Angesichts extrem gestiegener Energiepreise will Gesundheitsminister Karl Lauterbach Kliniken, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen finanziell unter die Arme greifen. Anfang November hat er Unterstützung in Höhe von 8 Milliarden Euro zugesagt. Das Geld solle schnell fließen. Kein Krankenhaus solle vom Netz gehen, weil Energie fehle. Er wies darauf hin, dass medizinische Einrichtungen beim Heizen kaum sparen könnten. Auch den Stromverbrauch könnten sie nicht einschränken, weil wichtige Geräte weiter betrieben werden müssten.
Nun fordern auch die Apotheken eine Entlastung der Energiekosten. „Apotheken sind als klein- und mittelständische, heil- und freiberuflich geführte Unternehmen eine unerlässliche Stütze der lokalen Gesundheitsversorgung und müssen deshalb ebenso wie Kliniken von einer heranrollenden Energiekostenlawine geschützt werden”, sagt Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA).
Die ABDA erklärt, dass die 18.000 Apotheken in Deutschland wegen der Versorgungsqualität kaum Gas und Strom sparen könnten. Schließlich müssten Klimaanlagen und Kühlschränke laufen, Sicherheitsbeleuchtung und Messgeräte aktiv sein, um Arzneimittel zu schützen. Trotz einer hohen Energieeffizienz der Apotheken würden die Ausgaben derzeit um ein Vielfaches ansteigen. „Wir appellieren daher dringend an die Politik, dem Lob für unsere Leistungen in der Pandemie eine finanzielle Krisenhilfe folgen zu lassen.“
Ärger wegen dem neuem Spargesetz
Udo Lucas ist Betreiber der Fürstenhof-, Post- und Lippe-Apotheke in Werne. Seiner Meinung nach ist es eine „bodenlose Frechheit”, dass der Bundesgesundheitsminister Apotheken in dem Entlastungspaket vollkommen außen vor gelassen hat: „Er greift uns sowieso schon ordentlich in unsere Taschen, um die Krankenkassen mit 140 Millionen Euro zu subventionieren.”
Hier bezieht Lucas sich auf das geplante Spargesetz: Im Rahmen dessen sollen die Abschläge von Apotheken an Krankenkassen pro Medikament für 2023 und 2024 auf zwei Euro statt vorher 1,77 Euro erhöht werden. „Erst das und jetzt berücksichtigt er uns nicht mal bei der Entlastung von Energiepreisen.” Zudem verweist Lucas auf den Auftrag von Apotheken, die Bevölkerung flächendeckend mit Medikamenten zu versorgen. Um diesen ordnungsgemäß erfüllen zu können, müsse der Staat unterstützen: „Aber im Moment ist er nur dabei, den Auftrag mächtig zu demontieren.”

Um seine Einschätzung nachzuvollziehen, müsse man nur einen Blick auf die aktuelle Versorgungslage werfen. Er könne seine Kunden noch umfassend versorgen. Das sei allerdings nicht der Regelfall. Anderen Apotheken stünden wesentliche Medikamente nicht mehr zur Verfügung – etwa fehle ihnen Fiebersaft für Kinder. „Noch bin ich gut aufgestellt, aber das ist auch nur noch eine Frage der Zeit”, so Lucas. „Das richtige Elend wird sehr wahrscheinlich erst im nächsten Jahr oder aller spätestens bis zum Frühjahr 2024 kommen.”
Die Forderung der ABDA, dass Apotheken in die Entlastungsmaßnahmen des Bundes aufgenommen werden sollten, findet Lucas angesichts der aktuellen Entwicklungen absolut richtig. „Wenn man uns nicht mal bei der Stromgeschichte berücksichtigt – was kommt dann als nächstes? Was wollen die uns denn noch antun?” Zumindest sollte der Staat die Kosten für Apotheker deckeln, so Lucas.
Lucas: „Was soll ich ohne Strom machen?"
Karl Lauterbach rechtfertigt das Entlastungspaket dadurch, dass Kliniken und Pflegeeinrichtungen kaum Energie sparen könnten. „Das ist ein ehrenloser Mist”, findet Udo Lucas. „Was soll ich denn ohne Strom machen? Ohne Strom funktioniert mein Internet nicht. Ohne Internet kann ich keine vernünftigen Recherchen betreiben. Ohne Internet kann ich nicht mit dem Großhandel kommunizieren, um Ware zu bestellen.”
Der Apotheker befindet sich derzeit noch in einer glücklichen Situation: Sein Stromvertrag läuft noch bis Ende des Jahres. Allerdings mache er sich bereits darauf gefasst, dass der nächste Vertrag ihn mindestens das 2,5-Fache kosten werde. Entlastet der Staat die Apotheken nicht, sieht die Zukunft nicht gerade rosig aus. Es müsse so lange weiter gemacht werden, bis deutlich wird, dass es betriebswirtschaftlich keinen Sinn mehr macht. „Über kurz oder lang wird es immer schwieriger und irgendwann verliert man dann die Lust”, so Lucas. „Bis man dann sagt: Gut, jetzt ist Schluss. Ich mache nicht mehr weiter, jetzt ist Feierabend.”
Matlachowsky findet Maßnahmen plausibel
Julia Matlachowsky ist die Inhaberin der Fürstenhof- und Lippe-Apotheke. Im Gegensatz zu Udo Lucas kann sie nachvollziehen, dass Apotheken nicht von den Entlastungsmaßnahmen profitieren. „Wir sind nun mal eingetragene Kaufleute”, begründet sie ihre Ansicht. „Wir sind ein ganz anderes Kaliber als ein Krankenhaus.” So hätten Krankenhäuser größere Flächen zu bewirtschaften und deutlich mehr elektrische Geräte zu betreiben als Apotheken.
Nichtsdestotrotz fordert auch sie, dass Apotheken in die Entlastungsmaßnahmen des Bundes einbezogen werden – Grund dafür ist das geplante Spargesetz, welches mehr Abgaben an die Krankenkasse zufolge hat. „Gäbe es die erhöhten Kassenabschläge für die nächsten zwei Jahre nicht, dann müssten wir uns auch nicht darüber streiten, dass andere von ihren Energiekosten entlastet werden und wir nicht.”

Ursula Brinkmann-Trötsch kann die derzeitige Lage noch schwer einschätzen. Ihr ist bisher nicht bewusst, welche Summe sie an Energiekosten zahlen muss. „Ich habe noch keinen einzigen Abschlag bekommen”, erklärt sie. „Ich weiß also selbst noch gar nicht genau, ob ich nächstes Jahr wegen der Kosten hinten rüber kippe". Ihrer Meinung nach wäre es nur fair, Apotheken ebenfalls zu unterstützen. „Wir wurden schließlich schon mit dem Destabilisierungsgesetz vollkommen außen vor gelassen."
Weshalb die Bundesregierung Apotheken nicht in dem Entlastungspaket berücksichtigt hat, ist Horst Holger klar: „Apothekern wird immer noch nachgesagt, dass sie alle reich sind”, so der Filialleiter der Fürstenhof-Apotheke. Doch das sei schon längst nicht mehr der Fall, wie man am Rückgang der Apotheken ableiten kann.
Während es 2008 deutschlandweit noch circa 21.500 Apotheken gab, sind es inzwischen weniger als 18.500. Eine Entwicklung, die laut Holger so weitergehen wird: „Wir werden ein riesiges Apotheken-Sterben sehen. Daran wird sich nichts mehr ändern, auch wenn jetzt noch ein paar tausend Euro abfallen.”
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