AfD landet in jedem vierten Wahllokal in Werne auf Platz 1 „Da wird sich bald jemand outen“

Die AfD auf dem aufsteigenden Ast: „Da wird sich bald jemand outen“
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Es ist gegen 18.45 Uhr am Sonntagabend, als auf einem der Monitore im großen Sitzungssaal des Stadthauses die ersten Zahlen zur Bundestagswahl aus den Wahllokalen von Werne eingeblendet werden. Bei den Zweitstimmen liegt die AfD mit 14,2 Prozent auf Rang vier. Klar vorne ist die CDU mit 33 Prozent der Stimmen. Eine Momentaufnahme, die man im Stadthaus nur am Rande zur Kenntnis nimmt. Zu groß ist der Schock über die Zahlen auf Bundesebene.

Dort hat die Alternative für Deutschland die 20-Prozent-Marke geknackt und wird am Ende zweitstärkste Kraft hinter der CDU. Nach den Prognosen im Vorfeld war das absehbar. Doch nun ist es Gewissheit. „Das ist schockierend, eine traurige Sache. Ich finde es schade, dass sich viele Leute dazu entschieden haben, ihre Stimme einer klar rechtsextremen Partei zu geben“, sagt Andreas Schütte (SPD) im Gespräch mit unserer Redaktion. Er hätte nicht erwartet, dass sich der Bundestrend auch so deutlich in Werne widerspiegelt.

Große Sorge bei demokratische Parteien

Besorgt zeigt sich auch Martin Cyperski (CDU): „Das ist erschreckend, wenn man den blauen Balken sieht.“ Das Ergebnis habe ihn überrascht, auch wenn die AfD bereits bei der vergangenen Europawahl in der Lippestadt gepunktet habe. Eine Zusammenarbeit zwischen CDU und der Alternative für Deutschland schließt der Stadtverbandsvorsitzende der Union aus. Das werde es weder auf Bundesebene noch in Werne geben, sagt er.

Auf kommunalpolitischer Ebene ist die AfD in der Lippestadt noch nicht in Form eines Ortsvereins- oder Stadtverbands vertreten. Dr. Thomas Gremme (UWW) spricht am Wahlabend allerdings aus, was sich auch manch anderer Zuschauer im Stadthaus gedacht haben dürfte: „Wenn ich die Ergebnisse der AfD in Werne sehe - das finde ich erschreckend. Es wird sicherlich so sein, dass sich bis zur Kommunalwahl jemand outet und dann auch für den Stadtrat kandidiert.“ Mit demjenigen würde die UWW dann aber definitiv keine gemeinsame Sache machen, betont Gremme.


Bei der Bundestagswahl 2025 landet die AfD in Werne mit 17,2 Prozent der Stimmen letztlich auf Rang drei hinter CDU (34,6 Prozent) und SPD (21,5 Prozent). So erfolgreich war die Partei in der Lippestadt noch nie. Auch Georg Schroeter, Direktkandidat für den Wahlkreis Hamm-Unna II, sichert sich in Werne 17,4 Prozent der Stimmen - und damit Platz drei hinter CDU-Kandidat Arndt Hilwig (36,5) und SPD-Mann Michael Thews (29,5). Letzterer erhält allerdings auf Walkreisebene die meisten Stimmen (32,2 Prozent). Hilwig kommt hier auf 30,1 Prozent, Schroeter auf 21,5.

In einer Kita wählen 32 Prozent die AfD

In einigen Teilen des Werner Stadtgebiets holt die AfD auffällig hohe Stimmanteile. In fünf der insgesamt 22 Wahllokale wird sie sogar stärkste Kraft. Am deutlichsten ist ihr Ergebnis im Wahllokal der Kita Jona. 32,4 Prozent der insgesamt 294 Bürgerinnen und Bürger, die hier ihre Stimme abgegeben haben, machten ihr Kreuzchen bei den Rechten. Die SPD folgt mit 24,2 Prozent auf dem zweiten Platz. Auch in den beiden Wahllokalen in der Wiehagenschule dominiert die AfD. Hier kommt die Partei auf 30,6 beziehungsweise 30,8 Prozent. Zusammengerechnet haben in den beiden Lokalen 1270 Wahlberechtigte ihre Stimme abgegeben.

In einem der beiden Wahlräume der Kardinal-von-Galen-Schule kann sich die AfD 27,7 Prozent der 614 abgegebenen Wählerstimmen sichern - und damit etwas mehr als die zweitplatzierte CDU mit 26,4 Prozent. Knapp ist der Vorsprung der rechten Partei ebenfalls im Wahllokal bei Immobilien Holtrup an der Horster Straße. Mit 24,7 Prozent liegt die Alternative vor der CDU mit 24 und der SPD mit 23,5 Prozent. Insgesamt wurden in dem Wahllokal 618 Stimmen abgegebenen.

Wie sehr die AfD auch in der Lippestadt auf dem aufsteigenden Ast ist, zeigt ein Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse. Schon bei der Europawahl im vergangenen Jahr konnte sich die Partei 12,4 Prozent der Zweitstimmen sichern. Bei den vorausgegangenen Bundestagswahlen waren es lediglich 6,8 Prozent (2021) beziehungsweise 8,4 Prozent (2017).

Auf der Suche nach den Gründen für diesen Trend stellen sich viele Fragen: Folgen die Werner Wähler einfach stumpf dem Bundestrend? Ist es Protest, Politikverdrossenheit, Enttäuschung? Angst um die eigene Sicherheit und den Arbeitsplatz? Ausländerfeindlichkeit? Und bereiten ihnen im Allgemeinen die Entwicklungen auf Bundesebene Sorgen, für die die AfD vermeintliche Lösungen anbietet - oder ist der Grund für das Kreuzchen auf dem Stimmzettel tatsächlich vor der eigenen Haustür zu finden?

Die AfD-Themen Kriminalität und Wirtschaft

Fakt ist: Wer einen Blick in die Kriminalstatistik wirft, kann zu dem Schluss kommen, dass es um das Sicherheitsempfinden der Bürger womöglich nicht sonderlich gut bestellt ist. Laut Angaben der Kreispolizeibehörde Unna ist die Zahl der Straftaten in der Lippestadt seit dem Jahr der letzten Bundestagswahl gestiegen. Insgesamt 1905 Straftaten wurden 2023 registriert. 2021 waren es 1785. Die Zahlen für 2024 liegen noch nicht vor. Wie viele dieser Straftaten von Menschen ohne deutschen Pass verübt wurden, ist in der Statistik nicht aufgeschlüsselt.

Ein weiterer Fakt: Während der städtische Haushalt alles andere als rosig aussieht, geht es der Wirtschaft in Werne vergleichsweise gut. Daran haben - zumindest gemessen an den Zahlen - weder Pandemie noch Ukraine-Krieg etwas geändert. So lag beispielsweise die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Werne im Sommer 2021 bei 11.594. Im Sommer 2024 waren es 11.886. Die Arbeitslosenquote ist im gleichen Zeitraum von 5,4 auf 4,9 Prozent gesunken. Genau auf diesen Wert kam die AfD in Werne übrigens noch im Jahr 2022. So hoch war ihr Zweitstimmenanteil bei der damaligen Landtagswahl.

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