Fast im ganzen Land behandeln Gemeinden und Städte derzeit die Frage: Grundsteuer-Hebesätze belassen oder senken und damit Bürger entlasten? Auch in Vreden befasste sich der Haupt- und Finanzausschuss (20. November) mit dem Thema. Ausgangspunkt ist die Grundsteuerreform, die zum 1. Januar in Kraft tritt, nachdem Bundesverfassungsrichter 2018 die Berechnungsgrundlage des derzeitigen Systems für verfassungswidrig erklärt hatte. In den Kommunen besteht also akuter Handlungsbedarf. Wie diese Anpassung aussehen soll und was das genau bedeutet, ist allerdings gar nicht so einfach zu erklären.
Ergebnisse können variieren
Damit die Finanzämter die neuen Berechnungsgrundlagen nach dem Grundsteuer-Reform-Gesetz ermitteln konnten, mussten Grundstückseigentümer in Vreden eine Feststellungserklärung abgeben. Diese musste bis zum 31. Januar 2023 abgegeben werden. Auf Basis dieser Erklärungen ermittelten die Finanzämter neue Messbeträge für die jeweiligen Grundstücke und überlieferten diese Werte nach und nach an die Kommunen.
Im Zuge der Berechnungen zur Höhe der künftigen Grundsteuer ab 2025 zeigte sich, dass die Werte für Wohngrundstücke in einigen Kommunen anstiegen, während sie für die Nichtwohngrundstücke sanken, das berichtete die Kämmerin der Stadt Vreden, Gabriele Terhalle, in der Ausschusssitzung. Ursächlich dafür seien unterschiedliche Bewertungsmodelle der beiden Grundstücksarten. Denn: Wohngrundstücke sind nach dem Ertragswert- und Nichtwohngrundstücke nach dem Sachwertverfahren bewertet worden.
„Bis Mitte Oktober lagen uns rund 90 Prozent aller Neubewertungen des Finanzamtes vor“, führte Terhalle weiter aus. „Die Messbeträge aller Wohngrundstücke in Vreden sind nach unserer Prüfung nach den Neubewertungen um 6,6 Prozent gestiegen.“ Die Messbeträge der übrigen Grundstücke seien hingegen um 45,5 Prozent gesunken.
Nun stellte sich die Frage, ob ein einheitlicher oder differenzierter Hebesatz zu einem besseren Ergebnis führt. „Dabei lässt sich hier von besser oder schlechter eigentlich weniger reden“, warf Bürgermeister Dr. Tom Tenostendarp ein. Bei einem einheitlichen Hebesatz teile sich das Steueraufkommen zu 72 Prozent auf die Wohngrundstücke und zu 28 Prozent auf die Nicht-Wohngrundstücke auf. Bei einem differenzierten Hebesatz verschiebe sich dieses Verhältnis zu 60 Prozent (Wohngrundstücke) und 40 Prozent (Nicht-Wohngrundstücke).
Das Anschauungsbeispiel (10 Immobilien verteilt im ganzen Stadtgebiet) der Verwaltung in der Ausschusssitzung zeigte, dass es je nach Grundstück und Form des Hebesatzes zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Manch einer müsse weniger zahlen als zuvor, andere wiederum wesentlich mehr. Das liege allerdings, so Gabriele Terhalle, in der Natur der individuellen Verschiebung zwischen den Bewertungsergebnissen jedes einzelnen Grundstücks.
In ihrer Empfehlung sprach sich die Stadtverwaltung jedoch nach einigen Abwägen für die differenzierten Hebesätze aus. „Durch die Anwendung eines differenzierten Hebesatzes kann zumindest in Teilen ein Ausgleich stark unterschiedlicher Messbeträge erreicht werden“, begründete die Kämmerin die Entscheidung. „Auch wenn es bei der Umsetzung zu einem höheren Verwaltungsaufwand kommt, resultiert aus der Differenzierung voraussichtlich mehr Gerechtigkeit unter den Steuerpflichtigen.“
Die neuen Hebesätze
Die vom Finanzministerium NRW vorgeschlagenen differenzierten Hebesätze für das Jahr 2025 sollen dementsprechend angewandt werden. Konkret bedeute das:
- Grundsteuer A: 279 Prozentpunkte
- Grundsteuer B (Wohngrundstücke): 547 Prozentpunkte
- Grundsteuer B (Nicht-Wohngrundstücke): 970 Prozentpunkte
Außerdem wollte die Verwaltung zeitgleich mit dem Beschluss einer Hebesatzsatzung für die Grundsteuerhebesätze auch einen neuen Hebesatz für die Gewerbesteuer beschließen. Damit würde der Aufwand, die Gewerbesteuerbescheide zu Jahresbeginn mit dem alten Hebesatz, und nach Beschluss der Haushaltssatzung mit dem neuen Hebesatz zu versenden, hinfällig. So schlug die Verwaltung einen Hebesatz für die Gewerbesteuer vor von 416 Prozentpunkten vor.
Kommunikation ist gefragt
Die Verwirrung in den einzelnen Fraktionen nach der Vorstellung der Ergebnisse war groß. Die Poltikerinnnen und Politiker konnten nur wenig Verständnis für diese neue Regelung aufbringen. „Also mit klarem Menschenverstand hat das für mich nur noch wenig zu tun“, betonte Heinz Gewering von der CDU-Fraktion. „Aber es kommt ja niemand drumherum. Wichtig ist es jetzt, das Ganze gut zu kommunizieren. Denn nur so kann deutlich werden, dass das nicht auf unserem Mist gewachsen ist und wir mit dem differenzierten Hebesatz versuchen, einen fairen Ausgleich zu schaffen.“
Nicht nur der Meinung Gewerings, sondern auch dem Antrag stimmten am Ende sämtliche Ausschussmitglieder einstimmig zu. Damit sprachen sie jedoch bloß eine Empfehlung aus. Die endgültige Entscheidung liegt beim Rat der Stadt.