In Werne hat die Nachfolgersuche geklappt Praxis Jakubke heißt jetzt Zumholz

Praxis Jakubke heißt jetzt Zumholz: Beide Ärzte kennen sich schon lange
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In Nordrhein-Westfalen gibt es laut Gesundheitsministerium 11.200 niedergelassen Hausärztinnen und Hausärzten. Von ihnen hat mehr als ein Drittel das 60. Lebensjahr überschritten. In Westfalen-Lippe sind es nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigungen sogar 40 Prozent über 60 Jahre. Thorsten Jakubke aus Werne ist einer von ihnen. Er ist 65 Jahre alt. Anders als viele seiner Kolleginnen und Kollegen im Land hat er aber keine Zukunftssorgen. Und das liegt an Michael Zumholz (37).

Nur wenigen der langjährigen Patientinnen und Patienten der Hausarztpraxis an der Steinstraße in Werne dürfte es überhaupt aufgefallen sein: jene, die beim Betreten des Hauses tatsächlich auf das vermeintlich altbekannte Schild neben der Tür schauten. Oder die beim Anruf genau darauf achteten, wie genau sich die bekannten Stimmen am anderen Ende meldeten. Nicht mehr mit „Praxis Jakubke“, sondern mit „Praxis Zumholz“.

Wer freilich ohne Seitenblick und Anruf durch die Tür zwischen Apotheke und Blumengeschäft schlüpft und die Treppe zur Praxis hochsteigt, bekommt oben von alledem kaum etwas mit. Denn die Räume sind so apfelgrün wie zuvor, und die behandelnden Ärzte sind seit mehr als eineinhalb Jahren dieselben. Allerdings haben Thorsten Jakubke und Michael Zumholz die Rollen getauscht.

Der Jüngere, der im August 2022 als Assistent seine Arbeit in der Praxis aufnahm und im März 2023 seine Facharztprüfung ablegte, ist seit 2024 der Chef, Jakubke ist sein Angestellter.

„Ist der alte Arzt noch da?“

Im Wartezimmer sorge das gelegentlich für Gesprächsstoff, sagt Jakubke. Nicht nur einmal habe er gehört, wie ein Patient fragte: „Ist der alte Arzt überhaupt noch da?“ Er habe dann durch die geöffnete Tür gerufen: „Was heißt hier ,alt‘?“ Und alle lachten. Humor ist etwas, das Jakubke in den 34 Jahren als niedergelassener Arzt nie aus dem Behandlungszimmer ausgeschlossen hat.

Im Gegenteil. Lachen, das weiß er als Mediziner, reduziert die Produktion der Stresshormone Adrenalin und Kortisol und kann daher gerade schwierige Situationen sowohl mit Patientinnen und Patienten als auch mit dem Praxisteam meistern helfen. Um im eigenen Leben Stress zu reduzieren, hat Jakubke noch mehr getan.

Zwischen Apotheke und Blumengeschäft ist der Eingang zur Praxis Zumholz an der Steinstraße in der Fußgängerzone Werne. Sie befindet sich auf zwei Etagen über der Apotheke.
Zwischen Apotheke und Blumengeschäft ist der Eingang zur Praxis Zumholz an der Steinstraße in der Fußgängerzone Werne. Sie befindet sich auf zwei Etagen über der Apotheke. © Sylvia vom Hofe

Jakubke hat Verantwortung abgegeben. Nicht die für Diagnose und Therapie, sondern für Praxis-Abläufe und Bürokratie. Das wirtschaftliche Risiko und die Personalverantwortung liegen jetzt bei Michael Zumholz. Eine Herausforderung, der sich der Werner aber gerne stellt. Denn eine Praxis in seiner Geburtsstadt Werne zu führen und erste Anlaufstelle für Menschen mit unterschiedlichsten gesundheitlichen Problemen zu sein ist genau das, was er sich immer gewünscht hat.

„Man weiß vorher nie, was einen als nächstes erwartet“, sagt er. Vielleicht ein Mensch mit einem Pickel, vielleicht aber auch jemand mit einer lebensbedrohenden Erkrankung, der sofort ins Krankenhaus eingewiesen werden müsse. In jedem Fall bleibt er dabei, begleitet die Patientinnen und Patienten durch das aktuelle Problem und steht ihnen bei allen weiteren bestmöglich zur Seite. Bis zum Schluss.

Die Arbeit als Hausarzt habe ihn schon früh fasziniert, sagt Zumholz. Vielleicht hat das auch mit Thorsten Jakubke zu tun. Zumindest hat sich seine erste Begegnung mit ihm in seine Erinnerung eingebrannt. Zumholz war sechs Jahre alt, als Jakubke - damals etwa so alt wie er heute - bei seiner Familie einen Hausbesuch machte. Warum, weiß der 37-Jährige nicht mehr. Was genau der Hausarzt machte, auch nicht. Wohl aber, dass er tief beeindruckt war. „Ich hatte“, sagt Michael Zumholz heute, „bis dahin noch nie einen so großen Mann gesehen.“ Thorsten Jakubke misst stolze 2,02 Meter. Beide lachen.

Arbeit in Praxis wäre „alleine nicht zu schaffen“

Eine Praxis komplett neu aufzubauen, sagen die Zwei, sei deutlich schwieriger, als eine Praxis zu übernehmen. Beide sind einen anderen Weg gegangen. Jakubke, der bis dahin als Anästhesist im Werner Krankenhaus gearbeitet hatte, war im Juni 1990 bei Jörn Dissing in die Praxis an der Steinstraße eingestiegen. Als dieser 1992 ausschied, arbeitete der großgewachsene Mediziner, der sein Studium in der DDR mit dem akademischen Grad Dipl.-Med. beendet hatte, für sechs Jahre mit Dr. Julia Sult zusammen. Und inzwischen eben mit Michael Zumholz. Alleine, sagen beide, sei die Arbeit sonst kaum zu schaffen.

„Die Hausärzte leisten heute wesentlich mehr als vor 20 oder 30 Jahren“, sagte vor einem Jahr der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Nordrhein, Oliver Funken, dem Ärzteblatt. Bei etwa 30 bis 35 Wochenstunden reiner Behandlungszeit entstünden durch Bürokratie, Patientenbesuche und Fortbildung schnell bis zu 50 Wochenstunden. Das scheint für viele junge Medizinerinnen und Mediziner mit Blick auf ihre Work-Life-Balance wenig attraktiv zu sein.

Sie arbeiten lieber in Kliniken, in der Forschung oder der Wirtschaft, und wenn doch in einer Hausarztpraxis, dann als angestellte Ärzte. Funken befürchtet, dass es entsprechend schwer werden wird, die Lücken zu füllen, wenn erst einmal die bevorstehende Ruhestandswelle rollt. Versorgungsengpässe drohen - allerdings nicht an der Steinstraße 28.

Das Schild an der Tür zur Praxis Zumholz in Werne hat sich zum Jahreswechsel 2023/24 geändert.
Das Schild an der Tür zur Praxis hat sich zum Jahreswechsel 2023/24 geändert. © Sylvia vom Hofe

Bis Ende des Jahres läuft der Anstellungsvertrag, den Zumholz mit Jakubke geschlossen hat: Danach sei eine Verlängerung durchaus denkbar. „Mir macht die Arbeit wirklich Freude“, sagt Thorsten Jakubke. Ende 2023 konnte er mehrere Wochen nicht arbeiten, weil er sich das Bein gebrochen hatte. „Da habe ich gemerkt, dass Ruhestand für mich einfach noch nichts ist.“ So sehr er sich auch darauf freut, jetzt etwas mehr Zeit für seine Familie (Ehefrau und drei Söhne) und seine Hobbys Reisen (am liebsten nach Kenia), Fotografieren (am liebsten Wildtiere) und Golfspielen (wenn es passt, mittwochnachmittags) zu haben: „Ich möchte noch weiter arbeiten“, ist sich der Hausarzt sicher.

Anne-Katrin Zumholz ist auch Ärztin

Michael Zumholz hat kaum Zeit, über Hobbys nachzudenken: zum Beispiel darüber, wann er wieder in einer Band Schlagzeug spielen wird. Der einstige Schüler des St.-Christopherus-Gymnasiums ist gerade in der Rushhour des Lebens: einer Phase, in der ganz viel passiert. Nur wenige Wochen, bevor er in die medizinische Selbstständigkeit startete, wurde er zum zweiten Mal Vater. Das ältere Kind ist drei Jahre alt.

„Meine Frau ist auch Ärztin“, sagt er. Gleich am ersten Tag des Medizinstudiums in Bochum hatten die beiden sich kennengelernt. Dass sie auch langfristig in der Praxis mitarbeiten wird, steht fest. Kurzfristig, „lieber heute als morgen“, braucht die Praxis Zumholz Unterstützung im Team der medizinischen Fachangestellten. Michael Zumholz will die zwei Vollzeit- und zwei halbe Stellen aufstocken.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 27. Februar 2024.