Miniaturschuhmuseum Wie ein Stück Geschichte von Sophie Scholl nach Vreden kam

Wie ein Stück Geschichte von Sophie Scholl nach Vreden kam
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Kleine Schuhe, große Schuhe, alte Schuhe, neue Schuhe, Anhänger oder Telefone in Schuhform – im Miniaturschuhmuseum von Georg Wessels gibt es kaum etwas, was es nicht gibt. Und jeder Schuh oder Gegenstand erzählt eine eigene Geschichte.

Georg Wessels steht mit seinem „größten historischen Miniaturschuhmuseum“ im Guinnessbuch der Rekorde. Auch der Eintrag für den größten Schuh überrascht nicht, schließlich hat man sich bei Wessels darauf spezialisiert. Überrascht hat dagegen selbst Georg Wessels die Geschichte hinter einem kleinen Paar Lauflernschuhe, die er bereits seit 2008 in seiner Sammlung hat.

Dabei handelt es sich nicht etwa um ein Miniatur-Modell, sondern um wirklich gebrauchte Schühchen. Ein kleines Mädchen lernte mit ihnen in Ludwigsburg das Laufen. Das kleine Mädchen war Gerda Schäfer, geboren 1927. 2006 besuchte sie zusammen mit Freunden aus Vreden das Schuhmuseum von Georg Wessels. „Wir waren beeindruckt von den hier vorhandenen Schätzen durch die Zeit“, schrieb sie im August 2008 an den Schuhmacher und Sammler.

Dann fand sie beim Aufräumen „die ersten Schuhe, die ich getragen habe“. Die Schuhe dürften zu diesem Zeitpunkt circa 80 Jahre alt gewesen sein. Und Gerda Schäfer entschied sich, die Schuhe dem Miniaturschuhmuseum zu überlassen, „vielleicht können sie eine Bereicherung Ihres Museums sein.“

Bereicherung der Sammlung

Welche Bereicherung diese Schuhe für seine Sammlung sein würden, wusste Georg Wessels damals noch nicht, wie er im Gespräch mit der Redaktion erzählt. Er freute sich über das gut erhaltene Paar Schuhe und begann sogar mit einer Restaurierung.

Erst der Vredener Josef Terpelle, der Gerda Schäfer gut kannte, brachte vor einigen Jahren Licht ins Dunkle. „Eine unglaubliche Geschichte“, findet Georg Wessels. Denn Gerda Schäfer hatte ein besonderes Kindermädchen. „Die Familie Schäfer und die Familie Scholl – mit Sophie und Hans Scholl – lebten eine Zeit lang in Ludwigsburg im selben Haus“, erzählt Wessels. Und da Sophie Scholl einige Jahre älter war als Gerda Schäfer, übernahm sie die Rolle des Kindermädchens für die junge Gerda.

Sophie Scholl leistete in späteren Jahren bekanntlich zusammen mit ihrem Bruder Hans und der Gruppe „Weiße Rose“ Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Dafür wurde sie 1943 zum Tode verurteilt.

Zusammen mit dem Brief von Gerda Schäfer haben die Lauflernschuhe einen besonderen Platz in Georg Wessels Miniaturschuhmuseum gefunden.
Zusammen mit dem Brief von Gerda Schäfer haben die Lauflernschuhe einen besonderen Platz in Georg Wessels Miniaturschuhmuseum gefunden. Der rechte Schuh (unten) ist restauriert, der linke noch original (oben). © Carina Strauss

Dass Sophie Scholl als Kindermädchen mit den Lauflernschuhen von Gerda Schäfer in Berührung kam, ist nicht ganz unwahrscheinlich, auch wenn sich das nicht mehr nachweisen lässt. Aber seit Georg Wessels um die Geschichte der Schuhe weiß, haben sie für ihn einen besonderen Stellenwert. „Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich sie auch nicht restauriert.“ Nun ist der rechte Schuh liebevoll restauriert, der linke ist im Originalzustand verblieben.

Den Stellenwert merkt man auch an der Platzierung der Schuhe. Wessels hat sie in seiner „wertvollsten“ Vitrine untergebracht, gleich neben den Glücksbringerschuhen von Sepp Herberger und einer Sammlung von Salamander. Wobei „wertvoll“ in diesem Zusammenhang subjektiv sei, so Wessels.

Komplett aus Leder

Die kleinen Schühchen bestehen komplett aus Leder, sogar die Sohle. „Ich vermute, dass die ursprünglich ganz dunkelrot waren.“ Es sei eine klassische Art Lauflernschuhe aus dieser Zeit. Georg Wessels hat auch ein ähnliches Paar aus dieser Zeit aus Vreden im Regal stehen.

Wer diese und die zahlreichen anderen Schuhe selbst sehen und die Geschichten und Anekdoten dazu hören möchte, kann sich zu einer Führung bei Georg Wessels anmelden. Feste Öffnungszeiten hat das Miniaturschuhmuseum an der Neustraße 16 derzeit nicht, nachdem die Werkstatt an die Bahnhofstraße 15 umgezogen ist.