
© Andrea Wellerdiek
Ein Blick hinter die Kulissen von „Shrek“ zeigt, wie professionell die Amateure arbeiten
Freilichtbühne
„Shrek – Das Musical“ ist ein besonderes Stück für die Freilichtbühne. Noch nie mussten sich die Beteiligten an so viele Regeln halten. Was das bedeutet, zeigt ein Blick hinter die Kulissen.
Die Freilichtbühne ist eine Familienbühne. Mutter, Vater und Kinder spielen hier nicht selten gemeinsam in einem Theaterstück mit. Die jüngsten Darsteller werden von der Mutter einfach auf den Arm genommen und spielen ein Kind der Magd, schnuppern schon früh erste Theaterluft. Dass sie in einigen Jahren hier selbst auf der Bühne stehen, vielleicht sogar eine Hauptrolle einnehmen, ist nicht unwahrscheinlich.
Strikte Regeln und Absprachen sind nötig
Schon früh lernen sie hier Disziplin und Teamarbeit. Denn kein Theaterstück könnte funktionieren, wenn sich nicht alle Beteiligten an die Regeln und Absprachen halten würden. Das gilt vor allem für das aktuelle Stück „Shrek – Das Musical“, das die Freilichtbühne noch bis zum 18. August zeigt. Kein anderes Stück zuvor war so streng geregelt wie „Shrek“. So will es der Urheber des Animationsfilms „Dreamworks Film“. Auf dessen Grundlage ist das Theaterstück konzipiert.
Ob Kostüme, Make-up, Musik, Geräusche oder Kulisse – es gibt in allen Bereichen klare Vorgaben. „In diesem Maße hatten wir das noch nicht. Es ist einfach eine andere Vorgehensweise, es ist nicht komplizierter. Aber jedes Stück hat auch seine eigene Herausforderung“, sagt Sabine Ibrahim, eine der beiden Regisseurinnen von Shrek.

Schon die Jüngsten sind bei dem Stück „Shrek“ dabei. © Andrea Wellerdiek
Platz für Improvisation bleibt aber. Das ist auch gut so. Denn wenn es doch einmal hakt bei einem Text, soll die Szene problemlos weiterlaufen. Das gelingt vor allem, wenn die Protagonisten eingespielt sind. „Das klappt bei uns sehr gut“, sagt Heiko Steinweg über seinen Partner Thormen Erhardt, der den Esel spielt. „Wir können uns aufeinander verlassen.“
Etwa 100 Personen wirken mit
Der Zusammenhalt ist auch beim Blick hinter die Kulissen spürbar. Schon viele Aufgaben müssen erledigt werden, bevor der erste Vorhang fällt. Am Tag der Aufführung treffen sich alle Beteiligten um 10 Uhr an der Freilichtbühne. Dann wird aufgeräumt und aufgebaut. Die Verantwortlichen des Fördervereins sorgen für Getränke und das Essen für die Zuschauer. Sie bereiten die Buden für den Besucheransturm in der Spielpause vor.
Andere säubern die Sitzbänke auf der Tribüne, andere sperren den Parkplatz ab. Jeder hier kennt seine Aufgabe. Etwa 100 Personen wirken insgesamt mit. Die 63 Darsteller, die bei „Shrek – Das Musical“ auf der Bühne stehen werden, bereiten sich derweil auf ihren Auftritt vor. Nach einem gemeinsamen Mittagessen gehen die einen noch einmal ihren Text durch, während die ganz kleinen Schauspieler in ihrer Spielecke gar keine Anspannung zeigen. Einige sind schon in ihre Kostüme geschlüpft. Ina Bispinghoff hat fast alle der Kostüme selbst genäht.
Kostüme sind nahezu perfekt
Dabei musste sich die Heilpädagogin streng an die Vorgaben des Urhebers halten. Nachdem ein Kostüm fertiggestellt wurde, schickte sie es an die Verantwortlichen. „Es kam ein Lob zurück. Die Kostüme seien nahezu perfekt – fast zu perfekt. Sie seien sehr nah am Original dran haben sie gesagt“, erzählt Bispinghoff. Am schwierigsten sei es gewesen, das passende Material zu finden. Auf Märkten und im Internet wurde die Hobbyschneiderin fündig.
Seit Herbst ist sie dabei, die Kostüme zu nähen. Messen, Anprobe und Abändern gehören genauso zu ihren Aufgaben. Sie kam durch ihre achtjährige Tochter, die in der dritten Saison als Darstellerin mitwirkt, zur Freilichtbühne. Erst fing es mit kleinen Abänderungen an, bis schließlich mehr daraus wurde. „Wenn ich alle auf der Bühne in den Kostümen sehe, dann freue ich mich sehr“, sagt Ina Bispinghoff, die nun viel Freizeit in das Nähen der Kostüme steckt.
Die ganze Familie ist dabei
Ob Oger, Drache, Prinzessin Fiona oder Hexe: „Jeder Darsteller ist für seine eigenen Requisiten zuständig“, erklärt Maximilian Falkenberg, der schon seit 13 Jahren hier tätig ist und sich nun um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert. Auch er hat seine Mutter zur Freilichtbühne gebracht. Sie verkauft Waffeln in der Spielpause. Alle Einnahmen, die der Förderverein durch den Verkauf macht, fließen in die Arbeit der Freilichtbühne. Eine Geschichte, die viele hier erzählten könnten.
Auch Heiko Steinweg ist durch seine Tochter Hannah zur Freilichtbühne Werne gekommen. „Sie hatte den Impuls vor acht Jahren“, sagt der Familienvater. Ein Jahr nachdem seine Tochter in dem Stück „Die kleine Hexe“ mitwirkte, hat es auch Heiko Steinweg gepackt. Im Stück „Das Dschungelbuch“ verkörperte er einen Affen. Mittlerweile sind auch die jüngere Tochter Ella als Darstellerin und seine Ehefrau als Hilfe an der Verpflegungsstation mit dabei. Heiko Steinweg nahm immer größere Rollen ein. Mit dem Oger „Shrek“ ist der 48-Jährige erstmals in die Hauptrolle geschlüpft.
35 Minuten dauert die Verwandlung
Dafür ist heute ganz viel Farbe nötig. Und Geduld. Etwa 35 Minuten dauert die Verwandlung. Heiko Steinweg lässt sich abseits der anderen Darsteller von Marvin Müller schminken. „Ich merke, dass es mir guttut, vorher etwas Ruhe zu haben“, sagt er. Die würde er im Schminkzimmer nicht bekommen.
Da sei zu viel los, sagt er. Was er damit meint, zeigt sich beim Besuch des Zimmers. Kurz vor der Aufführung herrscht hier kreatives Chaos. Vier Prinzessinnen sitzen vor dem Spiegel. Bei der einen rutscht die Perücke mit den roten Haaren noch etwas, die andere wird geschminkt, während die größte Prinzessin Fiona in sich gekehrt ist und sich auf ihre Rolle konzentriert.
Hinter den Prinzessinnen stehen mehrere Mädchen, die schon geschminkt sind und in ihren Kostümen stecken, um eine kleine Hexe herum. Alle zupfen an ihren Haaren bis wenig später ganz viele Locken auf ihrem Kopf zu sehen sind.

Wuselig: Im Schminkzimmer ist vor der Aufführung viel los. © Andrea Wellerdiek
Dann stimmt ein Darsteller ein Lied an, immer mehr Mädchen und Jungen singen mit. Alle stellen sich prompt in einem Kreis auf, üben ihre Choreografie zwischen Stühlen, auf denen ihre Alltagskleidung liegt und Kleiderständern, auf denen Kostüme für die Bühne hängen. Die Zeit drängt. Noch ein Make-up-Tupfer hier, noch ein Blick in den Spiegel da und dann gehen alle raus aus dem Zimmer, nach unten zum gewohnten Treffpunkt hinter der Bühne.
Das Lampenfieber ist jetzt spürbar. Lampenfieber ist wichtig, „das schärft die Sinne“, sagen sie hier. Die Regisseurinnen geben nun letzte Anweisungen und verraten, ob alle der 1200 Plätze auf der Zuschauertribüne belegt sind. Am Ende heißt es: „Gut spiel!“ Dann nehmen alle Darsteller ihre Position ein. Dann kann der Vorhang fallen.

Volle Konzentration: Heiko Steinweg kurz vor dem Beginn des Theaterstückes. © Andrea Wellerdiek
Konzentriert steht Heiko Steinweg als Shrek auf seiner Position. Er blickt zu Boden, geht noch einmal in sich. „Ich möchte mich ganz auf meine Rolle konzentrieren und mich in keiner Szene zurücklehnen“, hat er zuvor noch gesagt. Sein hoher Anspruch bringt die nötige Anspannung, bevor er als grüner Oger Shrek auf die Bühne springt. Dann ist er in seinem Element.
Der Werner macht seit 30 Jahren Musik. Angefangen in der Schulband, nahm er später Gesangsunterricht und wirkte sechs Jahre lang in einer Partyband mit. Er bringt viel Routine mit, hat keine Probleme vor Menschen zu sprechen oder zu singen. „Es ist ganz interessant, dass ich mich dabei beobachten kann. Ich bin auf der Bühne total im Flow und kann richtig eintauchen in die Rolle. Ich bekomme Gänsehaut in manchen Situationen oder spüre Wut, wenn ich mit dem Esel streite“, beschreibt Heiko Steinweg.

Scherze hinter der Bühne: Thormen Erhardt (l.) und Heiko Steinweg. © Andrea Wellerdiek
Die Zuschauer klatschen, als es in die Pause geht. Heiko Steinweg genießt es. Und die vielen strahlenden Kinderaugen. „Die Reaktionen des Publikums sind das Schönste. Die Interaktion mit dem Publikum macht es zu etwas Besonderem“, sagt Heiko Steinweg, der im echten Leben Technologieberater bei einem Dienstleistungsunternehmen ist.

Eine Pause muss auch mal sein. © Andrea Wellerdiek
Während der knapp zweistündigen Vorstellung passiert einiges hinter den Kulissen. Da zieht sich ein Oger noch schnell um und wird zum Ritter, da flitzen viele Kinder umher, die auf ihren Einsatz warten und da schaut Prinzessin Fiona noch einmal schnell in ihren Text, bevor ihre nächste Szene ansteht. Jede Aufgabe auf und hinter der Bühne sitzt. Alles muss auf die Minute genau stimmen.
Im Dezember mit Proben begonnen
Keine Zeit verlieren dürfen die Darsteller etwa, wenn die Mikrofone zwischen zwei Szenen hinter den Kulissen getauscht werden müssen. Bis alles so perfekt sitzt wie an diesem Nachmittag haben alle Beteiligten viel geübt. Im Herbst haben sie angefangen mit den ersten Lese-, Sprech- und Gesangsproben erzählt Regisseurin Sabine Ibrahim.
Im Dezember begannen die Proben, Ende Februar ging es dann erstmals auf die Freilichtbühne. Insgesamt 60 Außenproben zählt die Regisseurin vor der Premiere zusammen. Für die Darsteller, von denen der älteste 73 Jahre alt ist, ist das Theaterspielen ein schönes Hobby für die ganze Familie. Wie professionell das Amateurtheater aber schon arbeitet, hat ein Blick hinter die Kulissen gezeigt.