Auf den ersten Blick wirkt das, was sich im Oktober 2021 in Werne abspielte, wie der klassische Internet-Betrug. Ein eBay-Kleinanzeigen-Kunde erhielt den Zuschlag für zwei See-Container, überwies 2700 Euro und hätte das Geld ebenso gut aus dem Fenster werfen können. Denn der vermeintliche Händler hatte gar nicht vor, seinen Part des Geschäfts zu erfüllen.
Besagte 2700 Euro landeten auf dem Konto der jungen Frau, die damals noch in Werne wohnhaft war. Das Opfer erstattete Strafanzeige, die Spur führte zu der 27-Jährigen und damit geriet sie in den Verdacht, diejenige gewesen zu sein, die in der Hoffnung auf das schnell verdiente Geld den betrügerischen Online-Deal abwickelte.
Jetzt musste sich die Frau, die noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, im Amtsgericht Lünen verantworten - und schilderte dort ihre Version der Geschichte. Demnach lernte sie zur fraglichen Zeit einen Mann in einem Duisburger Café kennen und freundete sich mit ihm an. Der neue Bekannte erzählte ihr, dass er sein Portemonnaie verloren habe und dass ihm sein Cousin Geld überweisen wolle. Er bat sie um Hilfe und sie eröffnete eigens für ihn ein Konto, auf das im Prinzip nur er Zugriff gehabt hatte.
Auf das eingegangene Geld, wo es herkam und wofür es bestimmt war - darauf habe sie auf den Auszügen nicht geachtet. Und persönlich angenommen, also abgehoben, habe sie es auch nicht. Die EC-Karte habe er gehabt. „Das war halt alles sehr kurzfristig“, betonte sie und gab an, dass sie über den Mann nicht viel sagen könne. „Dann hat er den Kontakt zu mir abgebrochen. Weiter weiß ich nicht.“ Sie habe das Konto gesperrt. Und: „Ich kam mir auch verarscht vor.“ Zumal sie von dem eBay-Kleinanzeigen-Account noch nicht einmal geahnt habe. Tatsächlich gab der Geschädigte später bei der Polizei an, dass er mit einem Mann telefoniert habe.
„Der große Unbekannte hat Sie ganz schön in Schwierigkeiten gebracht“, kommentierte die Richterin und der Verteidiger der 27-Jährigen sah das ganz ähnlich. Er attestierte der Angeklagten Naivität und war überzeugt: „Da hat sie einer reingelegt.“ Und auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte erhebliche Zweifel an der Täterschaft der Wernerin. Zumal es der nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie den Verkaufsaccount eröffnete, die angegebene Telefonnummer auf den Namen einer gar nicht existierenden Person angemeldet war und das Foto auch nicht passte.
„Da hat Sie einer ganz schön an der Nase herumgeführt, wenn das stimmt, was Sie uns hier sagen“, fasste es die Richterin abschließend zusammen und verfuhr nach dem alten Grundsatz „in dubio pro reo“ - im Zweifel für den Angeklagten. Die Konsequenz: Das Verfahren endete in diesem Fall mit einem Freispruch.