Krankheit begleitet sie schon seit rund 40 Jahren. Im Laufe der Zeit hat sie gelernt, damit zu leben.
Krebs und Niereninsuffizienz
Allerdings: „Ich musste ganz lange Lithium nehmen“, erklärt Kerstin Stolze. „Das hat die verhältnismäßig seltene Nebenwirkung terminaler Niereninsuffizienz und Schilddrüsenkrebs.“ Beide Krankheiten wurden bei Kerstin Stolze diagnostiziert. Den Krebs hat die Wernerin 2011 überwunden. „Ich bin eine Kämpferin“, sagt sie über sich selbst.
Doch die Niereninsuffizienz hatte weitreichendere Auswirkungen. Sie brauchte eine neue Niere. Rund ein Jahr war die 55-Jährige auf die Dialyse angewiesen. „Man hat einen sehr hohen Leidensdruck“, sagt sie. Und auch die Lebenserwartung gehe bei Dialyse-Patienten deutlich zurück. Deshalb hat Kerstin Stolzes Mutter (74) entschieden, ihr ein Organ zu spenden. Für Freude sorgte das bei Kerstin Stolze im ersten Moment aber nicht, gibt sie zu. „Als sie mir sagte, dass sie mir die Niere spenden wollte, habe ich erst abgelehnt, weil ich Angst um sie hatte“, erzählt die 55-Jährige. „Ich habe gedacht: Wenn ihr etwas passiert, hat sie nur noch die eine Niere, die überbleibt.“

Eine Freundin habe sie dann aber umgestimmt. „Sie hat mir gesagt: Das kannst du deiner Mutter nicht antun, die Niere abzulehnen. Sie möchte dein Leben verlängern“, so Stolze. „Dann habe ich mich dafür entschieden und das ganze Prozedere ging los.“ Der hohe organisatorische Aufwand in den Krankenhäusern habe noch für mehr als ein Jahr Wartezeit gesorgt, bis Kerstin Stolze am 18. Juli 2019 endlich ihre neue Niere transplantiert bekam. „Ein größeres Geschenk kann Ihnen kein Mensch machen“, blickt sie immer noch dankbar zurück. Gerade deshalb hat sie wenig Verständnis dafür, dass es im internationalen Vergleich in Deutschland weniger Organspender gibt. „Wenn man da so betroffen ist, fragt man sich, warum das so ist“, sagt Kerstin Stolze. „Ich wünsche keinem Menschen, dass er an die Dialyse muss.“
„Um die Niere gekämpft“
Doch mit der Organspende ist die Leidensgeschichte von Kerstin Stolze noch nicht vorbei. „Ich muss Medikamente nehmen, damit das Organ nicht abgestoßen wird. Das ist ein Zusammenspiel zwischen unterschiedlichen Wirkungen“, erklärt sie. „Theoretisch kann die Niere aber jederzeit abgehen.“ In den vergangenen fünfeinhalb Jahren, seitdem sie das neue Organ in sich hat, hat Kerstin Stolze deshalb auch schon einige Höhen und Tiefen durchlebt. „Das Schwert der Abstoßung schwingt immer über einem“, sagt sie. „Ich habe super Werte gehabt nach der Transplantation. Dann habe ich aber über anderthalb Jahre Harnwegsinfekte bekommen, das ist ganz gefährlich für die Niere. Da hatte ich dann auch fünf oder sechs Krankenhausaufenthalte und habe jedes Mal um die Niere gekämpft.“
Und weil sie eben nicht die einzige mit einer Leidensgeschichte wie dieser ist, möchte Kerstin Stolze nun anderen Menschen helfen. Sie möchte eine Selbsthilfegruppe für Organtransplantierte gründen. Mit der Gründung einer Gruppe hat die 55-Jährige durchaus schon Erfahrung. Von 2002 bis 2012 hat sie in der Uniklinik in Münster eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit einer bipolaren Störung geleitet, bis 2014 war sie dort noch im Hintergrund tätig.
Erfahrungen nutzen
„Die Erfahrungen, die ich da gesammelt habe, kann ich jetzt nutzen“, so Stolze. „Man kann den Menschen helfen, aber sich selbst auch. Das habe ich auch bei der Gruppe in Münster gemerkt.“ Jeden ersten Montag im Monat möchte sie vorerst die Treffen der Gruppe veranstalten. „Wie es dann weitergeht, wird sich zeigen, wenn sich erstmal eine Gruppe gefunden hat“, sagt Kerstin Stolze. Dazu hat sie sich auch Unterstützung von der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen des Kreises Unna, kurz K.I.S.S., geholt. Einzig einen Raum für die Treffen hat sie bislang noch nicht gefunden.
Wer Teil der Selbsthilfegruppe werden möchte oder einen Raum zur Verfügung stellen kann, kann sich bei der K.I.S.S. – Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen im Gesundheitshaus Lünen, telefonisch unter 02306/100610 oder per Mail an selbsthilfe@kreis-unna.de melden. Die Ansprechpartnerin ist Lisa Nießalla.