Bürger-Genossenschaft Grüne Energie für die Region an Lippe und Seseke

Von Michael Dörlemann
Bürger-Genossenschaft: Grüne Energie für Region an Lippe und Seseke
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Wenn demnächst in Bergkamen, Kamen, Werne oder Bönen eine neue, große Photovoltaikanlege gebaut wird, könnte die „Bürger-Energie-Genossenschaft Region Lippe-Seseke“ (kurz LiSe eG) die Bauherrin sein. Die Genossenschaft hat sich in dieser Woche in der Ökostation in Heil gegründet und hat auch gleich ihren Aufsichtsrat und ihren Vorstand bestimmt.

„Wir wollen Energie aus regenerativen Energiequellen wie Sonne und Wind erzeugen und die Wertschöpfung in der Region behalten“, sagt der neue Vorsitzende der Genossenschaft, der Bergkamener Normann Kirschberg. Das bedeutet: Die Genossenschaft möchte nicht nur grüne Energie erzeugen. Sie will auch, dass die Aufträge für den Bau von Energieanlagen an Unternehmen aus der Region vergeben werden – und dass die Bürgerinnen und Bürger aus der Region von möglichen Gewinnen profitieren.

Die Gründung der Energiegenossenschaft ist vom Aktionskreis Wohnen und Leben aus Bergkamen und der „Bürgerinitiative Industriegebiet Nordlippestrasse“ (BIN) aus Werne unterstützt worden. Weitere Mitglieder des Gründungsteams kommen aus Kamen und Bönen. Aus diesen vier Kommunen kommen auch die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstands der Energiegenossenschaft.

Der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Semmelmann und sein Stellvertreter Peter Hensel sind aus Bergkamen. Weitere Mitglieder sind Birgit Kühmichel (Werne), Dirk Lampersbach (Bönen), Tobias Molzahn (Bönen), Jochen Nadolski-Voigt (Kamen) und Konrad Seiler (Werne). Stellvertreter des Vorsitzenden Normann Kirschberg sind Oliver Wendenkampf aus Kamen und Hakke Sancataroglu aus Bönen.

Photovoltaikanlage auf dem Dach der Schraubenfabrik Bulten in Rünthe.
Auf dem Dach der Schraubenfabrik Bulten in Rünthe gibt es schon eine große PV-Anlage. Die Genossenschaft sucht ähnliche Flächen für ihre Photovoltaikanlagen. © Stefan Milk (Archiv)

Startprojekt der neuen Genossenschaft soll eine große Photovoltaikanlage (PV-Anlage) sein. „Die Anlage soll etwa 65 kWp haben“, sagt Kirschberg. Das heißt: Sie würde eine Leistung von 52.000 Kilowattstunden Strom erzeugen. Wo die Anlage geplant ist, will die Genossenschaft jetzt noch nicht sagen. Fest steht nur, dass sie nicht in Bergkamen entsteht. „Obwohl uns das am liebsten gewesen wäre, weil wir auch unseren Sitz in Bergkamen haben“, meint der Vorsitzende. Infrage kommen dafür nicht nur Standorte in den drei anderen beteiligten Kommunen, sondern auch in der Nachbarschaft. „Auch Lünen gehört beispielweise noch zur Region“, sagt Kirschberg.

Langfristig auch Windräder geplant

Langfristig will sich die Genossenschaft auch mit der Erzeugung von Energie auf der Halde Großes Holz in Bergkamen beschäftigen – vor allem seit die Stadtverwaltung und die Mehrheit der Ratsfraktionen ihren Widerstand gegen Energieerzeugung auf der Halde aufgegeben haben. Die LiSe Eg werde sich mit dem Regionalverband Ruhr (RVR), dem Eigentümer der Halde, in Verbindung setzen, kündigte Kirschberg an.

Laut einer Studie, die der RVR in Auftrag gegeben hat, ist auf der Halde unter anderem Platz für drei Windräder. Langfristig will die Genossenschaft auch Strom aus Windkraft erzeugen. „Aber das Genehmigungsverfahren und der Bau von Windrädern dauert vier bis fünf Jahre“, meint Kirschberg. „Deshalb wollen wir uns erst einmal auf PV-Anlagen konzentrieren.“

Windrad auf der Halde Hoppenbruch in Herten.
Auf der Halde Hoppenbruch in Herten gibt es bereits ein Windrad. Ähnliche Anlagen sind auch in Bergkamen denkbar, wenn auch nicht auf der zur Aussichtsplattform gestalteten haldenspitze. © RVR 2021

Er schätzt, dass es der LiSe eG gelingen könnte, etwa 80 Prozent des gesamten Strombedarfs in den beteiligten Kommunen mit Photovoltaikanlagen zu decken. Die Genossenschaft will demnächst an die Kommunen und an größerer Unternehmen herantreten und anfragen, ob sie bereit sind, größere Dachflächen für solche Anlagen zur Verfügung zu stellen. Dächer von Eigenheimen sind zu klein. „Da rate ich jedem über eine eigene PV-Anlage nachzudenken“, meint Kirschberg.

Er geht davon aus, dass die Genossenschaft den Strom wesentlich günstiger erzeugen kann, als die etwa 52 Cent pro Kilowattstunde, die Verbraucher zurzeit bezahlen. Da die Energiequelle selbst kostenlos zur Verfügung steht, würden die Kosten pro Kilowattstunde etwa bei neun bis elf Cent liegen, schätzt er.

Jeder kann Anteile an der Genossenschaft kaufen

Sobald die Genossenschaft eingetragen ist, kann übrigens jede Bürgerin und jeder Bürger Mitglied werden, wenn er einen Anteil kauft. Mit dem Geld werden die Projekte finanziert. „Die Anteile sollen so günstig sein, dass sie praktisch für jeden erschwinglich sind“, sagt der Vorsitzende. Wenn die Genossenschaft eines Tages Gewinne macht, werden sie zum Teil an die Mitglieder ausgeschüttet.

Trotz ihrer Ambitionen, selbst Strom zu erzeugen und zu verkaufen, sieht sich die LiSe eG nicht als Konkurrenz zu den Gemeinschaftsstadtwerken (GSW) Kamen-Bönen-Bergkamen. „Wir setzen auf eine Kooperation“, sagt Kirschberg. Für die GSW sei es kaum zu leisten, selbst PV-Anlagen und Windräder zu bauen.

Die Initiative zur Gründung der Energiegenossenschaft ging ursprünglich vom kürzlich verstorbenen Vorsitzenden des Aktionskreises, Karlheinz „Charly“ Röcher aus. Röcher wirkte unter anderem schon bei der Energiegenossenschaft in Harsewinkel mit und sammelte dort Erfahrungen. Von dort soll die neue Genossenschaft jetzt auch Unterstützung bekommen.

Wer mehr über die Genossenschaft und eine mögliche Beteiligung erfahren will, kann sich per Mail an Normann Kirschberg unter annoki@t-online.de oder Thomas Semmelmann unter thomas.semelmann@online.de wenden.