Was tue ich, wenn der Kumpel plötzlich zudringlich wird? Wen kann ich ansprechen, wenn ich über das Internet komische Fotos geschickt bekomme? – Fragen, auf die auch Kinder leider immer wieder eine Antwort finden müssen. Gerade deshalb ist Aufklärung so wichtig. Hier setzt die Elterninitiative „Starke Kinder Vreden“ an.
2004 gegründet und unter der Schirmherrschaft des Bündnisses für Familien haben sich die Eltern zum Ziel gesetzt, die Kinder in Vreden besser aufzuklären. Stefanie Hilbing ist seit 2015 dabei. „Ich finde es wichtig, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken“, erklärt die Mutter ihre Beweggründe, sich an der Initiative zu beteiligen. „Wir können unsere Kinder nicht hundertprozentig vor Übergriffen schützen, aber wir können sie aufklären, ihnen helfen, sich zu wehren und ihre Persönlichkeit zu stärken. Das ist der Grundgedanke unserer Initiative“, erklärt Christine Ameling, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Vreden.
Im Mittelpunkt der Arbeit steht das Theaterstück „Mein Körper gehört mir“, realisiert und aufgeführt von der Theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück. Dabei muss man sich das Ganze nicht wie ein klassisches Theaterstück vorstellen. Die Theatertherapeuten kommen in die Klassen und führen dort kleinere Szenen auf. Belästigung im Bus, Nachrichten im Chat – die Bandbreite ist groß. Sexuelle Gewalt findet vor allem in der Familie und im Bekanntenkreis statt, aber auch im außerfamiliären Umfeld.
Vor allem die Vorstellung im sicheren Klassenverband sei wichtig, so Stefanie Hilbing. „So können die Kinder ungezwungen Fragen stellen. Sie können die Therapeuten auch jederzeit ansprechen.“ Gleichzeitig stellen auch die Schauspieler den Kindern immer wieder Fragen. So entwickelt sich ein interaktives Theaterstück.
Eltern mit im Boot
Das Ziel: „Die Kinder müssen wissen: Ich kann mir Hilfe holen. Ich darf mich auf jeden Fall äußern, wenn mir etwas komisch vorkommt, wenn ich angefasst werde, wenn das Bauchgefühl sagt: Das ist nicht richtig“, erklärt Hilbing. Viel zu oft wüssten die Kinder nicht, an wen sie sich wenden sollen, würden denken, dass ihnen nicht geglaubt wird.
In dem Theaterstück werden unter anderem Zettelchen mit der „Nummer gegen Kummer“ verteilt. „Die Kinder werden auch dazu animiert, dort einfach mal so anzurufen, um zu hören, dass da jemand ist. Sodass ihnen die Angst davor genommen wird, auch im Ernstfall dort anzurufen.“

Natürlich seien die Eltern, Vertrauenslehrer oder sonstige vertraute Personen erste Anlaufstelle für die Kinder. Und deshalb gibt es – wenn nicht gerade Corona einen Strich durch die Rechnung macht – vor den Aufführungen in den Grundschulen einen Infoabend für die Eltern. „Das komplette Programm, das die Kinder sehen, wird auch den Eltern vorgespielt. Sodass die Eltern auch wissen, was die Kinder sehen“, so Hilbing. So können die Kinder auch zuhause nochmal nachfragen, wenn noch Fragen offen bleiben.
Für 3. und 4. Klassen
Das Theaterstück soll eigentlich alle zwei Jahre für die dritten und vierten Klassen aller Grundschulen in Vreden aufgeführt werden. Coronabedingt ist man hier in den vergangenen Jahren auch mal in die fünften Klassen gerutscht. Nun will man wieder in den Rhythmus finden und das Stück im Schuljahr 2023/2014 an den Grundschulen zeigen.
Doch für die Realisierung braucht die Initiative finanzielle Unterstützung. Rund 10.000 Euro muss die Initiative pro „Saison“ aufwenden. Wer sich beteiligen möchte, findet unter www.starke-kinder-vreden.jimdofree.com/kontakt/ alle nötigen Informationen. Wer es einfacher haben möchte, kann zum Beispiel auch beim Verbrauchermarkt Penny beim Bezahlen „aufrunden“. Auch diese Spenden gehen an das Projekt.
Dass die Aufklärung notwendig und wichtig ist, hat eine Mutter in Stefanie Hilbings Bekanntenkreis selbst erlebt. „Ein Mann hat die Tochter im Internet angeschrieben und sie gebeten, Fotos von ihr zu schicken.“ Die Tochter wartete nicht lange, sondern wandte sich direkt an ihre Mutter, die das Ganze zur Anzeige brachte. „Das zeigt: Es passiert nicht nur irgendwo“, betont Hilbing. Und deshalb sei es auch ganz wichtig: „Kinder müssen lernen, dass man als Elternteil immer ansprechbar ist. Man sollte immer ein offenes Ohr für die Kinder haben und sie im Zweifelsfall auch ernst nehmen.“