Ärger über hohe Grundsteuer „Werne nimmt als einzige Stadt im Kreis so viel Geld“

„Werne nimmt als einzige Stadt im Kreis so hohe Grundsteuern“
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„Als ich den Grundsteuerbescheid für mein Wohngrundstück bekam, bin ich fast vom Stuhl gefallen“, sagt der erboste Bürger aus Werne. Er möchte nicht namentlich in Erscheinung treten, nennen wir ihn daher Günter M. „Die Steuer hat sich verdoppelt, ich soll 400 Euro mehr zahlen.“

Günter M. ist privat und beruflich ein Mann der Zahlen. Deshalb hat er sich tief in die Materie eingegraben. Was ihn besonders erbost: Werne ist seiner Aussage zufolge die einzige Stadt im Kreis Unna, die Wohneigentümern derart tief in die Tasche greife. Es gibt aber noch eine zweite Sache, die ihn sauer macht. Doch zunächst zu Punkt eins: „Grundsteuererhebung der Stadt Werne nach der Grundsteuerreform.“

Die Grundsteuerbescheide für 2025 erregen große Aufmerksamkeit, weil die Grundsteuerreform die Berechnungsgrundlagen verändert hat.
Die Grundsteuerbescheide für 2025 erregen große Aufmerksamkeit, weil die Grundsteuerreform die Berechnungsgrundlagen verändert hat. © picture alliance/dpa/dpa-tmn

Komplizierter Sachverhalt

Der Titel lässt es schon erahnen - es dreht sich alles um einen komplizierten Sachverhalt. Versuchen wir, ihn einfach darzustellen:

Infolge der Grundsteuerreform kam es überall in der Bundesrepublik zu Neuberechnungen von Grundstücken zu Zwecken der Wohnnutzung oder Nicht-Wohnnutzung, also zumeist Gewerbeflächen. Die Städte mussten nun versuchen, einen Balance-Akt hinzubekommen zwischen Flaute in der Stadtkasse und Belastung für Wohngrundeigentümer und Gewerbebetriebe. In Werne sei das einseitig zu Lasten der Häuslebesitzer erfolgt, moniert Günter M. Er belegt das mit einer umfangreichen Akte, die er zusammengestellt hat.

Schlechteste Variante in Werne

Demnach habe sich der Rat der Stadt Werne für die Variante entschieden, die Wohngrundstücke am höchsten belaste. Auf der anderen Seite ergibt sich dadurch der Effekt, dass die Stadt das errechnete Defizit von 1,7 Mio. Euro abdecken kann. „Aber wir als Wohneigentümer bringen von diesen 1,7 Mio Euro 1,25 Mio. auf, die Gewerbeflächen nur 0,45 Mio. Euro“, sagt M. Das führe zudem dazu, dass manche Wohngrundeigentümer eine Grundsteuer-Mehrbelastung von mehr als 1000 Euro pro Jahr stemmen müssten.

Bei seiner akribischen Recherche stellte der Zahlen-Mann fest: Nur Werne greift den Eigenheimern derart tief in die Tasche. Alle anderen Kommunen des Kreises Unna belasteten das Wohnareal-Klientel zum Teil deutlich milder. „Selm zum Beispiel, obwohl auch hoch verschuldet, hat den Hebesatz der Grundsteuer sogar gesenkt. Aus meiner Sicht ist das bei uns in Werne nicht gerecht.“

Damit kommt Günter M. zum zweiten Punkt, der ihn erbost. Er hat am 13. März Bürgermeister Lothar Christ angeschrieben und ihn mit seinen Berechnungen konfrontiert. Er wolle vom Bürgermeister erreichen, dass er sich für eine Revision des entsprechenden Ratsbeschlusses einsetzt. Was hat der Bürgermeister geantwortet? „Nichts. Ich habe bis heute, sechs Wochen später, keine Antwort erhalten“, sagt M. am 27. März im Gespräch mit der Redaktion.

Auf Anfrage der Redaktion anwortet Stephan Krüger von der Kämmerei im Namen von Bürgermeister Christ: „Allgemein möchte ich (...) versichern, dass, sollte sich ein Bürger schriftlich an die Stadt Werne im Wege eines Widerspruchs gegen die festgesetzten Grundsteuern gewandt haben, im Rahmen einer der Arbeitsbelastung geschuldeten angemessenen Zeit eine Rückmeldung der Stadt Werne erfolgen wird. Im Wege dessen werden dann auch eventuell aufgeworfene Fragen ausführlich beantwortet.“

Zum Vorwurf der zu starken Belastung von Wohngrundstücken schreibt Krüger ausführlich: „Durch die Grundsteuerreform ist es zu teilweise erheblichen Verwerfungen in der Belastung der Bürgerinnen und Bürger gekommen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein, alleine die Stadt Werne, betreffendes Phänomen (...) Diese Verschiebungen, Be- und Entlastungen sind in diversen Sitzungen des Haupt- und Finanzausschusses ausführlich thematisiert und beleuchtet worden. Leider ist auch eine Mehrbelastung nicht auszuschließen.

Es bleibt jedoch festzuhalten, dass, wie von der Grundsteuerreform vorgesehen, auch in der Stadt Werne das Grundsteueraufkommen gleich geblieben ist. Ebenfalls ist die erdrosselnde Wirkung einer Anpassung der Grundsteuerhebesätze im Wege der Umsetzung der Reform geprüft worden. Ich kann Ihnen versichern, um auf Ihre konkrete Frage der Zumutbarkeit einzugehen, dass die Zumutbarkeit von Belastungen eine subjektive Einschätzung ist, das Vorliegen einer o.g. erdrosselnden Wirkung in Bezug auf die Steuerhebesätze der Stadt Werne jedoch nicht festgestellt werden konnte.“

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Auswahl-Möglichkeit bei Hebesätzen

Die Grundsteuerreform habe ergeben, „dass in einigen Kommunen private Haushalte künftig stärker (...) belastet werden als die Eigentümer von Nichtwohngrundstücken“ schreibt die NRW-Finanzverwaltung in einer öffentlichen Info. Der Landtag habe daraufhin eine Differenzierung erlaubt. Dadurch sei es den Kommunen freigestellt, „diese Hebesätze so auszutarieren, dass es nicht zu einer übermäßigen Belastung etwa von Eigentümern von Wohnimmobilien kommt“, heißt es weiter.

Zwei Gutachten stützen die Rechtmäßigkeit dieser Auffassung des Landtages, sagt Günter M., ein Gegengutachten verweise auf mögliche Rechtsunsicherheit bei einer Differenzierung.

Dem Rat der Stadt Werne sind folgende Beispielrechnungen zu Gesamteinnahmen der Gewerbesteuer vorgestellt worden.

  • Bei einer Fortführung des bisherigen Hebesatzes (mit Defizit für die Stadtkasse) müssten Wohneigentümer 4,1 Mio., Besitzer von Nicht-Wohngrundstücken 1,4 Mio. Euro zahlen.
  • Bei einem „aufkommensneutralen“ (also ohne Defizit), differenzierten Hebesatz wären es 4,5 zu 2,8 Mio. Euro.
  • Werne habe sich, moniert M., für die für Wohneigentümer teuerste Variante entschieden: „aufkommensneutraler, einheitlicher Hebesatz“ (884 Prozentpunkte), 5,4 zu 1,9 Mio. Euro.

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