
© Kemper
Vredener Unternehmen kann Viren und Bakterien aus der Luft filtern
Coronavirus
Eigentlich ist das Unternehmen Kemper ja eher im Bereich der industriellen Absaugung unterwegs, aber das System hat einen Nebeneffekt, der in der Corona-Pandemie sehr nützlich ist.
Ganz Deutschland diskutiert gerade über Lüftungssysteme für Klassenräume. In Vreden sitzt mit dem Unternehmen Kemper ein echter Spezialist für solche Luftfiltergeräte. Mit Schulen, Kindergärten oder Restaurants hat es aber eigentlich wenig am Hut.
„Wir sind klassisch in der Industrie unterwegs und zwar seit 1977“, sagt Geschäftsführer Björn Kemper. Das Unternehmen stellt Anlagen her, die Schweißrauch oder Schneidstaub in metallverarbeitenden Betrieben absaugen. „Das ist eine kleine Nische, in der wir Weltmarktführer sind.“
Als die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr beginnt, begibt sich die Geschäftsführung auf die Suche nach Möglichkeiten, wie sich das Unternehmen in der neuen Situation einbringen und die drohende Krise möglichst gut überstehen kann. Dabei fällt der Blick auch auf einen „Nebeneffekt, den wie vorher nie wirklich betrachtet haben“, wie Björn Kemper es ausdrückt.
Anlagen haben schon immer auch Viren und Bakterien rausgefiltert
Viren und Bakterien sind nämlich ähnlich groß wie die Partikel im Schweißrauch, die von den Filtern aufgenommen werden. „Die Anlagen haben also schon immer auch Viren und Bakterien aus der Luft gefiltert, auch wenn das nie der Fokus war“, sagt Björn Kemper. Doch die Idee, diese Technologie auch anderweitig zu nutzen, schieben die Verantwortlichen im Frühjahr erst einmal beiseite.

Björn Kemper ist der Geschäftsführer des Vredener Unternehmens Kemper. © Kemper
„Damals haben wir dafür keinen Markt gesehen“, sagt der Geschäftsführer. Dass die Pandemie das Land so lange in Atem hält, hat zu diesem Zeitpunkt ja noch niemand geahnt. Stattdessen wird erst einmal ein neues Unternehmen mit dem Namen „Serdo“ gegründet. Die Mitarbeiter dort stellen Desinfektionsständer her – aus Metall, schließlich ist hier bereits die nötige Expertise vorhanden.
Im Sommer geht die Geschäftsführung auch das Thema Luftfilteranlagen wieder an. Gastronomen wollen aufrüsten, um für mehr Sicherheit zu sorgen, Schulen und Kindergärten sind auf der Suche nach Lösungen und Arbeitgeber wollen in ihren Büros möglichst gute Bedingungen schaffen.
Für den Klassenraum war mehr Sicherheit notwendig
„Wir konnten dann in relativ kurzer Zeit den Air-CO2ntrol entwickeln“, berichtet Björn Kemper. Das mobile Gerät besteht aus den gleichen Komponenten wie die bisherigen Anlagen. Einige Modifikationen musste das Unternehmen allerdings vornehmen.

Das mobile Gerät kann man einfach in die Steckdose stecken. © Kemper
Dabei ging es vor allem um den Sicherheitsaspekt. „Dieses Gerät steht in einem Klassenraum und nicht in einer Industriehalle als Arbeitsgerät“, macht Björn Kemper den Unterschied deutlich. Die Anlage ist zum Beispiel mit einem Vorhängeschloss gesichert, damit die Kinder nicht einfach aus Neugierde ins Innere schauen können und zum Beispiel mit den benutzten Filtern oder der UV-C-Strahlung in Berührung kommen. Außerdem kann man das Gerät einfach in die Steckdose stecken und der Geräuschpegel liegt bei 40 dbA. Das entspricht der Lautstärke von Flüstern.
Mehrere Filter und eine optionale Bestrahlung
Aber wie funktioniert so ein Gerät überhaupt? „Die Luft wird im oberen Teil des Gerätes angesaugt und geht dann zuerst durch einen Vorfilter, der grobe Verunreinigungen und Staub entfernt. Es folgt optional eine UV-C-Bestrahlung. Dadurch werden die Viren und Bakterien inaktiv“, erklärt Björn Kemper. Wenn der Kunde diese Zusatzfunktion wünscht, wird auch der Filter dauerhaft bestrahlt, sodass die Infektionsgefahr beim Filterwechsel möglichst niedrig ist.
Nach der Bestrahlung strömt die Luft durch den Hauptfilter, der 99,995 Prozent der Aerosole, Viren und Bakterien abscheidet, wie es in der Fachsprache heißt. Sechs Mal pro Stunde wird die komplette im Raum befindliche Luft so gesäubert. Diese Quote erfüllt der Air-CO2ntrol bei Klassenräumen mit bis zu 250 Kubikmetern Raumluft. So ein Raum wäre zum Beispiel 100 Quadratmeter groß und hätte eine Deckenhöhe von 2,5 Metern. „Der durchschnittliche Klassenraum in Deutschland hat 200 Kubikmeter“, weiß Björn Kemper.
Lüften bleibt weiterhin notwendig – aber nicht mehr so oft
Eines aber kann die Neuentwicklung nicht: Kohlenstoffdioxid durch Sauerstoff ersetzen. „Deswegen bleibt Lüften grundsätzlich notwendig“, sagt der Geschäftsführer. Denn Sauerstoff ist unbedingt notwendig für die Konzentration der Schüler. „Allerdings muss man mit so einer Filteranlage nicht mehr wegen der Aerosole lüften. Man kann das Lüften also runterfahren und zum Beispiel in den Pausen machen“, sagt Björn Kemper.
Er selbst hat ein schulpflichtiges Kind, das vor dem Lockdown oft mit Jacke in der Klasse saß, weil es durch das Lüften so kalt geworden war. „In der zweiten Welle fällt auf, wie gut die Schulen belüftet sind, nämlich gar nicht“, meint der Vredener. Dabei seien fest eingebaute Lüftungsanlagen inzwischen sogar in Restaurants und privaten Wohnhäusern Standard. „In den Niederlanden sind sie schon lange auch an Schulen Alltag.“
Stadtlohn setzt in Grundschulen auf die Filteranlagen
In Deutschland steigt die Nachfrage gerade. Das Unternehmen Kemper hat Anfang Januar die ersten Geräte nach Berlin ausgeliefert, bis zu 1200 sollen es allein in der Hauptstadt werden. Auch Stadtlohn setzt auf die Filteranlage – vorerst allerdings nur in den Grundschulen. Eine Anlage kostet je nach Ausstattung zwischen 2500 und 3000 Euro und wird nach Angaben von Björn Kemper gefördert.
Und was machen die Schulen nach der Pandemie mit den Geräten? „Sie haben auch danach noch eine Berechtigung. Schließlich gibt es in der Luft tausende Stoffe, die rausgefiltert werden können. Zum Beispiel Ausdünstungen von Kunststoffteilen oder Teppichen, Pollen und andere Allergiestoffen oder Grippeviren“, sagt der Geschäftsführer.
Als gebürtige Vredenerin habe ich mich aus Liebe zur Region ganz bewusst für den Job als Lokaljournalistin in meiner Heimat entschieden. Mein Herz schlägt für die Geschichten der Menschen vor Ort. Ich möchte informieren, unterhalten und überraschen.
