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Zehn Jahre Amazon in Werne: Alles begann mit 4 Mitarbeitern und Mini-Kühlschrank
Wirtschaft in Werne
Amazon in Werne feiert Zehnjähriges: Im September 2010 eröffnete im Wahrbrink das erste Logistikzentrum des Online-Versandhändlers in NRW. Seitdem hat Amazon in Werne sich rasant entwickelt.
Aus Ikea wurde Amazon: Am 14. September 2010 eröffnete der Online-Versandhändler sein Logistikzentrum in den ehemaligen Lagerhallen des schwedischen Möbelherstellers. Damit begann die Ära für Amazon in NRW. Der Start des Online-Riesen im Gewerbegebiet Wahrbrink brachte nicht nur neue Arbeitsplätze nach Werne, sondern Amazon erstmals überhaupt nach Nordrhein-Westfalen. Zuvor gab es lediglich zwei Lager in Bad Hersfeld (Hessen) sowie einen Standort in Leipzig (Sachsen).
Wie in ganz NRW - mittlerweile gibt es 17 Standorte - hat auch Amazon in Werne eine rasante Entwicklung genommen. Am ersten Tag arbeiteten hier vier Mitarbeiter - darunter der einstige Standortleiter Lars Krause. Kurz darauf folgten 400 Beschäftigte.
1900 Mitarbeiter heute bei Amazon in Werne
„Damals war vieles sicherlich noch nicht so strukturiert wie heute, es war damals ein wirklicher Start-Up-Charakter. Über die Jahre sind wir immer besser, professioneller, strukturierter und natürlich größer geworden“, erklärt Ivan Saric (33), seit April 2019 Standortleiter von Amazon in Werne.
Mittlerweile sind mehr als 1900 Männer und Frauen aus gut 80 verschiedenen Nationen im Logistikzentrum tätig. „Was bleibt, ist der absolute Kundenfokus. Das heißt, die Kundenbestellung schnell und verlässlich zu bearbeiten. Denn das ist unser Job“, erklärt Saric.

Ivan Saric (33), ist seit 1. April 2019 Standortleiter und seit 1. April 2020 Geschäftsführer des Amazon-Logistikzentrums in Werne. © Jörg Heckenkamp (A)
Amazon ist nicht nur größter Arbeitgeber der Lippestadt, sondern spült durch die Gewerbesteuer viel Geld in den städtischen Haushalt. Kritik an dem US-Konzern wurde in der Vergangenheit dennoch immer laut. Die Gewerkschaft Verdi monierte zum Beispiel immer wieder, dass die Mitarbeiter nicht nach Tarif bezahlt werden. „Es ist und bleibt ein schwieriges Thema“, erklärte Karsten Rupprecht, Gewerkschaftssekretär Einzelhandel bei Verdi und verantwortlich für die Verdi-Mitglieder von Amazon Werne gegenüber dieser Redaktion.
Es seien nicht mehr als „Nadelstiche“, die man mit Streiks setzen kann. Eine Stilllegung des Betriebs könne man damit nicht bezwingen. Seit 2014 habe man aber eine stabile Streikbewegung in Werne aufgebaut. „Wir haben das Thema Solidarität wieder platzieren können im Betrieb. Ich bin mit der Entwicklung durchaus zufrieden. Aber richtig zufrieden sind wir erst, wenn wir den Tarifvertrag erreicht haben“, so Rupprecht.

Die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten des Online-Versandhändlers Amazon in der Vergangenheit immer wieder zum Streik aufgerufen. © Daniel Claeßen (A)
Die Verdi-Verantwortlichen hatten die Belegschaft in Werne regelmäßig zu Streiks aufgerufen, um für eine Entlohnung nach dem Tarifvertrag für den Einzel- und Versandhandel zu kämpfen. Amazon selbst sieht sich hingegen aber als Logistikunternehmen und verwies in diesem Zusammenhang immer wieder auf die „faire Bezahlung“, die aktuell bei einem Einstiegslohn von umgerechnet 11,55 Euro brutto pro Stunde liegt.
Zum Start des neuen Logistikzentrums 2018 lag er noch bei 10,52 Euro. „Die Gewerkschaft erzählt viel, wenn der Tag lang ist. Fakt ist: Wir sind ein attraktiver Arbeitgeber, bieten faire Löhne, einen sicheren Arbeitsplatz und vielfältige Karrieremöglichkeiten. Im Bereich der Logistik müssen sich unsere Arbeitsplätze sicher nicht verstecken“, kontert Saric die immer wieder aufkeimende Kritik von Verdi. Er verweist dabei auf die - gerade in Corona-Zeiten - gute Zusammenarbeit mit dem seit 2013 etablierten Betriebsrat am Werk in Werne.
Gerade in der Zeit der Corona-Krise boomt der Online-Handel. Das ist auch im Werk in Werne spürbar. Mehrere Zehntausend Pakete werden laut Saric täglich aus der Lippestadt an die Kunden verschickt. Im Weihnachtsgeschäft werden es sicherlich noch mehr. Zum Vergleich: In den ersten Tagen am Standort in Werne 2010 waren es einige hundert Pakete täglich. Der erste Artikel, der am 23. Oktober 2010 von Werne ausgeliefert wurde: ein Mini-Kühlschrank.
Eigentlich sollte es nur ein kurzes Gastspiel für Amazon in Werne sein. Der Einzug in die einstigen Ikea-Hallen im Wahrbrink sollte zunächst nur als Übergangslösung dienen, bis das neue Logistikzentrum in Rheinberg fertiggestellt war, erklärte der damalige Standort-Leiter Lars Krause bei dem symbolischen Spatenstich für das neue Logistikzentrum Anfang Januar 2017.
Doch das permanente Wachstum von Amazon und das gute wirtschaftliche und politische Umfeld veranlassten den Branchenriesen dazu, doch länger in Werne zu bleiben. Das US-Unternehmen investierte am Standort in Werne gar 28 Millionen Euro für das neue 100.000 Quadratmeter große Logistikzentrum, das 2018 eröffnet wurde. Aus der Übergangslösung sind mittlerweile zehn Jahre geworden. Der Mietvertrag mit dem Investor Verdion, der das 100.000 Quadratmeter große Lager gebaut hat, wurde über 20 Jahre vereinbart.
„Wir fühlen uns wohl in der Region und haben damals sehr schnell festgestellt: Wir sind nach Werne gekommen, um zu bleiben. Das haben wir gehalten“, erklärt Ivan Saric zu der Entwicklung. Das hört auch Bürgermeister Lothar Christ (parteilos) gern, der die Ansiedlung in Werne miterlebte.
„Amazon ist ein Glücksfall für Werne“
„Als ich damals den Anruf bekam, dass Amazon sich in Werne ansiedeln will, war das eine Überraschung. Das war für unsere Stadt ein Glücksfall. Ich bin stolz darauf, dass es uns gelungen ist, den größten Arbeitgeber Wernes langfristig hier zu halten. Das sichert eine Vielzahl von Arbeitsplätzen in Werne, im Kreis Unna und in der Region und wirkt sich sehr positiv auf die Finanzlage der Stadt Werne aus.“
Christ ergänzt, dass es natürlich kritische Stimmen gab und Fragen, ob ein so großes amerikanisches Unternehmen nach Werne passt. „Ich kann sagen, dass diese Diskussionen nicht mehr da sind. Amazon ist vollständig integriert, ist der größte hiesige Arbeitgeber und engagiert sich in der Stadt und der Region.“