Die Diskussion um kulturelle Aneignung hat längst den Karneval erreicht. Und auch abseits der Debatten um Stereotypen und Diskriminierung durch bestimmte Kostüme sorgt so manche jecke Tradition im negativen Sinn für Aufsehen. Eines der jüngsten Beispiele: Die Karnevalisten einer kleinen Gemeinde in Sachsen-Anhalt. Genauer gesagt: Ihr Mottowagen.
Darauf war ein Galgen samt Strick zu sehen, an dem eine Ampel baumelte. Eine klare Anspielung auf die Regierungspolitik - und kein Novum bei den Teutschenthaler Karnevalisten. Denn fünf Jahre zuvor baumelte an dem Galgen noch eine Puppe, die wohl den damaligen Bürgermeister der Gemeinde darstellen sollte.
Überschreiten solche Dinge die Grenzen der Narrenfreiheit? Michael Holtmann, Präsident der Interessengemeinschaft Werner Karneval (IWK), hat dazu eine klare Meinung. Die lautet zusammengefasst: Freiheit bei der Kostümwahl - und Vorsicht bei der Gestaltung des Umzugswagens.
Umzugswagen in Werne dürfen frei gestaltet werden
Mit Blick auf den Fall in Sachsen-Anhalt sagt Holtmann: „Man kann natürlich über die Regierung schimpfen und seine Meinung sagen - aber nicht auf diese Weise. Man darf niemanden erhängen. Da hört der Spaß wirklich auf. So etwas ist in meinen Augen Rufmord und Volksverhetzung.“ Sollte ihm ein solcher Wagen in Werne unter die Augen kommen, würde der IWK-Präsident die Teilnahme am Rosenmontagszug untersagen. Ohne Kompromisse.

Einen solchen Fall habe es in der Lippestadt aber glücklicherweise noch nicht gegeben. Bei der Gestaltung der Umzugswagen an Rosenmontag lässt die IWK den Teilnehmern grundsätzlich freie Hand. Das Motto und die Umsetzung können sie selbst bestimmen. Es gibt lediglich technische Vorgaben - beispielsweise zu Höhe und Geschwindigkeiten der Fahrzeuge - und allgemeine Hinweise zum Verhalten während des Umzugs sowie zum Wurfmaterial.
Bei Kostümwahl gilt in Werne Narrenfreiheit
Und wie steht‘s um die Kostüme? Sind Verkleidungen als Indianer, Scheich oder Chinese schon diskriminierend und gehören verboten? Holtmann hat für solche Debatten nicht viel übrig. „Wenn sich jemand als Indianer verkleidet - egal ob ein Kind oder ein Erwachsener -, dann hat das für mich nichts mit Diskriminierung zu tun. Die Menschen sollten sich an Karneval verkleiden dürfen, wie sie möchten“, so der IWK-Präsident. Schon gar nicht dürfe man jemandem, der sich so verkleidet, automatisch unterstellen, dass er dies tue, um sich über andere Menschen und Kulturen lustig zu machen.
Ein absurdes Beispiel sei diesbezüglich auch die Diskussion um die Verkleidung der Heiligen Drei Könige gewesen. Dass Kinder in der Rolle des Balthasar mit schwarz angemalten Gesichtern von Tür zu Tür zogen, sorgte zuletzt für hitzige Debatten. Ein solches Blackfacing sei rassistisch, hieß es. Holtmann sagt hingegen: „Es ist doch einfach nur Fakt, dass einer der Heiligen Drei Könige dunkle Haut hatte.“ Daher finde er an dem Brauch auch nichts verwerflich.
Einige Bezüge rund um das Thema kulturelle Aneignung und Verkleidung hält der IWK-Chef ohnehin für ziemlich weit hergeholt. Sein Statement fällt dementsprechend deutlich aus: „Dass wir jetzt überhaupt eine Diskussion über Karnevalskostüme führen, finde ich ziemlich lächerlich. Es gibt genügend andere Probleme, über die man sich Sorgen machen kann. Und wer sich über so etwas aufregt, der hat Karneval sowieso nicht verstanden.“

Werner Geschichtsexperte zu Karneval: Warum manche Kostüme verletzend sind
Feiern an Rosenmontag 2024 in Werne: Alle Infos zu verschiedenen Party-Locations
100 Jahre „Hol di fast“ - : Der Werner Karneval begeisterte wieder hunderte Jecken