Durch die Anpassung Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte wird der Besuch in einer tierärztlichen Praxis ab dem 22. November 2022 teurer.

Durch die Anpassung Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte wird der Besuch in einer tierärztlichen Praxis ab dem 22. November 2022 teurer. © picture alliance/dpa

Tierärzte zu Gebührenerhöhung: „Wird nicht zu einem Abgabewettrennen führen“

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Ab dem 22. November müssen Tierhalter in der Tierarztpraxis etwas tiefer in die Tasche greifen. Wir haben nachgefragt, was Tierärzte in Vreden und Stadtlohn von der Gebührenanpassung halten.

Vreden, Stadtlohn

, 11.09.2022, 14:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT) wurde laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zuletzt im Jahr 1999 umfassend geändert. „Seitdem hat sich die Tiermedizin intensiv weiterentwickelt und viele neue Untersuchungsverfahren etabliert, für die es bislang keine Abrechnungsziffern gab“, sagt Dr. Jörg Tenhündfeld von der tierärztlichen Praxis Vetland Dr. Tenhündfeld & Kollegen in Vreden.

Nun erfolgte eine Anpassung auf Basis eines Forschungsprojekts des BMEL, die ab dem 22. November 2022 in Kraft tritt. Insbesondere soll dadurch der wirtschaftliche Praxisbetrieb zukünftig gewährleistet werden.

Steigende Betriebskosten

Dr. med. vet. Michael Bühs von der gleichnamigen Tierarztpraxis in Stadtlohn sagt dazu: „Für alle, auch nicht medizinischen Firmen, steigen die Betriebskosten – zum Beispiel Strom, Gas, Rohstoffe. Daraus ergibt sich ein allgemeiner Preisanstieg, der auch in der Tiermedizin geschultert werden muss.“ Jörg Tenhündfeld ergänzt: „Die aktuell gestiegenen Energiekosten können auch mit der aktuellen Novelle kaum ausgeglichen werden. Gleiches gilt für die Instandhaltungs- und Baukosten von Praxen.“

Aber noch ein anderer Kostenfaktor erschwert die Lage, wie er weiter erklärt: „Unter anderem erhöhen die Pharmafirmen seit jeher mindestens einmal jährlich, aktuell sogar mehrfach jährlich, die Preise. Gleiches gilt für die Hersteller von Diagnostikgeräten.“

Dass Attraktivität des Berufes durch die Erhöhung steigt, damit rechnet Dr. Jörg Tenhündfeld nicht.

Dass Attraktivität des Berufes durch die Erhöhung steigt, damit rechnet Dr. Jörg Tenhündfeld nicht. © privat

Dass durch die Preisanpassung noch ein weiteres Problem der Branche, nämlich der Nachwuchsmangel, behoben werden kann, bezweifeln die Tierärzte jedoch. „Es gibt schon lange einen Nachwuchsmangel in der Veterinärmedizin. Die GOT Erhöhung wird dieses Problem nicht beheben. Die Gründe hierfür sind die relativ wenigen Studienplätze gepaart mit der Auswahl der Studienbewerber“, sagt Michael Bühs.

Auch Jörg Tenhündfeld bezweifelt, dass eine Änderung unmittelbar die Attraktivität des Berufes erhöht: „Da sind viele andere Dinge entscheidender. Insbesondere werden Praxen nun in die Lage versetzt, auf Basis der realen Kostensituation zu kalkulieren. Grundsätzlich sind solide betriebswirtschaftliche Zahlen natürlich attraktivitätserhöhend, weil mit dem Einkommen nächste Entwicklungsschritte möglich werden – wie neue Geräte oder Gebäude.“

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Und wie teuer wird der Praxisbesuch zukünftig konkret? Da sind sich die Tierärzte noch nicht so sicher – zu viele verschiedene Faktoren hingen davon ab. Etwa, welche Leistungen kombiniert werden. Michael Bühs hat ein Beispiel: „Eine Katzenschutzimpfung setzt sich aus mehreren Punkten zusammen: Allgemeinuntersuchung, Schutzimpfung, angewendeter Impfstoff und sonstige Bescheinigungen.“

Hinzu kämen die unterschiedlichen Gewichtsklassen der Tiere, wie er weiter erklärt: „Zwischen einem Hund von 10 Kilogramm und einem Hund von 30 Kilogramm können nur in Bezug auf die Narkose schon mal 30 bis 40 Euro Unterschied in der Abrechnung liegen.“

Kollege Jörg Tenhündfeld versucht das Ganze dennoch konkreter in eine Zahl zu fassen: „Ein durchschnittlicher Tierarztbesuch wird sich zum Beispiel für einen Hund mit Erbrechen oder Bronchitis um etwa 10 bis 15 Euro verteuern.“

Reaktion der Tierhalter

Wie Tierhalter letztendlich mit der Anpassung umgehen, bleibt abzuwarten. Der Deutsche Tierschutzbund befürchtet laut einer Stellungnahme gar, dass notwendige Behandlungen aufgrund der Kosten nicht durchgeführt werden oder Tiere vermehrt in Tierheimen abgegeben werden könnten. Diese Ansicht teilen der Vredener und der Stadtlohner Tierarzt nicht.

Michael Bühs rechnet jedoch damit, dass nicht unbedingt notwendige Praxisbesuche ausfallen: „Zum Beispiel Zeckenentfernungen könnten dann zu Hause selber erledigt werden. Aber: Eines jeden Schmerzgrenze ist in Bezug auf Bezahlbarkeit unterschiedlich. Und die Erhöhung der GOT wird sicherlich nicht zu einem Abgabewettrennen der Tiere in Tierheimen führen.“

Dr. med. vet. Michael Bühs glaubt nicht, dass die Erhöhung der GOT zu einem Abgabewettrennen der Tiere in Tierheimen führen wird.

Dr. med. vet. Michael Bühs glaubt nicht, dass die Erhöhung der GOT zu einem Abgabewettrennen der Tiere in Tierheimen führen wird. © privat

Das sieht Jörg Tenhündfeld ähnlich und ergänzt: „Wenn das Geld knapp wird, muss eben nach Priorität gewirtschaftet werden. Unsere Tierbesitzer sind in aller Regel aber so verantwortungsvoll, dass eher in anderen Bereichen verzichtet wird, als dem geliebten Haustier eine tiermedizinische Versorgung vorzuenthalten.“

Zudem ist er der Meinung, dass sich ein möglicher Verzicht nicht ausschließlich auf die neue Gebührenordnung zurückführen lässt und vielmehr die generellen Kostensteigerungen in allen Lebensbereichen berücksichtigt werden müssen.

Bezahlbarkeit für Landwirte

Auch weitere Vorbehalte des Tierschutzbundes teilen die beiden Tierärzte nicht, etwa einen möglichen Konflikt zwischen der Wirtschaftlichkeit für Tierärzte und der Bezahlbarkeit für Landwirte in Bezug auf Nutztiere. Jörg Tenhündfeld stellt auch fest: „Die landwirtschaftlichen Tierhalter sind zwingend von einer guten Tiergesundheit abhängig, um überhaupt wirtschaftlich bestehen zu können. So haben deren Investitionen in Tiergesundheit immer Vorrang, völlig unabhängig von der Erlössituation.“

Michael Bühs ergänzt: „Ich habe von Jahr zu Jahr eine Zunahme des Tierwohls gesehen. Für jeden Landwirt steht das Tier im Vordergrund.“ Zudem nehme die tierärztliche Versorgung eines landwirtschaftlichen Betriebes in Bezug auf die gesamten Betriebskosten nur einen kleinen Teil der tatsächlichen Gesamtkosten in Anspruch. „Eine Erhöhung der GOT wird in diesem Bereich sicherlich nicht zu mehr Tierleid führen“, so der Tierarzt.

Tipp Tierkrankenversicherung
  • Laut Michael Bühs wird schon seit einigen Jahren in den Medien für Tierkrankenversicherungen geworben. Aber: „Geschenkt wird einem auch hier nichts. Doch werden durch Versicherungen Spitzen der hohen Belastung abgefangen - wie nicht planbare Op´s, die nicht mal eben aus dem Portemonnaie bezahlt werden können. Die Versicherung kann einen Gewissenskonflikt und finanzielle Notlagen des Tierbesitzers effektiv verhindern.“
  • Jörg Tenhündfeld empfiehlt gerade in finanziell schwierigen Zeiten OP-Versicherungen: „Sie tragen dazu bei, dass die Liquidität bei den Tierbesitzern erhalten bleibt.“