Anwohner legen Widerspruch gegen Straßenbaukosten ein „Bauarbeiten waren unnötig“

Anwohner legen Widerspruch gegen „unnötige“ Straßenbaukosten ein
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Anja Schwerbrock kann sich nur mühsam beherrschen, wenn sie von dem Brief erzählt, der kurz vor Weihnachten in ihrem Briefkasten am Ostkamp lag: Insgesamt 27.000 Euro soll die Familie als Eigentümer eines Hauses am Ostkamp und eines Grundstücks an der Bergstraße zahlen: Dabei handelt es sich um einen Anteil (75 Prozent) an den Baukosten, die aus der Umbaumaßnahme des Ostkamps in den Jahren 2017 und 2018 hervorgegangen sind.

Auch die parallelen Straßen Eick und Bergstraße waren in die Bauarbeiten einbezogen. Auch hier haben Anwohner Zahlungsbescheide bekommen. Mit einer Frist von vier Wochen haben die Anwohner die Kosten inzwischen gezahlt. Doch einverstanden sind viele damit nicht. Die Zahlungen seien nicht gerechtfertigt, sagt Anja Schwerbrock. „Dieses ganze Verfahren empfinde ich als hochgradig ungerecht. Das ist nicht bevölkerungsfreundlich.“

Zwölf Parteien, Anwohner aller drei Straßen, haben sich deshalb zusammengetan und gemeinsam Widerspruch eingelegt. Sie haben einen Anwalt eingeschaltet, der Akteneinsicht beantragte. Wenn der Anwalt zu der Ansicht kommt, die Zahlungen der Anwohner sind ungerechtfertigt, möchten sie klagen. „Mir geht es um das Grundsätzliche“, sagt Anja Schwerbrock, bei der die Fäden des Protestes zusammenlaufen.

Marode Kanäle und Straße erneuert

Dabei bezieht sie sich auf die Art der Berechnung und darauf, dass überhaupt Gebühren für die Anwohner entstanden sind. „Die Stadt nutzte den Umstand der maroden Kanäle“, erklärt Ehemann Uwe Schwerbrock. „Die Straße wurde nur erneuert, um die Kosten dafür auf die Anwohner abwälzen zu können. Wenn die Stadt uns gefragt hätte, ob wir für ein paar tausend Euro eine neue Straße brauchen, hätten wir nein gesagt.“

Ursprünglich sei lediglich geplant gewesen, die Kanäle zu erneuern, was aufgrund eines geänderten Abwasserkonzept nötig geworden war. Diese Kosten tragen die nicht Anwohner. Der Ausschuss, bei dem diese Baumaßnahme beschlossen wurde, habe hinter verschlossenen Türen stattgefunden, sagen sie.

„Die Straße ist gefährlicher“

Schon seit 2017 sucht Anja Schwerbrock das Gespräch zu verschiedenen politischen Verantwortlichen und hat Unterschriften gesammelt - bisher erfolglos. „Wir kommen uns so vorgeführt vor“, sagt sie. „Was ist dieses Haus noch für eine Altersvorsorge, wenn man sich so verschuldet?“ Die Straße sei nun schlimmer als vorher. Ein wichtiger Umstand für die Mutter zweier Kinder. Durch die Umbauten wurde sie als Spielstraße ausgewiesen, weshalb es jetzt keinen Gehweg mehr gibt. Dafür ist die Fahrbahn deutlich breiter geworden, was Autofahrer zum schnelleren Fahren ermutige, berichtet Schwerbrock. „Es ist hier jetzt viel gefährlicher geworden“, sagt sie.

Darüber hinaus prangern die Anwohner die Höhe der Beteiligung von 75 Prozent der Kosten an. In Werne sind laut Satzung bis zu 80 Prozent erlaubt. „Das ist mitnichten eine günstige Gemeinde“, bemerkt Anja Schwerbrock. Außerdem sei ihnen bei dem Informationstermin, zu dem die Stadt eingeladen hatte, versichert worden, dass eine bestimmte Höhe an Kosten nicht überschritten werde. Die jetzt geschickte Rechnung falle für die Anwohner aber deutlich höher aus.

Anja Schwerbrock zeigt den fehlenden Gehweg.
Anja Schwerbrock zeigt den fehlenden Gehweg. © Kristina Gerstenmaier

Es macht Anja Schwerbrock „sehr wütend“, dass es die in vielen anderen Bundesländern bereits abgeschaffte Beteiligungen der Anwohner an Baumaßnahmen in Werne noch gibt. Auch die Landesregierung NRW hat zum 1.1.2020 - rückwirkend zum 1.1.2018 - die Abschaffung der Anwohnerbeiträge verabschiedet. Die Straßenbaumaßnahmen Bergstraße, Eick und Ostkamp wurden allerdings schon im Jahr 2017 begonnen.

Die Höhe der Kosten, staffelt sich auch nach der Kategorie, in die die jeweilige Straße fällt. Ostkamp und Eick gelten nach den Umbauarbeiten als Anliegerstraße, die Bergstraße als Durchgangsstraße. „Das ist alles nicht stimmig“, sagt Anja Schwerbrock. Außerdem kann sie nicht nachvollziehen, dass auch die Geschossigkeit der Häuser bei der Berechnung eine Rolle spielt.

Stadt bezieht sich auf KAG

Die Stadt Werne bezieht sich auf Anfrage auf das Kommunalabgabegesetz (KAG) des Landes, das die Berechnungsparamenter, also unter anderem Baugrundstücksgröße und -nutzung sowie eben die Geschosszahl des Gebäudes regelt. „Da den Beitragspflichtigen durch den Ausbau in der Regel wirtschaftliche Vorteile entstehen, hat der Landesgesetzgeber im KAG NRW u.a. bestimmt, dass die Beitragspflichtigen als Gegenleistung an den Ausbaukosten zu beteiligen sind“, erklärt Alexander Hörig, Referent des Stadtkämmerers.

Des Weiteren merkt er an, dass die Baumaßnahmen durchaus in zwei Sitzungen des Ausschusses für Stadtentwicklung, Planung, Umwelt und Verkehr öffentlich diskutiert wurden. „Die (inzwischen) neu gestalteten Straßen Bergstraße, Eick und Ostkamp hatten ihre wirtschaftliche und auch technische Nutzungsdauer weit überschritten“, bergründet er. „Vor allem aus technischer Sicht unterliegen die einzelnen Anlagenteile unterschiedlichen Beanspruchungen und somit auch Nutzungsdauern.“

Straßen stammten aus dem Jahr 1947

Alle Straßen stammten aus dem Jahr 1947, zum Start der Ausschreibung der Bauleistungen im Jahre 2016 waren sie also 69 Jahre alt. Eine wirtschaftliche Nutzung sei bei der Stadt Werne auf 40 Jahre begrenzt.

„Aufgrund der notwendigen Kanalerneuerung mussten in der Bergstraße, im Eick und Ostkamp mehr als die Hälfte der jeweiligen Straßen aufgebrochen und durch den Kanalbau wiederhergestellt werden“, erklärt Höring. „Die mangelnde Beschaffenheit der Bestandsstraßen hätte dazu geführt, dass sich der übrige Straßenbereich nach und nach in einen immer schlechteren Zustand entwickelt und sich die Kosten der Straßenunterhaltung erheblich erhöht hätten“, sagt Höring. Unterm Strich sei die Erneuerung der Straße also unumgänglich gewesen.

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