Arbeitslosigkeit, Ladenleerstände und Co. in Werne „Unserer Wirtschaft geht es gut, aber...“

Von Arbeitslosigkeit bis Ladenleerstand - So ist die Lage der Wirtschaft
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Ein „super Wert“ und eine „exorbitant gute“ Entwicklung – das wären sicherlich Prädikate gewesen, die Wernes Bürgermeister gerne bei der Vorstellung des städtischen Haushalts verwendet hätte. Stattdessen fielen im Zusammenhang mit den kommunalen Finanzen zuletzt bekanntlich eher Begriffe wie „katastrophal“ und „desaströs“.

Während das Stadtsäckel insbesondere unter der allgemeinen Inflation, den gestiegenen Zinsen sowie Personal- und Energiekosten leidet, scheint die Privatwirtschaft in Werne insgesamt auf einem aufsteigenden Ast zu sein – trotz einiger Geschäftsschließungen in der jüngeren Vergangenheit.

Die Formulierungen „super Wert“ und „exorbitant gut“ nutzte Wernes Wirtschaftsförderer Matthias Stiller am Dienstag (16. April) in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, während er Zahlen vorstellte, die ein ziemlich positives Bild von der wirtschaftlichen Lage der Lippestadt zeichnen.

Zu früh freuen sollte sich trotzdem niemand. Denn die Perspektiven sind nicht so rosig, wie erhofft. Fest steht für den Experten: Die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre lässt sich nur fortführen, wenn man neue Bedingungen schafft.

Zahl der Beschäftigten in Werne steigt weiter

Wie positiv sich Werne in dieser Zeit entwickelt hat, kann man an vielen Faktoren ablesen. Zum Beispiel an der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Genau 12.091 Beschäftigte waren 2023 am Arbeitsort Werne gemeldet (Stichtag 30. Juni). Das sind fast 1300 Personen mehr als noch im Jahr 2018. Zum Vergleich: Nach der Eröffnung von Amazon im Jahr 2010 stieg die Zahl von rund 8600 auf 10.300 und hielt sich dann über mehrere Jahre auf diesem Niveau.

Die Marke von 11.000 Beschäftigten knackte die Lippestadt erstmals im Jahr 2020. Auch die Pandemie brachte keinen Einbruch der Beschäftigtenzahlen. Im Gegenteil: Sie stiegen kontinuierlich weiter.


Die Arbeitslosenquote ist in Werne ebenfalls auf einem niedrigen Niveau. 2023 lag sie bei 5,4 Prozent - und damit zwar ähnlich hoch wie in den beiden Vorjahren, allerdings über dem Wert von 2020 (4,7 Prozent). Zur Einordnung: Der Kreis Unna und das Land NRW verzeichneten 2023 eine Arbeitslosenquote von 7,2 Prozent. Auf einen solch hohen Wert kam Werne zuletzt im Jahr 2011.

Die Gewerbesteuereinnahmen schwankten in Werne in den vergangenen Jahren hingegen erheblich. Seit 2017 pendelt der Wert zwischen 19 und 28 Mio. Euro. Die aktuellste Zahl liegt für das Jahr 2022 vor: knapp 24 Mio. Euro. Die Prognose für 2023 war, dass die Kurve hier wieder nach unten zeigen würde.


Wie gut es der Wirtschaft geht, zeigt sich aber nicht nur beim Blick auf Statistiken, sondern unter anderem auch in den Schaufenstern der Geschäfte in der Innenstadt. Stand Anfang April 2024 verzeichnet die Wirtschaftsförderung insgesamt 16 Ladenleerstände. Mit eingerechnet sind die noch nicht verpachteten Flächen in der künftigen City Mall sowie Ladenlokale, die aktuell nicht in einem vermietbaren Zustand sind. In einigen Fällen bedürfte es dazu einer umfangreichen Sanierung - etwa bei einer unter Denkmalschutz stehenden Immobilie am Rande des Kirchhofs, die schon lange zu den Sorgenkindern der Stadt gehört.


Die jüngsten Geschäftsschließungen in Werne (z. B. die Knüllerkiste oder das Schreibwaren-Geschäft Adam) sind natürlich auch der Wirtschaftsförderung nicht verborgen geblieben. Was Stiller in der Betrachtung aber häufig zu kurz komme, seien die erfreulichen Neuansiedlungen – etwa das Fitnessstudio Cleverfit am Moormannplatz oder das Blumen Café an der Kamener Straße. Letzteres zog in die schon länger leerstehende Immobilie, in der sich einst die Kultkneipe Schnarchhahn befand.

Über einen längeren Zeitraum leer stand auch der ehemalige Sporthaus-Standort an der Bonenstraße. Inzwischen ist dort eine HNO-Praxis eingezogen. Zu dem Gebäudekomplex gehört auch das denkmalgeschützte Haus am Marktplatz, in dem sich nun das Versicherungs- und Immobilienbüro Mintel befindet. Beide Gebäude wurden zuvor umfangreich saniert.


Für neue Ansiedlungen sorgte zuletzt auch das „Sofortprogramm Innenstadt“ des Landes NRW. Der Förderzeitraum erstreckte sich über drei Jahre. Während dieser Zeit konnten Geschäftsleute Ladenlokale zu vergünstigten Konditionen mieten – eine Art Starthilfe, finanziert aus Fördermitteln. Sechs Gewerbetreibende nutzten das Angebot in Werne laut Angaben der Wirtschaftsförderung. Fünf von ihnen haben nun langfristige Mietverträge. Dazu gehört beispielsweise das Geschäft Boardslide in der Bonenstraße.

Der Nachfolger des Förderprogramms trägt den Titel „Zukunftsfähige Innenstädte und Ortszentren“ und läuft bis 2026. Rund 190.000 Euro stehen Werne zur Verfügung. Der städtische Eigenanteil beträgt 76.500 Euro.

So sieht das Gewerbegebiet Wahrbrink in Werne aus der Luft aus.
So sieht das Gewerbegebiet Wahrbrink in Werne aus der Luft aus. © www.blossey.eu

Bedarf an Gewerbeflächen nimmt weiter zu

So weit, so gut. Und wo sollen sie nun sein, die Probleme, die einem weiteren Aufblühen der Werner Wirtschaft im Wege stehen? Die Antwort ist kaum überraschend, birgt aber reichlich Konfliktpotential in sich. „Fehlende Gewerbeflächen führen dazu, dass die bisherige Wirtschaftspolitik nicht mehr fortgesetzt werden kann. Es bedarf einer abgestimmten Gewerbeflächenentwicklung“, resümiert Stiller.

Wie viel Zündstoff das Thema beinhaltet, wissen Stadt und Politik spätestens seit dem Bürgerentscheid gegen den Kooperationsstandort nördlich der Nordlippestraße. Aber: Die fieberhafte Suche nach alternativen Flächen im Außenbereich gehört nicht zur neuen Strategie der Wirtschaftsförderung.

Stiller nennt unter anderem Aspekte wie die „Nutzung von Baulücken“ und die „Revitalisierung kleiner Brachflächen“. Zudem will die Stadt Unternehmen bei der Optimierung ihres Firmengeländes unterstützen – zum Beispiel, indem Bebauungspläne angepasst werden. All das schließt freilich nicht aus, dass künftig neue Gewerbeflächen erschlossen werden.

Der Bedarf an weiterer Gewerbefläche sei definitiv vorhanden, betont der Wirtschaftsförderer – und meint damit nicht bloß Firmen von außerhalb. Auch Werner Unternehmen wollen sich erweitern. Ein aktueller Fall, der zuletzt durch die politischen Gremien ging, ist die Firma RCS.

Mit Blick auf die Regionalplanung klafft zudem eine große Lücke zwischen dem gesicherten lokalen Flächenbedarf von knapp 12,5 Hektar und dem ermittelten planerischen Bedarf von 18,7 Hektar. Wobei die Bezeichnung „lokaler Bedarf“ nicht für die Bereitstellung von Flächen für lokale Unternehmen steht. Gemeint ist vielmehr die „Bereitstellung von Flächen zur Sicherstellung der lokalen Wirtschaftsentwicklung“, erklärt Stiller.

Klar ist: Künftig sollen Wernes Bürger deutlich stärker eingebunden werden, wenn es um die Gewerbeflächenentwicklung geht. Der Prozess soll in mehreren Phasen ablaufen. Vereinfacht gesagt, will die Stadt zunächst ermitteln, an welchen Stellen in Werne es überhaupt möglich wäre, vorhandene Gewerbeflächen zu optimieren oder neue zu erschließen. Dann werden die Bürger über die Ergebnisse informiert und können im Zuge einer moderierten Diskussion ihre Meinung äußern. Nach der Beteiligungsphase werden die Ergebnisse ausgewertet und fließen in ein „Konzept zur nachhaltigen Gewerbeflächenentwicklung“ ein. Erst danach wird eine Beschlussvorlage für den Rat erstellt.

Für diese Vorgehensweise gaben die Mitglieder des Planungsausschusses nun grünes Licht. Vielleicht bekommen sie im Gegenzug nicht nur zufriedene Wähler, sondern auch wieder mehr Gewerbesteuern. Das wäre sowohl gut für die Wirtschaft als auch für den Haushalt.