Grüne Frontfrau im Kreistag Unna Bei ihrem Herzensthema ist Anke Schneider nicht kompromisslos

Bei ihrem Herzensthema ist Anke Schneider nicht kompromisslos
Lesezeit

Anke Schneider kommt auf dem Fahrrad. Von Kamen nach Unna. Rund 9 Kilometer sind das. Oder eine gute halbe Stunde Fahrzeit. Die neue Fraktionschefin der Grünen im Kreistag hat keinen Pkw-Führerschein. Aus Überzeugung. Ihre (fast) konsequent CO2-freie Mobilität ist symptomatisch für die politische Denkart der 59-Jährigen.

„Mein Herzensthema ist Mobilität“, sagt die gebürtige und überzeugte Kamenerin, die zum 1. Juni den langjährigen Frontmann der Grünen im Kreistag Herbert Goldmann abgelöst hat. Ihr Hauptanliegen war vor der Sommerpause noch politisches Streitthema, als es um das Für und Wider eines Radwegs in Unna ging.

Schneider: „Radwege schaffen Radverkehr“

„Radwege schaffen Radverkehr“, sagt Schneider mit dem Brustton der Überzeugung, wenn man ihr vorhält, dass auch auf den Bedarf geschaut werden müsse. Es baue doch wohl auch niemand eine Autobahn quer durch die dünn besiedelte Mark Brandenburg. „Wenn Sie dort eine Autobahn bauen, fahren auch dort ganz schnell die Autos“, sagt Schneider dazu knapp.

  • Anke Schneider ist ledig und hat keine Kinder. Seit 1987 engagiert sie sich, zunächst parteilos, für Lokalpolitik. 1999 war sie Bürgermeisterkandidatin in Kamen. 2003 trat sie bei den Grünen ein.
  • Seit 2004 sitzt Anke Schneider im Kreistag. Im August wird sie 60. Die Ablösung von Herbert Goldmann, Jahrgang 1954, war kein Generationswechsel. „Es war ein guter Zeitpunkt für den Wechsel“, sagt sie dennoch.
  • Für ihre überalterte Fraktion müssten bis 2025 neue Kandidaten gefunden werden. „Ich möchte den Übergang gestalten.“ Und dann? „Ich weiß noch nicht, ob ich 2025 noch einmal antrete“, verrät Anke Schneider.

Den Streit der letzten Wochen und Monate, als die Grünen Zugeständnisse an Eingriffe in die Natur für den Radweg machen mussten, hat Schneider abgehakt. Ja, räumt sie ein, die Politik erfordere bei aller Haltung Kompromisse – so wie sie ja auch im Privatleben manchmal durchaus in die Situation komme, von Autofahrern kutschiert zu werden.

Anke Schneider schaut nach vorn, auf jene Themen, die die Grünen bis zur Kreistagswahl im Herbst 2025 vorantreiben wollen. „Der neue Nahverkehrsplan muss gut sein“, fordert sie. Um zugleich zu argwöhnen, ob das, was hinter verschlossenen Türen an Konzepten für die VKU derzeit ausbaldowert wird, auch wirklich gut werde. „Ich habe meine Zweifel.“

VKU-Angebot soll besser werden

Anke Schneider gibt zu, dass sie mit Kamen in einer Stadt lebe, die außerordentlich gut an die Nachbarstädte angeschlossen sei. Alle 15 Minuten könne sie nach Unna fahren. „Das ist fast schon großstädtisch.“ Aber was heißt dann „gut“ beim Nahverkehr für ländlichere Kommunen? Dichtere Takte? Mehr Verbindungen auf die Dörfer, mehr ÖPNV-Verkehr an den Wochenenden?

In Schwerte ergänzt ein gläsernes Fahrradparkhaus direkt auf dem neugestalteten Bahnhofsvorplatz die Radstation des Bahnhofes
In Schwerte ergänzt ein gläsernes Fahrradparkhaus direkt auf dem neugestalteten Bahnhofsvorplatz die Radstation des Bahnhofes. Das Projekt hat aus Sicht des Kreises Modellcharakter – ein Projekt nach dem Geschmack der grünen Fraktionsvorsitzenden im Kreistag Unna, Anke Schneider. © Archiv/Bernd Paulitschke

„Ich bin eher für dichtere Takte“, sagt sie. On-demand-Verkehre, also individuelle Fahrten auf Bestellung, hätten sich bei vielen Versuchen in NRW als nicht ideal herausgestellt. Eines sei jedenfalls klar: Die Kreis-Grünen wollten auf ein besseres VKU-Angebot drängen. „Wir sind die Besteller der Musik!“

Der ÖPNV muss also gut sein. Sie wolle zudem aber auch weg von der sogenannten „letzten Meile“, also dem Zubringer-Pkw-Verkehr zum Bahnhof oder zur Bushaltestelle. „Wir müssen dazu motivieren, dass man dieses kleine Stückchen nicht mehr das Auto nimmt“, findet Schneider. Die neuen Radstationen an den Bahnhöfen würden ja auch schon gut angenommen.

Und wie will sie im hügeligen Fröndenberg oder Schwerte die Leute aufs Rad bringen? Auch hier ist der Kompromiss angesichts des „topographischen Problems“, wie sie einräumt, gefragt. „Ich will nicht jeden aufs Fahrrad zwingen.“

Mehrheiten finden für Klimaschutz

Ihr Herzensthema ist nur Teil eines viel größeren Projekts, das die Grünen in den vergangenen Wochen stark umtrieb: das des Klimaschutzes. Da stand die Umweltpartei kürzlich ziemlich allein da, als man mit großer Mehrheit den Neubau eines Besucherzentrums für die Ökologiestation in Bergkamen im Kreistag beschloss – ohne die höchsten Energieffizienzstandards einzufordern, weil es dadurch billiger wurde.

Nicht begeistert waren Anke Schneider und ihre grünen Mitstreiter darüber, dass beim Neubau eines Besucherzentrums für die Ökologiestation Bergkamen-Heil trotz des Klimaschutzkonzepts des Kreises Unna nicht die höchsten Energiestandards beschlossen wurden.
Nicht begeistert waren Anke Schneider und ihre grünen Mitstreiter darüber, dass beim Neubau eines Besucherzentrums für die Ökologiestation Bergkamen-Heil trotz des Klimaschutzkonzepts des Kreises Unna nicht die höchsten Energiestandards beschlossen wurden. © Archiv/Stefan Milk

Anke Schneider ärgert das. Der Klimanotstand sei 2019 auf Initiative der SPD für den Kreis ausgerufen worden. 2021 habe der Kreistag beschlossen, jährlich 500.000 Euro in den Klimaschutz zu investieren. Und 2022 sei schließlich das Klimaschutzkonzept von der Mehrheit verabschiedet worden.

„Das ist Sparen am falschen Ende“, sagt Schneider. Am Ende zahle man bei den Energiekosten für die Gebäude wieder drauf. Und wer soll’s bezahlen, die Kommunen? Da stimmt Schneider in den Chor derer ein, die mehr Geld von Land und Bund für Städte und Gemeinden fordern.

Sie werde jedenfalls nicht nachlassen, Mehrheiten für den Klimaschutz im Kreistag zu gewinnen. Um dann etwas zu sagen, das wie ein Postulat der grünen Bewegung aus ihren ersten Tagen klingt: „Es ist unsere Aufgabe, immer mit dem Finger darauf zu zeigen.“

Augen auf die Ausländerbehörde gerichtet

Und worauf noch? Auf die Ausländerbehörde. Mit der geplanten Umstrukturierung müsse eine Willkommenskultur beim Kreis Unna einziehen. Lange Warteschlagen in der heißen Sonne dürfe es nie wieder geben. „Da müssen wir extrem aufpassen, dass das gut läuft“, kündigt Anke Schneider für die kommenden Monate an.

Und auf noch etwas werde sie mit Argusaugen achten: Auf Initiative der Grünen war eine Offenlegung der Aufwandsentschädigungen der Mitglieder von Aufsichtsgremien der kreiseigenen Gesellschaften beschlossen worden. „Ich bin gespannt, was der Kreis daraus macht“, mutmaßt die selbstständige Grafikdesignerin. Überhaupt nichts sagen könne sie dazu, wie die Mitglieder des Kreistages künftig mit den Abrechnungen ihrer Verdienstausfälle umzugehen haben. Nach der Abrechnungsaffäre hatte der Kreis eine Anwaltskanzlei mit einer Begutachtung beauftragt. „Dieser Handlungsleitfaden ist der Politik noch nicht vorgestellt werden“, beteuert Schneider. Klar sei eines: „So etwas darf nicht mehr passieren.“