Stolpersteine erinnern an jüdische Familien Verwandte reisen aus Israel und Hamburg an

Für die Verlegung der Stolpersteine reisten Verwandte aus Israel an
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Mit gerade einmal elf Jahren mussten sie gemeinsam flüchten: Heinz Mogendorff und seine Cousine Hanna Mogendorff flohen nach der Pogromnacht 1938 aus Vreden in die Niederlande. Um an ihr Schicksal und das von weiteren geflüchteten jüdischen Familien aus Vreden zu erinnern, verlegte der Künstler Gunter Demnig am Dienstag (10. Dezember) insgesamt vierzehn neue Stolpersteine in der Innenstadt.

Dafür nahmen zwei Angehörige eine besonders lange Reise auf sich: Heinz Mogendorffs Sohn Isidoro Mogendorff und Hanna Mogendorffs Enkelsohn Hernán Wornovitzky. Sie reisten von Israel nach Vreden. „Ich fühle mich sehr geehrt, dass der Aufwand für meine Familie betrieben wird“, sagt er. Er sei zudem beeindruckt von dem Eifer und Einsatz aller Projektbeteiligten.

Zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern konnten Heinz und Hanna Mogendorff mit einem Schiff von Rotterdam nach Uruguay fliehen. Dabei waren also: Heinz‘ Eltern Bernhard und Frieda Mogendorff sowie sein Bruder Walter, und Hannas Eltern Hermann und Ida Mogendorff sowie ihre Geschwister Fritz und Ernst. Die beiden Familien Mogendorff hatten in Vreden Tür an Tür in der Windmühlenstraße gewohnt. Dort wurden jetzt auch die Stolpersteine verlegt.

Irmgard Kondring-Terhürne aus Vreden berichtet von Heinz Geschichte. Sie steht selbst in engem Kontakt mit der Familie Mogendorff. Denn die Familie ihres Mannes, Egbert Terhürne wanderte nach Kriegsende nach Uruguay aus. „Die Familie Mogendorff begrüßte meine Familie mit offenen Armen“, erzählt Egbert Terhürne. Außerdem kannten sich seine Mutter und Fritz Mogendorff schon aus der Schulzeit. Irmgard Kondring-Terhürne erzählt, dass Heinz Mogendorff 2008 in Israel verstarb. Vorher habe er mit seiner Familie 63 Jahre in Urugay gelebt. Sie berichtet auch, dass er sich immer nach Vreden hingezogen gefühlt habe.

Vreden war immer das Zuhause

„Einen Tag vor seinem Tod telefonierte er noch vom Krankenbett aus mit Freunden in Vreden“, sagt sie. Heinz Mogendorff soll da gesagt haben: „In Gedanken sitze ich in der Eisenbahn und fahre nach Hause.“ Die Familie Mogendorff haben sich immer mit der Stadt Vreden verbunden gefühlt.

Hanna Mogendorff lebt noch heute in Buenos Aires. Sie ist 97 Jahre alt. Speziell für den Anlass der Stolpersteinverlegung nahm sie eine Sprachnachricht auf. Sie erzählt, wie dankbar sie ist und was für eine Ehre die Stolpersteinverlegung für sie ist: „Ich liebe heute noch die Stadt Vreden. Ich werde Vreden niemals vergessen“, sagt sie mit gebrochener Stimme.

Isidoro Morgendorff und Roberto Wolff bei der Stolpersteinverlegung.
Isidoro Morgendorff (links) lebt in Israel und Roberto Wolff (rechts) in Hamburg. Beide wollten die Stolpersteinverlegung für ihre Familien auf keinen Fall verpassen. © Melina Arntzen

An der Neustraße 6 wurde ein Stolperstein für Bella Liebreich verlegt. Sie war Hutmacherin und hatte dort ihren eigenen Laden. 1940 konnte sie zusammen mit den Familien Mogendorffs nach Uruguay entkommen. Sie starb im Mai 1968 mit 82 Jahren in Montevideo in Uruguay.

In der Wassermühlenstraße 17 erinnern nun Stolpersteine an die Familie Wolff – und zwar an die Eltern Aron und seine Selma Wolff sowie die Söhne Arthur und Hans Wolff. Sie mussten 1939 nach Chile fliehen. Roberto Wolff, der Sohn von Arthur Wolff, ist zur Stolpersteinverlegung aus Hamburg angereist.

Schwere Bedingungen in Chile

Er sagt: „Meine Familie war sehr deutsch geprägt und dachte bis zur Kristallnacht, dass sie in Deutschland bleiben könnte.“ Sein Großvater Aron Wolff erlitt in dieser Nacht schwere Kopfverletzungen, an denen er später verstarb. In Chile wohnte die Familie zunächst in einem Haus mit Lehmboden. Da die Lebensbedingungen sehr schwer waren, starben weitere Familienmitglieder. „Die Fehler der Vergangenheit dürfen sich nicht wiederholen“, sagt Roberto Wolff.

Auf Initiative von Carola Terhürne, Mitglied im Heimat- und Altertumsverein der Vredener Lande e.V., wurden die neuen Stolpersteine verlegt. Zusammen mit drei Schülerinnen vom Gymnasium Georgianum erstellte sie ein Faltblatt und eine Homepage zur jüdischen Geschichte von Vreden. Daran mitgearbeitet haben die drei Schülerinnen Ida Decker, Katharina Demes und Antonia Laurich aus dem Geschichtskurs von Hendrik Schulze Ameling.

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