
© Martin Krehl
Coaching für Hausfrauen und Mamas: Das „Ich bin ja nichts“ muss aus dem Kopf
Junge Familien in Unna
Drei prächtige Jungs, ein Eigenheim mit Garten, ein unausgebildeter junger Hund und der Sekretariats-Job – für Katharina Graff aus Unna war das immer noch nicht genug. Sie coacht jetzt andere Mamas.
Männer sind nicht ihre Zielgruppe. „Ich fokussiere mich auf die Frauen“, sagt Katharina Graff. Männer können auch Haushalt und kriegen auch die Kinder groß, aber das sind immer noch weiße Raben. Man hört von ihnen . . .
„Es macht mich so traurig zu sehen, wie groß die Leidensbereitschaft bei den Frauen ist.“ Wenn man der studierten Wirtschaftsingenieurin so zuhört, ist es aber ganz einfach, aus der Überforderungsfalle rauszukommen. Oder gar nicht erst rein.
Die 42-Jährige weiß wie. Ganz sicher spielt auch ihr eigener Lebenslauf eine Rolle, für Katharina Graff und ihren Mann Stéphane war es von Anfang an klar, dass sie zuhause bleibt und allenfalls später mal die Marmelade auf die Brötchen dazu verdient.
Dieser Lebensentwurf ist mit riesengroßem Abstand der am meisten gelebte in deutschen Familien. Immer noch. Wenn das auf Augenhöhe ausverhandelt ist, ist das ja auch kein schlechter Entwurf.

Die ersten Gespräche mit ratsuchenden Müttern können coronabedingt gerade im Freien stattfinden. Meistens geht Katharina Graff mit der Kundschaft in Videokonferenzen. © Martin Krehl
Alltagsschätze
- Ideen für einen strukturierten Familienalltag mit Katharina Graffs „Alltagsschätzen“ bekommt frau auf der Instagramseite @Katharina_Graff_. Mails gehen an katharina.graff@gmail.com.
- Ein Coaching geht über zwölf Wochen, angestrebt ist nach der Beratung immer die Arbeit in Gruppen.
Drei Jungen hat sie inzwischen aus dem Allergröbsten raus, dafür hat die Umwelttechnikerin aus ihrem Allround-Studium zwar zum Beispiel schnelles Reagieren, Orientieren, Flexibilität gewinnbringend angewandt.
Aber nicht geldbringend. Ihre eigene berufliche Karriere hat sie geopfert für die Familie, den Haushalt, den Vorsitz im Kita-Vorstand, für die Spül- und Waschmaschine.
„Ich bin auch wichtig“ – Sinnspruch für gestresste Mamas
Als der letzte Graff-Spross in die Schule kam, war die Zeit aus der Kita-Leitungsarbeit über. Seit drei Jahren macht sie in einem Vermessungsbüro mit 14 Beschäftigten das Büro, endlich aushäusige Anerkennung für ihre Leistung, auch in Euro und Cent. Vor Kurzem kam ein Mischlingswelpe aus Rumänien dazu.
„Ich muss immer für fünf denken“, sagt Katharina Graff und definiert das richtig: Das genau ist ihre Arbeit, die ist ebenso wertvoll wie wichtig, das ist gerade ihre Aufgabe, das gilt es professionell zu koordinieren. „Ja, aber so, dass ich nicht auf der Strecke bleibe“, formuliert die Beraterin einen Sinnspruch zum Ins-Kissen-sticken: „Ich bin auch wichtig“. Mancher gestressten Mama muss sie genau das beibringen.

Auch nach dem Coaching bei Katharina Graff gibt es keine Urkunde – es gibt eben keine geprüften Hausfrau-Mama-Ehefrau-Zertifikate. © Martin Krehl
Perfekt gibt es für Katharina Graff als Zustand nicht. Außenwirkung ist die am ersten zu vernachlässigende Maßeinheit im Leben einer Familienmanagerin. Stattdessen muss Verantwortung geteilt werden. „Die blöden Standardaufgaben und -arbeiten muss immer mal jemand anderes machen“, sagt sie.
Ohne Hilfe im Haushalt geht es nicht
Ihre Jungs müssen alle mal den Müll rausbringen, mit dem Hund raus, fegen, staubsaugen, im Garten helfen. Der Kleinste macht sich mit neun Jahren seinen Beuteltee selbst, ohne sich die Finger zu verbrühen, Äpfel stückeln geht ohne blutende Wunden. Sie haben es gern gelernt. „Es macht sie selbstbewusst.“ Aha.
Eine wichtige Unterrichtseinheit in Katharina Graffs zwölfwöchigem Coaching-Programm „Mehr Zeit für dich“ ist „Um Hilfe bitten“. Das kann frau lernen und erfahren, dass alle um sie herum verstehen, dass es ohne Hilfe eben nicht geht. Dann erst wird es zur Selbstverständlichkeit.
Seelsorge, Zuhören, Tricks und Tipps
Das Spinnennetz der Ressourcen, das Katharina Graff als Visualisierung entwickelt hat, wird erarbeitet – wo gibt es Spannung, wo reißt bald etwas, wo muss verstärkt oder locker gelassen werden? Ganz viel Seelsorge ist in den Coaching-Einheiten inbegriffen, viel Zuhören. Dazu Tricks und Tipps (feste Routinen!), Ideen (Zonenputzen!) – „ein bunter Strauß“.
Im Gegensatz zu gedruckten Ratgebern oder Videos ist Katharina Graff nah bei der Umsetzung dabei, (fast) immer erreichbar. Sie erkennt sofort, was nicht passt. „Ich coache in Gruppen, da hilft frau sich untereinander, die Frauen bleiben dann oft zusammen.“ Sie haben erlebt, dass sie nicht alleine sind mit ihrer Situation.
„Und dieses Ich-bin-ja-nichts muss sofort aus dem Kopf.“ Jeder in der Familie hat denselben Stellenwert. Auf die Frage „Was machen Sie beruflich?“ würden Katharina Graffs gecoachte Frauen nie sagen – „nichts“.
Jahrgang 1959, arbeitet nach langen Redakteurs-Jahren in der Region Südwestfalen wieder wie vor 40 Jahren als freier Mitarbeiter. „Alles außer Sport“ ist seine Devise; am liebsten schreibt er Portraits und mag im Lokalen besonders die Kultur.
