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Holzwickeder Arzt infiziert sich mit Corona und wird im Netz beschimpft
Corona in Holzwickede
Der Praxisbetrieb eines Holzwickeder Allgemeinmediziners läuft eingeschränkt: Der Arzt hat sich wohl trotz Impfung mit Corona infiziert. Ein Aushang sorgte in der Folge für heftige Reaktionen.
Wie so Vieles lassen sich auch Ärzte im Internet per Google-Rezension bewerten. Neun davon hatte Dr. Dirk Westermann bis vor wenigen Tagen vorzuweisen. Bis auf eine Drei-Sterne-Bewertung heimste er sonst immer fünf von fünf Sternen ein. Mit Stand Sonntagabend (5. September) steht der Arzt nun bei 73 Rezensionen und die Durchschnittsbewertung rauschte auf 1,9 Sterne.
Nicht nur über Google auch in den sozialen Netzwerken wird gegen Dr. Westermann gewettert. Warum? Vorige Woche hatte er einen Aushang an seine Praxistür geklebt, in der er auf die eigene Corona-Infektion hinwies, fürs Impfen warb und am Ende damit schloss, dass eine Entscheidung gegen die Impfung asozial sei.
Ein Wort in einem Aushang sorgt im Internet für einen „Shitstorm“
Vor allem der Ausdruck „asozial“ sorgte für einen sogenannten „Shitstorm“ im Internet, wo viele Kommentare darin mündeten der Arzt sei inkompetent, schiebe seine Infektion auf ungeimpfte Patienten und würde allgemein keine ungeimpften Menschen mehr behandeln wollen.
Auf Anfrage stellt Dr. Westermann zunächst klar: „Ich behandele auch weiterhin ungeimpfte Menschen und habe nie etwas anderes behauptet.“ Was sein Aushang im Netz auslöste, kann er nur bedingt nachvollziehen, „weil ich nicht in den sozialen Medien bin.“ Er habe aber auch E-Mails bekommen, etwa von einem Gynäkologen aus der Schweiz, der ihm die Approbation als Arzt absprach.
Informationen für Patienten an der Praxistür aus der Emotion heraus
Mittlerweile hängt auch ein geänderter Aushang an der Praxis – ohne das Wort „asozial“. Dr. Westermann sagt, dass der erste Aushang durchaus unter emotionalen Eindrücken eines stressigen und für ihn persönlich ärgerlichen Wochenendes entstand: „Ich habe am vorvergangenen Samstag einen Schnelltest gemacht. Der war positiv und hat sich durch einen PCR-Test am Sonntag bestätigt.“ In der Folge informierte er das Gesundheitsamt, sein Team, Patienten – viel Organisationsarbeit war zu leisten.

An der Praxistür von Dirk Westermann hängt mittlerweile eine geänderte Version des ursprünglichen Aushangs. © Greis
„Am Sonntagabend fiel mir ein, dass es noch einen Aushang zur Info braucht. Den habe ich dann unter den Eindrücken des Tages formuliert“, so Dr. Westermann. Schon zuvor hing ein weiterer Zettel an der Tür, der darauf verweist, bei Symptomen zunächst telefonisch Kontakt aufzunehmen und nicht unbedarft in die Praxis zu kommen. „In dem Sinne ist es auch nicht sozial, also durchaus asozial, zu riskieren, dass sich etwa geimpfte Menschen mit geschwächtem Immunsystem dennoch infizieren.“
Arzt hat keine Symptome – ein Argument fürs Impfen
Dass Impfdurchbrüche möglich sind, ist nun kein Geheimnis. „Ich selbst habe keine Symptome und das liegt sicher auch an meiner Impfung“, sagt der Arzt. Wie er sich genau angesteckt hat, ist schwer nachvollziehbar. „Nach der Ferienzeit haben wir in Schutzausrüstung viele positive Tests gehabt. Ob nun von einem Patienten oder durch gesammelte Aerosole in der Luft – das ist schwer nachzuvollziehen.“

Mit anderen Ärzten aus der Gemeinde hat Dr. Dirk Westermann in der Vergangenheit diverse Aktionen im Kampf gegen das Coronavirus unterstützt – sei es bei Impfaktionen in der Gemeinde oder wie hier im Vorjahr bei Corona-Tests für Schulpersonal. © Marcel Drawe
Fakt ist: Niemand sonst im Team wurde in der Folge positiv getestet, alle sind geimpft. Weil sein Vater ebenfalls Arzt ist und hin und wieder in der Praxis aushilft, konnte nach Absprache mit dem Gesundheitsamt zumindest eine Notbetreuung aufrecht erhalten werden. „Ich selbst arbeite aus dem Home Office weiter. Stelle etwa Rezepte aus.“
Sein ursprünglicher Aushang sei nicht dazu da gewesen, ungeimpfte Menschen abzuwerten. „Es geht um die Nicht-Handlung. Den Menschen muss doch bewusst sein, dass das Konsequenzen haben kann, wenn sie ungeimpft und möglicherweise erkrankt einfach in die Praxis kommen und riskieren, dass sie Schwächere anstecken.“ Nach dem kommenden Wochenende enden für ihn zwei Wochen der Quarantäne und dann will Dr. Westermann wieder in den regulären Betrieb wechseln.
Jahrgang 1985, aufgewachsen auf dem Land in Thüringen. Fürs Studium 2007 nach Dortmund gekommen. Schreibt über alles, was in Holzwickede passiert. 17.000 Einwohner mit Dorfcharakter – wie in der alten Heimat. Nicht ganz: Dort würden 17.000 Einwohner locker zur Kreisstadt reichen. Willkommen im Ruhrgebiet.
