Für Hans Herick und Rudolf Heßing-Herick war die Entlassfeier der St.-Anna-Realschule in Stadtlohn in diesem Jahr ein ganz besonderer Tag: Ihr Sohn, den sie als Pflegekind zu sich genommen haben, hat die Schullaufbahn erfolgreich gemeistert. Ein Zeitpunkt, dankbar auf die Zeit als Pflegeeltern zurückzublicken, in der sie viel Unterstützung erhalten haben. Erst vom Team der St. Norbert-Schule in Vreden, dann vom Team der St.-Anna-Realschule. Und auch von vielen weiteren Institutionen, die sie begleitet haben auf dem Weg.
„Der Wunsch, eine eigene Familie zu gründen, hat uns als Paar lange beschäftigt. Deshalb nahmen wir vor rund 15 Jahren Kontakt mit den zuständigen Behörden auf“, erzählt Hans Herick im Gespräch mit der Redaktion. Das Vredener Paar kümmert sich jetzt schon seit mehr als zehn Jahren liebevoll um zwei Pflegesöhne und möchte nun gerne anderen Paaren Mut zusprechen, ebenfalls ein oder mehrere Pflegekinder bei sich aufzunehmen.
Beim ersten Behördengang hörten sie, dass es auch für gleichgeschlechtliche Paare möglich sei, Pflegeeltern zu werden: „Die Mitarbeiter ermutigten uns, und wir absolvierten alle erforderlichen Kurse.“
Durch einen Zufall erfuhren die Vredener, dass seitens eines auswärtigen Jugendamtes dringend Pflegeeltern gesucht würden. Sie nahmen Kontakt auf und kurze Zeit später erhielten sie die Rückmeldung, dass es für sie das „passende Kind“ gebe. Denn gesucht wurde eine „spezielle Pflegefamilie mit männlichen Bezugspersonen“.
Treffen mit leiblicher Mutter
Es folgten Treffen mit der leiblichen Mutter, mit Vertretern des Kinderheimes und endlich auch mit dem Jungen, der später ihr Sohn wurde. „Für uns war es Liebe auf den ersten Blick“, erinnern sich Hans Herick und Rudolf Heßing-Herick. Anschließend gab es eine Anbahnungsphase von 52 Tagen, in der sich das Kind und seine zukünftigen Eltern in aller Ruhe kennenlernen durften. Das war für alle Beteiligten so positiv, dass der damals Siebenjährige zu ihnen zog.
Doch nicht nur Hans Herick und Rudolf Heßing-Herick freuten sich über ihren Sohn, sondern auch die Eltern von Hans, denn sie hatten nun ein Enkelkind im Haus. „Es war so, dass sich für uns als Paar das ganze Leben auf eine positive Weise geändert hat. Wir übernahmen die Verantwortung für das Kind“, blickt Hans Herick zurück.
Fürsorge und Liebe
Sein Partner Rudolf ergänzt: „Fürsorge und vor allem auch Zuneigung, Liebe und die notwendige Struktur in der Erziehung zu geben, das ist sehr wichtig.“ Beide verweisen darauf, dass es zunächst sehr bedeutsam sei, dass ein Kind Vertrauen zu seinen Eltern aufbauen könne. Denn häufig sei dieses grundlegende Vertrauen in der früheren Familie nicht stark ausgeprägt gewesen.
„Die ständige Präsenz von uns und unser Einstehen für das Kind in allen Lebenslagen lässt da ein Nachreifen zu. Es gibt nichts Schöneres, als zu erfahren, wenn das Kind dann vertrauensvoll irgendwann den Arm um einen legt, oder sagt: ,Mit dir an meiner Seite kann mir nichts Schlimmes passieren‘“, sagt Rudolf Heßing-Herick, und Hans Herick nickt zustimmend.
Als beide das Vertrauen zu ihrem Pflegesohn aufgebaut hatten, wurde sogar ein Zahnarztbesuch zu einem ganz innigen Ereignis, da das Kind diese Situation durch die Begleitung seiner Pflegeeltern ganz behütet erlebte.
Eine gute Entscheidung
„Unser Sohn wurde in die St.-Norbert-Schule eingeschult und hatte dort eine tolle Klassenlehrerin, die uns von Anfang an zur Seite stand“, lobt Hans Herick die gute Betreuung an der Vredener Grundschule. Da ihrem Sohn dort hohe kognitive Fähigkeiten bescheinigt wurden, entschieden sich die Pflegeltern nach seiner Grundschulzeit für die St.-Anna-Realschule. „Wir können heute sagen, das war eine sehr gute Entscheidung, denn wir hatten immer einen sehr guten Kontakt zu allen Lehrern“, berichtet Rudolf Heßing-Herick.
Als ihr Sohn dort die achte Klasse besuchte, wandte sich das zuständige Jugendamt mit der Frage an das Vredener Paar, ob sie bereit seien, noch ein zweites Kind aufzunehmen. „Damals war Rudolf 53 Jahre alt und ich 47, deshalb haben wir uns ausführlich beraten. Als wir erfuhren, dass es sich um den jüngeren Bruder unseres Sohnes handelte, den wir bereits kannten, sagten wir sofort zu“, erinnert sich Hans Herick.
Er verweist darauf, dass auch ihr zweiter Sohn in der St.-Anna-Realschule bestens aufgehoben war. Jetzt haben beide Söhne ihre Schulzeit erfolgreich gemeistert und besitzen bereits feste Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft. Der älteste Sohn absolvierte zunächst ein freiwilliges soziales Jahr und erlernt nun einen sozialen Beruf, sein jüngerer Bruder ist handwerklich sehr geschickt und beginnt im August eine Ausbildung.
„Dass wir vom Paar zur Familie mit zwei Söhnen wurden, war das Beste, was uns im Leben passieren konnte“, heben die liebevollen Eltern hervor.
„Das Leben bereichert“
Die Kinder genießen das Leben in der Familie, haben viele Freundschaften geschlossen und beschäftigen sich mit unterschiedlichen Hobbys. Dazu zählen auch Spaziergänge mit ihrem Hund.
„Wir möchten allen Paaren, die sich noch unsicher sind, ob sie mit Pflegekindern eine eigene Familie gründen sollen, Mut machen. Denn es gibt noch so viele weitere Kinder, die dringend eine eigene Familie benötigen“, sagt Hans Herick. Sein Partner Rudolf fügt hinzu: „Genau wie in jeder anderen Familie gibt es auch bei uns Höhen und Tiefen, aber man wächst mit seinen Aufgaben. Die Kinder haben unser Leben bereichert.“
Dieser Artikel erschien zuerst im Juni 2023.