Debatte um AfD in Werner Politik Von „Auf die Bühne holen“ bis „Reif für ein Verbot“

Debatte um AfD: Von „Auf die Bühne holen“ bis „Reif für ein Verbot“
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Nach Bekanntwerden des Geheimtreffens mit Neonazis, bei dem es um die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland ging, ist der Ruf nach einem Verbotsverfahren gegen die AfD noch lauter geworden. Ebenso steht zur Debatte, rechtsextremen Politikern wie Björn Höcke nach Grundgesetz-Artikel 18 die Grundrechte zu entziehen und damit die Wählbarkeit abzuerkennen. In beiden Fällen wird kontrovers diskutiert.

Wir haben alle im Werner Rat vertretenen Parteien gefragt, wie sie dazu stehen. Und ihnen darüber hinaus die Fragen gestellt: Was kann die Stadtgesellschaft vor Ort tun? Was tun Sie persönlich?

Die SPD

Für die SPD antworten Fraktionsvorsitzender Lars Hübchen und Ortsvereinsvorsitzender Sven Linnemann gemeinsam. Bezüglich des Partei-Verbots sind sie der Meinung, dass, wenn die zuständigen Bundesministerien zu der Auffassung kämen, ein Verbotsverfahren könnte erfolgreich sein, es auch angestoßen werden sollte. „Unabhängig davon ist es an allen demokratischen Parteien und jedem mündigen Bürger, sich gegen menschenverachtende und verfassungsfeindliche Strömungen zur Wehr zu setzen“, so Hübchen und Linnemann.

Auch im Fall des „Faschisten Björn Höcke“ sei es Aufgabe des Rechtsstaates, ihm einzelne Grundrechte zu entziehen. Die SPD Werne begrüßt die Petition ´Wehrhafte Demokratie: Höcke stoppen!´. „Dass dort aktuell schon 1,24 Millionen Menschen unterschrieben haben, zeigt, dass ein großer Teil der Bevölkerung bereit ist, aktiv die Demokratie zu schützen und zu bewahren.“ Darüber hinaus würde die SPD Werne einen ebensolchen Antrag vonseiten der Bundesregierung und des Bundestags an das Bundesverfassungsgericht befürworten.

Als „abscheuliche Ideen gewisser Personen der AfD und AfD-naher Personen“ bezeichnen die SPDler das, was das Recherchenetzwerk Correctiv aufgedeckt hat. „Diesen Ideen muss man sich mit aller Kraft entgegenstellen und die Demokratie schützen. Dazu sind wir alle aufgerufen, wann immer solche Ideen in privatem oder öffentlichem Raum geäußert werden, muss man sich gegen diese wehren.“

Die CDU

Stadtverbandsvorsitzender Martin Cyperski beantwortet die Fragen für die Werner CDU. Für ein AfD-Verbotsverfahren müsse festgestellt werden, „was man noch braucht, um eine derartige Partei zu verbieten“, sagt er. Bezüglich Björn Höcke antwortet Cyperski: „Die Einschränkung von Grundrechten nach Art. 18 GG an einem ‚Deutschen‘ Staatsbürger wie Björn Höcke, sind ebenfalls eine große Hürde in Deutschland. Solchen Personen sollte man daher das nehmen, worauf sie stolz sind: Das Recht, Deutscher zu sein“, schlägt er vor.

Martin Cyperski, Vorsitzender des CDU-Stadtverbands.
Martin Cyperski, Vorsitzender des CDU-Stadtverbands. © CDU Werne

Bezüglich der eigenen Aktivität sagt er, dass die CDU sehr genau beobachte, was in Deutschland passiert. „Die heimischen demokratischen Kräfte hier vor Ort sollten zusammenhalten und gemeinsam dagegen arbeiten“, sagt er. „Zum Glück gibt es bei uns keinen AfD-Stadtverband in Werne. Ich persönlich versuche mich für meine Heimatstadt und die Partei im demokratischen Sinne einzusetzen und die Menschen davon zu überzeugen, dass die CDU eine wählbare Partei ist.“

Die FDP

„Ich würde ein Verbotsverfahren ablehnen“, äußert sich FDP-Ortsvorsitzender Artur Reichert. Er wünsche sich zwar eine politische Landschaft ohne die AfD. Aber: „Das Risiko, dieses Verfahren zu verlieren, ist zu groß. Im Falle einer gerichtlichen Niederlage würde die AfD nur noch stärker.“ In liberaler Überzeugung sei er ohnehin gegen Verbote. „Vielmehr sollten wir mit Überzeugungsarbeit und guter Politik die potenziellen AfD-Wähler versuchen, zurückzugewinnen.“

Zu Björn Höcke sagt er: „Jemandem, der nicht gegen das Gesetz oder Grundgesetz verstoßen hat, seine Grundrechte zu entziehen, halte ich für sehr bedenklich. Das wäre ein Präzedenzfall, unliebsame Leute loszuwerden. Da würde ich mich klar dagegen aussprechen.“

Artur Reichert, FDP.
Artur Reichert, FDP-Vorsitzender in Werne © Jörg Heckenkamp

„Wir müssen an der Basis Überzeugungsarbeit gegen Rechts machen“, führt Reichert weiter aus. „Immer wieder auf Parallelen der jüngeren deutschen Geschichte im Weimarer Reich und die Folgen hinweisen. Anscheinend ist das zu sehr in Vergessenheit geraten. Und wir sollten uns nicht scheuen, die öffentlichen Diskussionen mit AfD-Politikern zu führen. Sie müssen raus aus ihrer Zuhörerrolle und auf die Bühne mit ihren Meinungen. Ich persönlich versuche, die oben genannten Dinge bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit zu vermitteln.“

Bündnis 90/Die Grünen

Dr. Eberhard Stroben, stellvertretender Fraktionssprecher der Grünen in Werne, sieht ein Verbotsverfahren ebenfalls kritisch. „Wir wollen die AfD mit politischen Mitteln bekämpfen“, sagt er. „Also Aufklärung betreiben und Argumente finden. Aufklären, dass es nicht demokratisch ist, dass bestimmte Menschen weniger wert sein sollen als andere. Denn auch wenn das Verfahren durchgeht, könnte es nach hinten losgehen.“

Bezüglich Höcke müsse juristisch gehandelt werden und nicht durch Verbote. „Das ist nun mal eine Nazi-Partei, und das sollten auch alle wissen, die sie wählen“, so Stroben. „Aber ich glaube nicht, dass das das ist, was die Menschen wirklich wollen. Sondern sie wollen ‚denen da oben‘ eins auswischen, und deswegen müssen wir aufklären: Was ihr da vorhabt, ist nicht demokratisch. Denn es werden ja Menschen ausgegrenzt.“ Um selbst aktiv zu werden, hält er es für sinnvoll, auf eine der Demonstrationen zu gehen.

UWW

„Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass Sachargumente in der politischen Debatte immer erste Wahl sein sollten“, sagt Dr. Thomas Gremme, Fraktionsvorsitzender der Unabhängigen Wählergemeinschaft Werne (UWW). „Hieran hält sich aber die AfD oftmals nicht. Ihr eine öffentliche Plattform zur Verbreitung von Parolen zu bieten, ist daher gefährlich. Ein Verbotsverfahren hat aber nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn es ausreichende Beweise dafür gibt, dass die Partei gegen das Grundgesetz verstößt. Daher sollte eine Überprüfung der Beweislage durch die Gerichte unserer Ansicht nach angestrebt werden.“

Thomas Gremme, Vorsitzender der Fraktion Unabhängige Wählergemeinschaft Werne.
Thomas Gremme, Vorsitzender der Fraktion Unabhängige Wählergemeinschaft Werne. © Thomas Gremme

Bezüglich Björn Höcke merkt Gremme an, dass es aktuell ja primär darum gehe, zu verhindern, dass sich Björn Höcke zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen lassen kann. Um zu verhindern, dass ein rechtsextremer Politiker über ein Amt, das mit solcher Macht verbunden ist, verfügt, sollte man alles tun, um „unsere Demokratie schützen“. Als UWW vertrete man schon über viele Jahre eine Politik, die Antisemitismus und Rechtsradikalität auf das Schärfste verurteile. Dabei sei man gemeinsam mit anderen demokratischen Parteien am stärksten.

Die Linke

Katja Wohlgemuth, Vorständin der Linken-Fraktion im Kreis Unna, antwortet für die Linke. Sie schätzt die AfD als gefährlich ein und sieht Parallelen zu der Zeit der NSDAP und der Nazi-Diktatur. „Eine Partei mit solchen Kontakten hat in einer Demokratie nichts zu suchen“, sagt sie und fügt an: „Obwohl es Jahre dauern kann, und das Problem ihres Zulaufs nicht so beendet werden wird, ist die AfD reif für ein Verbot. Deshalb können auch einem offen als Nazi zu bezeichnenden Menschen seine bürgerlichen Grundrechte zu Recht entzogen werden.“

Was die Menschen suchten, sei nicht die Reduzierung der Bevölkerung, sondern soziale Sicherheit. „Wir beteiligen uns an vielen der gerade stattfindenden Demonstrationen, wir halten die Erinnerung an die Zeit des Faschismus vor Ort wach, wir helfen weiter Menschen, die in unser Land geflüchtet sind, wir leben Demokratie in unseren Ortsvereinen, den Fraktionen, in den Räten oder, wie ich, im Kreistag“, beschreibt Wohlgemuth. Und weiter: „Wir sind überzeugt, dass wir jetzt gemeinsam handeln müssen, damit der Drohung von Rechts etwas entgegengesetzt werden kann. Noch haben wir die Freiheit dazu.“