Die Sakristei von Werne ist gut für große Gefühle. Alle, die vom Stadtmuseum in Richtung Marktplatz gehen, kommen an ihr vorbei. Was sie da neben der mehr als 1200-jährigen Kirche stehen sehen, ärgert die einen, freut die anderen. Manche lieben das 25 Jahre alte Werk des Stararchitekten Prof. Dr. Stephan Böhm. Andere hassen es geradezu. Der Blick auf das Zelt aus Metall und Plexiglas neben dem altehrwürdigen Gotteshaus lässt niemanden unberührt. Es wird gelacht und geschimpft - noch. Denn die Tage der Sakristei sind gezählt. Ein Neubau wird sie ersetzen, der weniger ins Auge fallen und die Funktion als Vorbereitungsraum für Gottesdienste besser erfüllen soll. Wie er aussehen wird, hat die Kirchengemeinde am Donnerstagabend (12.9.) öffentlich gemacht: ein Entwurf, an dem sich wieder die Geister scheiden.
Rund 30 Menschen haben sich im Saal des Pfarrheims eingefunden, als Tobias Haverbeck aus Münster nach vorne tritt und mit seinem Beamer-Vortrag beginnt. Erst ein Foto der aktuellen Situation: die achteckige Mondlandefähre, wie manche Böhms Sakristei nennen. Dann ein Luftbild von der Gesamtsituation des Platzes zwischen City Mall, Museum und Dechanei auf der einen Seite, sowie altem Rathaus, Durchgang zum Marktplatz und Wärmehäuschen auf der anderen Seite. Auch nichts Neues. Dann endlich die Draufsicht auf die künftige Bebauung: eine Skizze, bei deren Anblick manchem im Saal der Atem stockt.
„Das ist unsere Sakristei“, sagt Haverbeck und zeigt auf drei Kreise: zwei nebeneinander, einer etwas länger gezogen, darüber. Alle drei in Rot. „Wir bauen eine knallrote Sakristei“, sagt Haverbeck. Stille Im Raum. Dann Lachen von ganz vorne. „Ich habe nur einen Scherz gemacht“, versichert der Architekt, der zugleich Geschäftsführer von Schoeps & Schlüter ist. In solchen Skizzen werde immer rot markiert, was neu gebaut werde. Tatsächlich würden die runden Wände des Neubaus mit beigefarbenen Tonziegeln verkleidet - annähernd derselbe Farbton wie der der Kirche. Nur dass bald viel mehr von ihr zu sehen sein werde, denn die neue Sakristei ist deutlich niedriger als die aktuelle. 3,50 Meter statt 8,80 Meter in der Spitze.
Das Runde kommt aufs Eckige
Der Keller der Böhm-Sakristei bleibe unangetastet, sagt der Planer. Auf das Fundament des stählernen Achtecks werde er die „dezenten Rundungen“ aufstellen: das Runde also aufs Eckige. Das spare Geld und Bauzeit. Die Fenster seien zwischen den Rundbögen gedacht und auf dem Flachdach ein großes Oberlicht, damit die Aktiven der Kirchengemeinde bei Tageslicht arbeiten könnten. Wie bislang werde die Verbindung zur Kirche über einen Glasgang erfolgen. Anders als zurzeit sei die Sakristei barrierefrei zu erreichen, genauso das WC für Gottesdienstbesucher. „Es lässt sich auch unabhängig von der Sakristei öffnen“, sagt er.
Die Gäste im Saal schweigen einen Moment. Dann applaudieren alle. Ob für den Vortrag oder für den Entwurf ist nicht ganz klar. Sie fände den Entwurf „sehr interessant“, sagt eine Frau: „Harmonisch, ohne anzubiedern“. Eine andere widerspricht. Wie „abgeschnittene Röhren“ wirkten die Baukörper auf sie. Wieder eine andere spricht von überdimensionierten Kübeln. Und ein Mann ergänzt ganz sachlich, dass bei aller Kritik das Böhmsche Werk mit seiner Anspielung auf das Zelt des wandernden Gottesvolks mehr ästhetische Kraft habe, während er sich „mit diesen Rundungen nur schwer anfreunden“ könne.

Bülte: „Gewinn für Innenstadt“
Wernes Baudezernent Ralf Bülte gehört zu der Fraktion der Befürworter: „Hier sieht man, wie anspruchsvoll die Aufgabe ist, für die Kirche eine Sakristei zu bauen“, sagt er. Die gefundene Lösung findet er gut. „Sehr kompakt, energetisch ein deutliches Plus: ein Gewinn für unsere Innenstadt.“ Für den Verlust für die Innenstadt, das von so vielen ungeliebte Böhmsche Ufo, wie manche die Sakristei nennen, gibt es auch eine Option. Wenn alles gut gehe, kommt es nicht zum Bauschutt, sondern auf die sogenannte Raketenstation der Museumsinsel Hombroich im Rhein. Eine entsprechende Anfrage gebe es, sagt Pfarrdechant Jürgen Schäfer. Eine Zusage der Pfarrgemeinde ebenfalls. Auch Prof. Böhm wäre damit sehr einverstanden. Noch fehle aber Geld für Abbau, Transport und Wiederaufbau.
Dass das teuer werden könne, weiß Schäfer. „Eigentlich“, sagt er, hätte Böhms Sakristei alle 15 Jahre einmal komplett abgebaut, neu gedämmt und wieder aufgebaut werden müssen. „Das kostet jeweils 140.000 Euro. Unbezahlbar.“ Ob die Gemeinde das nicht vor über 25 Jahren wusste, als sie - damals ohne großen Widerspruch - den Böhm-Entwurf auswählte, bleibt offen. Ebenso wie der Preis für Tobias Haverbecks neue Sakristei. Nur so viel kann Pfarrer Schäfer auf Nachfrage verraten: „Ein sechsstelliger Betrag, mehr als für ein Wohnhaus.“ Allerdings nur einmal. Folgekosten wie für das Stahlzelt, in dem es schon lange durchregnet, seien nicht zu erwarten. Dafür mehr Komfort. Im Zelt werde es im Sommer an die 40 Grad heiß, „und im Winter kommen wir trotz Heizung kaum über 8 Grad“.
Zum Neubau gebe es keine Alternative, so Schäfer. „Dabei war es nie unsere Absicht, die Böhm-Sakristei übertrumpfen zu wollen.“ Die Bauarbeiten werden im April 2025 beginnen und Mitte 2026 enden.
