„Wie meine eigenen Kinder“ Sawsan Yasin (42) aus Vreden leitet Jugendgruppe für Geflüchtete

Vredenerin Sawsan Yasin (42) leitet Jugendgruppe für Geflüchtete
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Die Gruppe, die sich am Mittwochabend im Vredener Stadtpark versammelt hat, ist bunt gemischt. Die Jugendlichen unterhalten sich auf Deutsch, Ukrainisch, Englisch. Es geht fröhlich zu, alle sind zu Scherzen aufgelegt.

Sie haben in den Osterferien am Förderprogramm „Fit in Deutsch“ für Geflüchtete teilgenommen und dort Sawsan Yasin kennengelernt. Die 42-jährige Vredenerin hat das Projekt bereits zum dritten Mal unterstützt. Doch diesmal wollten die Jugendlichen sie nicht mehr gehen lassen.

Die Jugendlichen beim Picknick im Park.
Die Jugendlichen beim Picknick im Park. Deutsch lernen steht ganz oben auf dem Programm, aber auch für die Sorgen der Jugendlichen hat Sawsan Yasin ein offenes Ohr. © privat

„Am letzten Tag kam Mykola zu mir und sagte mir, dass die Jugendlichen Kontakt zu mir halten wollen“, erzählt Sawsan Yasin. Und die Vredenerin setzte trotz Vollzeitjob und zwei eigenen Kindern bei den Behörden alle Hebel in Bewegung, um dem Wunsch nachzukommen.

Hauptberuflich arbeitet Sawsan Yasin Vollzeit im Fachbereich Soziales und Integration bei der Stadt Gronau. Dort arbeitet sie insbesondere mit Erwachsenen zusammen, unterstützt sie bei der Erstorientierung. „Ich mache das schon jahrelang, war früher viel im Ausland aktiv.“ 2015 unterstützte sie bereits Geflüchtete aus Syrien.

Verschiedene Nationen

Heute gehören zu ihrer Gruppe zwölf Jugendliche im Alter zwischen 12 und 16 Jahren. Viele von ihnen stammen aus der Ukraine. Aber auch andere Nationen sind vertreten. Ahmadsaw (16) stammt zum Beispiel aus Afghanistan, Mikael (14) aus Tschetschenien.

Doch Probleme aufgrund ihrer verschiedenen Nationalitäten haben die Jugendlichen nicht. Im Gegenteil: „Dank Sawsan Yasin haben wir alle verstanden, dass es egal ist, welche Hautfarbe, Religion oder Nationalität du hast. Hauptsache ist, was in dir steckt“, betonen der 15-jährige Mykola und der 13-jährige Ihor aus der Ukraine in einem Video, das sie gemeinsam für Sawsan Yasin gedreht haben.

Sawsan Yasin und einige die Jugendlichen
Die Jugendlichen liegen Sawsan Yasin (r.) sehr am Herzen. Neben Vollzeitjob und eigener Familie findet die auch noch Zeit um sie zu unterstützen. © Carina Strauss

Das Video rührt die 42-Jährige sichtlich. Die Jugendgruppe ist ihr bereits in der kurzen Zeit schon ans Herz gewachsen. „Ich hoffe, dass die Gruppe lange zusammen bleibt. Denn sie sind mir sehr wichtig. Sie sind fast wie meine eigenen Kinder. Ich habe jetzt 14 Kinder statt nur zwei“, so Sawsan Yasin.

Sie möchte mit ihrer Arbeit dazu beitragen, dass die Jugendlichen sich besser integrieren können, gefördert werden, später einmal eine gute Ausbildung machen. Dafür trifft sie sich alle zwei bis drei Wochen mit den Jugendlichen, unternimmt Ausflüge mit ihnen, übt mit ihnen den Sprachgebrauch im Alltag – alles ehrenamtlich.

Und das mit Erfolg: Alle sechs Jugendlichen, die am Mittwoch im Stadtpark dabei sind, sind erst ein Jahr und ein paar Monate in Deutschland. Dafür klappt die Unterhaltung mit der Reporterin von der Zeitung schon sehr gut. Wenn einmal Wörter fehlen, helfen andere aus.

Viele wollen in Deutschland bleiben

Offen erzählen die Jugendlichen von ihren ersten Erfahrungen in Deutschland. Yevheniia (15) ist mit ihrer Mutter aus ihrer Heimatstadt Mariupol in der Ukraine geflohen. „Ich bin sehr froh, dass ich Sawsan Yasin kennenlernen durfte“, so Yevheniia.

Das erste halbe Jahr in Deutschland sei für sie sehr schwierig gewesen. Auch heute vermisst sie ihre Heimat in der Ukraine sehr. „Aber ich mag das Leben in Deutschland.“ Mittlerweile hat sie viele internationale Freunde gefunden. Damit sie noch mehr Kontakte zu gleichaltrigen Deutschen knüpfen kann, hat Sawsan Yasin ihr bei der Aufnahme in einen Sportverein geholfen.

Auch Mykola fühlt sich wohl in Deutschland. Er würde später am liebsten hier studieren oder eine Ausbildung machen. Damit ist er nicht alleine. Alle sechs können sich eine Zukunft in Deutschland vorstellen. „Ich möchte mein Deutsch verbessern und später in einer großen Firma arbeiten“, ist Alexanders (15) Wunsch. Ahmadsaw möchte einmal Polizist werden.

Auch Ausflüge stehen für die Jugendlichen auf dem Programm.
Auch Ausflüge stehen für die Jugendlichen auf dem Programm. © privat

Sawsan Yasin möchte ihre Schützlinge dabei unterstützen. Nicht nur im Sprachgebrauch. Die Jugendlichen sollen vor allem auch die deutsche Kultur kennenlernen. „Die ist doch sehr anders als in der Ukraine.“

Sie hat den Wunsch, mit ihnen einen Ausflug nach Berlin oder Hamburg zu machen. Dafür sucht die Vredenerin derzeit Sponsoren. Denn sie bekommt für ihre Arbeit mit den Jugendlichen zwar Fördermittel aus dem „Komm-an NRW“-Programm, doch das sei eher für kleinere Unternehmungen gedacht und reiche nicht für große Ausflüge.

Ein weiterer Wunsch der Vredenerin ist es, dass irgendwann auch deutsche Kinder zu der Gruppe dazustoßen, um die Integration weiter zu fördern.

Und auch sonst hat die Gruppe noch viel vor. Ihor kann es zum Beispiel kaum erwarten, bis es in den Moviepark geht. Ahmadsaw würde gerne einmal zelten gehen. Unterstützt wird Sawsan Yasin bei all dem von ihrem Neffen Laith, der in Münster Lehramt studiert. Und natürlich Mykola, der nicht nur die Idee für die Gruppe hatte, sondern unter anderem auch tatkräftig mit anpackt, zum Beispiel wenn es ums Einkaufen geht.

Doch das alles neben Beruf und Familie? „Ich mache das von Herzen gerne, verbringe viel Freizeit mit den Jugendlichen, weil sie mir unheimlich wichtig sind.“ Sollte einer von ihnen jemals zurück in die Heimat gehen, gibt ihnen Sawsan Yasin schon heute das versprechen: „Ich werde euch besuchen.“