Die sonst so gute Zusammenarbeit zwischen deutschen und niederländischen Behörden im Grenzgebiet bekommt Risse und das ausgerechnet bei einem Thema, das zukunftsweisend ist. Entlang der deutsch-niederländischen Grenze gibt es Streit um deutsche Windräder. Von Enschede im Norden bis nach Bocholt im sollen zahlreiche neue Anlagen direkt an der Grenzlinie gebaut werden.
Auch auf dem Gebiet der Stadt Vreden sind solche Projekte geplant. Die niederländischen Nachbargemeinden und die Anwohner dort sind aber nicht ausreichend oder gar nicht informiert worden. Der Ärger ist dementsprechend groß. Hans van Gorsel und seine Nachbarn, die selbst direkt an der Grenze zu Vreden leben, wollen sich das nicht länger gefallen lassen und wehren sich.
Schlechte Kommunikation
„Eingeladen waren wir nicht“, erinnert sich Hans van Gorsel an eine Informationsveranstaltung in Zwillbrock, bei der Anwohner und Interessierte in die Planungen der Windkraftanlagen involviert werden sollten. „Aber wir haben durch Bekannte davon gehört und sind natürlich trotzdem hingegangen.“ Hätte er nicht rechtzeitig von dieser Veranstaltung erfahren, hätte van Gorsel wohl erst dann gemerkt, dass eine Windkraftanlage in direkter Nähe zu seinem Grundstück entsteht, wenn die ersten Schwertransporte angerollte wären. „Man versucht uns vor vollendete Tatsachen zu stellen“, betont er merklich frustriert. „Und da sind wir auch nicht die ersten.“
Das Vorgehen sei immer gleich: die sonst so gut zusammenarbeitenden Behörden in Deutschland und den Niederlanden scheinen sich in dieser Sache vergleichsweise wenig auszutauschen. Auch die Investoren würden sich, so van Gorsel, nur wenig um die Belange auf der anderen Seite der Grenze kümmern. „Klar, die hoffen natürlich, dass keiner etwas mitbekommt“, so der Niederländer. „Aber das lassen wir uns nicht gefallen.“
Während Windkraftanlagen in Deutschland und ganz konkret auch in der Vredener Lokalpolitik einen vergleichsweise positives Image genießen, sieht das in weiten Teilen der niederländischen Gesellschaft anders aus. Hans van Gorsels Argumente gegen die Anlagen sind vielfältig. „Wir sind ja gar nicht grundsätzlich gegen Windräder“, erklärt er. „Aber es gibt viele Aspekte, die mehr Beachtung verdienen.“
Nachteil für die Umwelt
So würden die geplanten Anlagen zum Beispiel in Vreden nicht in einem Naturschutzgebiet stehen, aber nur einen Steinwurf entfernt von einer Naturschutzzone jenseits der Grenze. „Die Auswirkungen durch besonders große Windkraftanlagen auf die Umwelt, sind bisher noch nicht ausreichend erforscht“, betont der Niederländer.
Auf der Informationsveranstaltung habe hingegen eher einseitige Informationen gegeben, bei denen die finanzielle Seite hervorstach und dem Umweltaspekt wenig oder gar keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde. „Die finanzielle Seite und der Gewinn wurden den Menschen natürlich schön präsentiert“, berichtet Hans van Gorsel.
Dabei seien zusätzlich auch die Auswirkungen für Anwohner noch nicht endgültig beleuchtet worden. „Es gibt Untersuchungen, die beweisen, dass die Geräusche der Windräder Stress bei Menschen verursachen, wenn sie ihnen langfristig ausgesetzt sind“, erklärt er weiter. „Einen ähnlichen Effekt haben auch die Schwingungen der Anlagen, die bis zu zwei Kilometer weit über den Boden übertragen werden können.“
Schaden für den Tourismus
Des Weiteren sehen der Niederländer und seine Nachbarn ein großes Risiko für den Tourismus in der Region. Laut Statista kommen rund 9 Millionen Touristen jährlich aus Deutschland in die holländische Grenzregion zum Urlaub machen. Circa 800.000 davon im Grenzgebiet des Kreises Borken. „Diese Menschen kommen vor allem wegen der Ruhe und der schönen Landschaft“, betont Hans van Gorsel. „Damit könnte es dann bald vorbei sein.“
Auch der Wertverlust der Immobilien sei für die Anwohner nicht zu missachten. Dieser könne laut dem Holländer bis zu 20 Prozent in den Niederlanden betragen. Wobei die Häuser in den Niederlanden einen großen Wertunterschied zum Hauspreis in Deutschland aufweisen. „Ich finde es nur seltsam, dass es die Anwohner auf deutscher Seite nicht zu stören scheint“, wundert sich der Anwohner. „Die halten die Füße still.“
Sämtliche Behörden informiert
Doch Hans van Gorsel und seine Verbündeten wollen nun auch in Deutschland für Aufsehen sorgen. „Sowohl die Verwaltung in Münster als auch in Borken und Vreden sowie Eibergen haben wir versucht auf unsere Lage aufmerksam zu machen“, erklärt er. „Sowohl beim Projektentwickler als auch bei der Stadt Vreden haben wir uns beklagt. Auch der niederländische Staat wurde informiert und gefragt, wie unsere Sicherheit gewährleistet ist.“
Besonders viele Klagen in NRW
Dass die Projektentwicklung in Deutschland aktuell so sehr beschleunigt werde, führt der Niederländer darauf zurück, dass das Land Nordrhein-Westfalen seine hochgesteckten Energieziele bis 2025 mit allen Mitteln erreichen will. Das bestätigt auch eine groß angelegte Recherche der NOZ (Neuen Osnabrücker Zeitung). Laut einer Umfrage der NOZ bei deutschen Oberverwaltungsgerichten rangiert NRW in der Klagenliste gegen Windkraftvorhaben auf dem Spitzenplatz. Die Gründe reichen von Artenschutzbedenken über Einwände zu Schallemissionen bis hin zu Vorbehalten des Denkmalschutzes.
Denn das Problem sieht der Niederländer nicht ausschließlich in Deutschland. „Auch bei uns in den Niederlanden interessiert man sich in den großen Städten wie Rotterdam und Amsterdam nur wenig für das, was in der Grenzregion passiert“, berichtet der Grenzbewohner. „Und das wollen wir jetzt ändern.“
