Sie sind oftmals unter dem Radar, agieren im Hintergrund, leisten viel, aber werden dafür nicht bezahlt: Ehrenamtler werden bisweilen als „Säule der Gesellschaft“ bezeichnet. Wir stellen sie in einer Themenreihe vor.

Werne

, 07.08.2020, 17:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es gibt Dinge, die weiß man erst so richtig zu schätzen, wenn sie nicht mehr da sind. Dann ist da plötzlich eine Lücke, dann läuft etwas nicht mehr so rund wie gewohnt. Das große Uhrwerk steht auf einmal still, weil viele kleine Rädchen, die bis dato im Verborgenen lagen und denen man nicht sonderlich viel Beachtung geschenkt hat, nun fehlen.

Das trifft bisweilen auch auf das Ehrenamt zu. Auf Menschen, die Gutes tun, aber nur wenig bis gar nichts dafür verlangen. Erst recht kein Geld. Und ohne die es ziemlich düster aussehen würde. „Ohne Ehrenamt wären wir ganz schlecht aufgestellt. Es gibt viele Dinge, bei denen sich Verwaltung und Politik einfach darauf verlassen, dass es läuft“, sagt Jochen Höinghaus, der bei der Stadt für die „Koordinierungsstelle für Bürgerschaftliches Engagement, Senioren- und Behindertenarbeit“ (kurz: BEN) zuständig ist.

Corona-Krise hat das Ehrenamt verändert

Die kleinen Rädchen spielen nun mal eine tragende Rolle. Ohne sie verstummt das Ticken des großen Apparats. Und tatsächlich gibt es ziemlich viele dieser kleinen Rädchen. Das Marktforschungsunternehmen Statista gibt an, dass deutschlandweit im Jahr 2019 fast 16 Millionen Menschen ehrenamtlich tätig waren - und damit gut zweieinhalb Millionen mehr als noch im Jahr 2015. Also Aufatmen: Das Ehrenamt stirbt nicht aus, die Zeiger laufen weiter - auch wenn sie in Corona-Zeiten zwangsweise ein wenig aus dem Takt geraten sind.

Natürlich habe die Pandemie auch im Ehrenamtsbereich einiges verändert, sagt Höinghaus. Aber nicht nur, weil viele Helfer aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe gehören und dadurch verzichten mussten oder weil Veranstaltungen ausfielen. Vielmehr hat sich das Ehrenamt der Krise angepasst. Da stellen kleine Nähgruppen ihre Produktion kurzerhand auf Mund-Nasen-Bedeckungen um.

Da stampfen plötzlich ein paar Engagierte diverse Nachbarschaftshilfen aus dem Boden, die ganze Straßenzüge mit Lebensmitteln versorgen, damit Alte und Kranke ihre Wohnung nicht verlassen müssen. Und das alles tun sie – ehrenamtlich.

Alles reine Ehrensache – So steht es um das Ehrenamt in Werne
„Manche wollen die Ehrenamtskarte gar nicht. Die machen einfach und gehen dann.“
Jochen Höinghaus

Stadt verteilte 320 Ehrenamtskarten in Werne

Wie viele Ehrenamtler es in Werne gibt, kann Höinghaus nicht genau sagen. Die einzige Statistik ist diese: Seit die Stadt im Jahr 2011 die „Ehrenamtskarte“ eingeführt hat, hat sie sie 320 mal herausgegeben - mit jeweils einer Gültigkeit von zwei Jahren. Aktuell gibt es etwas mehr als 70 Karteninhaber. „Aber das Ehrenamt ist natürlich mehr als nur diese Karte. Es gibt in Werne mehrere Hundert Menschen, die in verschiedenen Gruppen und Vereinen ehrenamtlich aktiv sind. Manche wollen die Karte auch gar nicht. Die machen einfach und gehen dann“, sagt Höinghaus.

Die Bereiche, in denen die beinahe schon „unsichtbaren Helfer“ ihre Dienste an der Gesellschaft verrichten, sind vielseitig. Da gibt es die Dame, die schon seit 20 Jahren die Osteoporose-Selbsthilfegruppe leitet, die Helfer-Truppe der Tafel-Ausgabe, die Vorlesepaten oder diejenigen, die bei Gemeindeveranstaltungen kräftig mit anpacken.

Und natürlich die zahlreichen Helfer in Sportvereinen - das ist die größte Ehrenamt-Sparte in Werne - sowie die Freiwillige Feuerwehr. Wobei letztere oftmals zumindest mit Blaulicht und Martinshorn auf sich aufmerksam macht.

Mehr Ehrenamtler - aber der Nachwuchs fehlt

Trotz der deutschlandweit steigenden Zahl der Ehrenamtler, gibt es auch Entwicklungen, die weniger erfreulich sind. Dazu gehört vor allem der fehlende Nachwuchs. Ein Phänomen, das Höinghaus auch in der Lippestadt feststellt - nicht nur beim Deutschen Roten Kreuz, das „händeringend“ Unterstützer suche. Junge Leute für das Ehrenamt zu begeistern, sei keine ganz einfache Sache, sagt er. Aber man könne das schon nachvollziehen: „Sie sind in der Ausbildung, müssen sich zurechtfinden in einer sich doch recht stark verändernden Welt. Da hat dieses Thema nicht unbedingt Priorität.“

Anders sei das in Familien, in denen das Ehrenamt vorgelebt werde - etwa von den Eltern. Da sei die Sensibilität dann etwas größer. Auch deswegen ist die Stadt bemüht, für den Dienst an der Gesellschaft zu werben. Und zwar nicht nur, indem sie Ehrenamtskarten verteilt. Eigentlich wollte man laut Höinghaus eine Messe auf dem Marktplatz durchführen. Vereine und Gruppen sollten ihre Arbeit dort vorstellen und um neue Helfer werben können. Doch dann kam die Pandemie und machte den Planern einen Strich durch die Rechnung. Man will das Event aber nachholen.

„Damit wollten wir auch darauf hinweisen, dass Ehrenamt nicht nur etwas für alte Leute ist“, sagt Höinghaus. Man wird sie brauchen - auch in Zukunft. Oftmals quasi unbemerkt im Hintergrund. Damit das Uhrwerk weiter läuft.

Jetzt lesen

Themenreihe zum Ehrenamt in Werne

  • In unserer Themenreihe „Reine Ehrensache“ stellen wir zukünftig in unregelmäßigen Abständen Ehrenamtler aus Werne vor. Viele von ihnen verstehen sich nicht als Einzelkämpfer, sondern stehen stellvertretend für Vereine oder Organisationen.
  • Die Ehrenamtskarte muss von den Interessenten beantragt werden. Voraussetzungen sind ein überdurchschnittliches Engagement von mindestens fünf Stunden pro Woche beziehungsweise 250 Stunden pro Jahr sowie eine Ausübung seit mindestens zwei Jahren. Außerdem darf die ehrenamtliche Tätigkeit ausschließlich für Dritte und ohne Aufwandsentschädigung (außer tatsächlich entstandene Kosten, etwa Fahrtkosten) erfolgen. Wohnsitz und/oder Einsatzort des Ehrenamtes muss Werne sein. Das Mindestalter ist 16 Jahre.
  • Die Ehrenamtskarte bietet ihren Inhabern verschiedene Vergünstigungen - vom Buchkauf bis hin zu Kino- und Theaterbesuchen.
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" Ehrenamt im Düt und Dat: Neben Marita Melcher (M.) engagieren sich mehr als 30 weitere Mitarbeiterinnen in dem gemeinnützigen Verein.

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